Ja, in Salzburg wächst mittlerweile auch Wein. Und in Salzburg werden auch seit jeher grandiose Schnäpse gebrannt. Aber der Saft, der des Salzburgers Herz zum Schwingen bringt, ist nun einmal das Bier. Und das hat nicht nur etwas mit der unmittelbaren Nachbarschaft zu Bayern oder den atemberaubend schönen Biergärten zu tun. Das hat auch historische und sogar ein paar geografische Gründe. Denn Brauen war im Mittelalter ein Privileg der Klöster, von denen es im erzbischöflich regierten Salzburg, dem „Rom des Nordens“, nicht zu knapp gab. Abgesehen davon brauchte man vor der Erfindung von Kühl-Anlagen zum Bierbrauen jede Menge Eis, und das war hier am Nordrand der Alpen von den nahen Gletschern oder aus im Winter zugefrorenen Seen relativ leicht zu bekommen. An die 30 Brauereien soll es im Salzburg des Spätmittelalters gegeben haben, was bei einer Bevölkerungszahl von damals knapp 8.000 Menschen schon recht beachtlich ist. Und so entwickelte sich über die Jahrhunderte in Salzburg eine ganz spezielle Bierkultur, die ihresgleichen in Österreich sucht.
Bier brauen seit 1492
Das beginnt natürlich bei Österreichs größter Privatbrauerei Stiegl, mit Gründungsdatum 1492 auch die älteste Brauerei der Stadt, deren Namen übrigens nicht von der steilen Festungsgasse herrührt, die zum eindrucksvollen Bräu-Lokal „Stieglkeller“ führt, wie man vielleicht glauben möchte.
Stiegl zählt heute in vieler Hinsicht zu den modernsten Brauereien des Landes, und zwar nicht nur wegen der Hightech-Brauanlage im Stadtteil Maxglan, nicht nur wegen der Bier-Erlebniswelt „Stiegl-Brauwelt“. Sondern auch wegen des Projektes „Stiegl-Gut Wildshut“, 30 Kilometer nördlich von Salzburg, wo seit 2012 sehr spezielle Biere aus selbst gemälzten, alten Getreidesorten und in Kreislaufwirtschaft gebraut werden, ein Bier-philosophisches Zukunftsprojekt.
Neben dem eindrucksvollen Riesen gibt es in und um Salzburg aber auch sympathische Bier-Zwerge. „Die Weisse“ zum Beispiel, eine im Jahr 1900 gegründete Weißbierbrauerei, die längst aufgelassen und 1987 von Hans Georg Gmachl neu übernommen wurde. Hier wird Weißbier ganz nach alter Methode in der Flasche fertigvergoren, sieben verschiedene Versionen werden hier mittlerweile gebraut, darunter auch eine Gluten- und eine Alkohol-freie.
Und trotz aller Tradition, die Bier-Moderne hat in Salzburg tatsächlich einen starken Auftritt. Etwa mit Reinhold Bartas Bio-Brauerei „Gusswerk“, die er 2007 in der gleichnamigen ehemaligen Industrie-Anlage in Salzburg-Radeck gründete und 2013 nach Hof bei Salzburg übersiedelte. Nichts, was irgendwie mit Bier zu tun hat, ist vor diesem Meisterbrauer sicher, er gilt als einer der Pioniere der heimischen Craftbeer-Szene, hat es mit seinen extra-individuellen Bieren aber auch schon in die Supermarkt-Regale geschafft.
Tradition und Bier-Hightech
Nicht zu vergessen die Trumer Brauerei in Obertrum. Hier finden 420 Jahre Brau-Tradition und Bier-Hightech absolut eindrucksvoll zueinander: Schon 1985 spezialisierte man sich auf das damals in Österreich kaum bekannte Pils, ein etwas helleres, hopfigeres Bier, heute heiß geliebt; Trumers mundgeblasene „Bier-Flöten“ wurden als schönstes Bierglas der Welt prämiert und im Museum of Modern Art in New York ausgestellt. Man konstruierte 2006 auch völlig neue offene Gärständer, die an Ufos erinnern und handwerkliches, sensibles Brauen ermöglichen. Die internationalen Preise für das „Best German Style Pilsener“ gewannen die Obertrumer fortan in Folge. 2004 wurde sogar eine Trumer-Niederlassung in Kalifornien gegründet. Ein Pils geht um die Welt, sozusagen.
Axel Kiesbye war 22 Jahre lang Braumeister bei Trumer und errichtete in einem Nebengebäude seine „Bier Akademie“, wo man die Ausbildung zum Biersommelier oder Braukurse absolvieren kann. Seit zehn Jahren braut der in Dortmund geborene Bier-Zauberer außerdem in Kooperation mit den Österreichischen Bundesforsten die so genannten „Waldbiere“: Jedes Jahr ein anderer Bier-Typus, jedes Jahr mit einer anderen Zutat aus Österreichs Wäldern, sei es ein Ale mit Auszügen aus Blüten und Blättern, gerösteten Ästen und getrockneten Früchten der Holzbirne, sei es Bier, das im Barrique aus österreichischer Eiche lagerte …
Das Salzburgerischste aller Salzburger Biere ist aber wohl das Augustiner – nicht das Münchner, sondern das aus dem Kloster Mülln. Es ist nicht nur ein wahnsinnig gutes Bier, dieser Gerstensaft repräsentiert einen auch nicht ganz unbedeutenden Salzburger Wesenszug, nämlich die Sturschädeligkeit: Das Augustiner wird noch nach dem alten böhmischen Dekoktionsverfahren gebraut; das ist aufwendiger, bringt aber das Eutzerl mehr Geschmack. Die Bierwürze wird in einem der letzten so genannten „Kühlschiffe“ Europas auf Temperatur gebracht, völlig unmodern, aber auch das bringt eine spezielle Note. Und dann sind da noch die „gepechten“ Holzfässer, in denen das Bier lagert, aus denen es im legendären Bräustübl mit dem schönsten Biergarten Österreichs angezapft wird. Abgesehen davon, dass das Müllner Bier natürlich nicht über die Salzburger Stadtgrenzen hinaus geliefert wird. Das ist noch Bier mit echtem Erlebniswert. Das ist der Salzburger Champagner.
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