Im Restaurant Vestibül ist "das ganze Jahr lang Sommer"
Einst war das Vestibül die Privateinfahrt des Kaisers Franz Joseph, der manchmal mit, manchmal ohne seine Frau Elisabeth das k.k. Hoftheater besuchte. Vom angrenzenden Marmorsaal führte direkt eine Treppe in die Kaiserloge. Entsprechend majestätisch ist die Architektur bis heute: Säulen aus dunklem Marmor, Stuckdecken und kaiserliche Wappen zieren die Räume, die heute das Restaurant Vestibül ausmachen.
Hier ist das Reich von Christian Domschitz, der seit Jahren sein legendäres Szegediner Hummerkrautfleisch auf der Karte hat, wobei Hummer eines der wenigen Lebensmittel ist, das hier nicht saisonal und regional ist. Denn der Padrone und sein Küchenchef Christoph Schuch setzen auf heimische Produkte. Domschitz kooperiert deshalb mit den Wiener und den burgenländischen Gärtnereigenossenschaften (LGV).
Bei der Gault&Millau-Genuss-Messe am 19. und 20. September im Kursalon Hübner in Wien kochen Spitzenköche wie Heinz Reitbauer vom Steirereck und Konstantin Filippou. Christian Domschitz wird am Samstag, von 12 bis 14 Uhr, servieren.
Bloß nichts wegwerfen
Die Lieferanten meinten es eines Tages zu gut mit den Köchen – es waren so viele Paradeiser, Zucchini und Melanzani da, dass sie unmöglich alle auf die Teller gebracht werden konnten. Wegwerfen war für die beiden aber keine Option. Und auch im Tiefkühler war nicht unendlich viel Platz. Doch wie schafft man es dann, das volle Aroma des Sommers in die kältere Jahreszeit zu retten?
Schuch und Domschitz kamen bald auf die Idee, das Gemüse zu fermentieren. Heute liegt diese Form der Haltbarmachung vor allem bei jungen Menschen im Trend. 2015, als die beiden damit begonnen hatten, waren sie in Österreich damit so etwas wie Pioniere. „Es ist eine sehr alte Form des Konservierens“, weiß Domschitz, der mit einem Michelin-Stern und drei Hauben ausgezeichnet wurde. „In Asien wird das schon seit Tausenden Jahren praktiziert. Denken Sie zum Beispiel an das Kimchi, das in Korea große Tradition hat.“ Wobei man in Fernost nicht nur Gemüse, sondern auch Fisch oder Hummer einlegt und gären lässt – etwas, das Domschitz dann doch lieber den Profis in diesen Ländern überlässt. „Ich glaube auch, dass das für unsere europäischen Gaumen doch gewöhnungsbedürftig ist.“ Gelinde gesagt.
Im Vestibül bleibt man beim Gemüse und freut sich, dass man hier viele Spezialitäten verarbeiten kann. Bei den Paradeisern sind das zum Beispiel die fleischigen Ochsenherz, die sehr aromatisch sind, aber nicht zu viel Säure haben, oder die erfrischenden grünen Zebratomaten. Egal ob kleine oder große Tomaten – im Vestibül werden alle Paradeiser im Ganzen fermentiert. Doch nicht nur das: Wen der Chef de Cuisine in sein Allerheiligstes lässt, der entdeckt noch andere Gläser – jedes davon einige Kilo schwer – mit fermentiertem Gemüse: von Spargel über Kraut bis hin zu Chinakohl, Brokkoli, Karfiol, Gurken oder Kürbis. Sein Geheimtipp: Fermentierte Chili – die sind nicht so scharf.
Sehr gesund
Das mild-sauer vergorene Gemüse schmeckt nicht nur, sondern ist auch äußerst gesund – davon ist Christoph Schuch überzeugt. Er erinnert sich, wie einst Christian Domschitz etwas angeschlagen zu ihm kam: „Ich habe ihm eine Suppe mit fermentiertem Wurzelgemüse gemacht – am anderen Tag waren die Erkältungssymptome wie weggeblasen.“ Seither schwört er auf das eingelegte Wurzelwerk.
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