Jahrhundertkoch Witzigmann: "Der Trend ist, dass es keinen gibt"

Seine Erinnerungen füllen Ordner, Witzigmann ist ein Sammler. In seinen Sterne-Restaurants führte er immer Karteikarten über die Stammgäste, um zum Geburtstag Grußkarten zu schicken.
Von Gastein aus veränderte er Europas Küche: In einem seiner raren Interviews zieht Eckart Witzigmann zum 80. Geburtstag Bilanz über seine außergewöhnliche Karriere, in der er alles „Neue“ schon erlebt hat.

Er gilt als einer der Mitentwickler der „Nouvelle Cuisine“ und erhielt neben zahlreichen Ehrungen die Auszeichnung „Jahrhundertkoch“: Eckart Witzigmann prägte die Gastronomie der vergangenen Jahrzehnte wie kaum ein anderer. Zu seinem 80. Geburtstag hat er noch einmal ein Buch geschrieben, sich aber ansonsten aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Nur der Deutschen Presse-Agentur und KURIER ReiseGenuss gab er ein Interview – auf persönlichen Wunsch Witzigmanns führten wir es schriftlich.

Seine Ansprüche als Koch oder fehlende Trends in der Gastronomie ließen sich dennoch ausführlich besprechen. Und die für Hobbyköche nicht unwichtige Frage klären, wie das perfekte Spiegelei gelingt.

KURIER: Herr Witzigmann, was kocht ein Jahrhundertkoch, wenn ihn plötzlich der Hunger überfällt und es schnell gehen soll?

Eckart Witzigmann: Ich glaube, auch ein Jahrhundertkoch hat die gleichen menschlichen Emotionen wie jeder andere, wenn akuter Hunger auftaucht. Man braucht schnell was zwischen die Zähne, weil der Magen knurrt. Man schaut neugierig in den Kühlschrank oder inspiziert die Vorratskammer. Da geht Schnelligkeit vor Top-Qualität.

Zum Beispiel eine Dose Ölsardinen mit Braterdäpfeln. Das klingt nicht gerade nach Haubenküche. Was ist für Sie so toll daran, dass Sie richtig ins Schwärmen kommen?

Muss immer alles nach Haubenküche klingen? Wenn es darum geht, spontan den großen Hunger zu stillen, können doch auch eine Dose Ölsardinen, vielleicht sind es ja noch welche mit Jahrgang, und gut gemachte Braterdäpfel der ideale Rettungsanker sein. Es gibt auch ein Leben jenseits von Kaviar, Gänsestopfleber und Hummer. Wie sagte doch schon Herr Simmel: Es muss nicht immer Kaviar sein.

Sie schreiben, wer einen Kräutertopfen nicht als Delikatesse empfindet, dem sprechen Sie das Genussempfinden ab. Was ist das Deliziöse an einem so einfachen Gericht?

Da kann ich mich jetzt nur wiederholen. Gerade einfache Gerichte, wenn sie perfekt mit den besten Produkten zubereitet sind, sind echte Delikatessen. Wer glaubt, nur die teureren High-End-Produkte sind die Delikatessen, der ist auf dem Holzweg.

Was ist Ihr Lieblingsgericht?

Das hängt immer davon ab, in welchem Winkel der Welt ich mich gerade befinde, und wie es um meinen Gemütszustand bestellt ist.

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