Währenddessen formten andere Arbeiter das Brot oder arbeiteten bei den Öfen. Das Ziel: Fachkräfte durch ungelernte Arbeiter zu ersetzen und den Status einer Fabrik zu erhalten. Auf diese Weise verwandelte sich binnen 15 Jahren eine pleitegegangene Bäckerei in die damals größte Brotfabrik Europas. Als Markenzeichen des Unternehmens wählten die Brüder als Firmensymbol den Anker, der für Vertrauen stehen sollte.
100.000 Brote und 400.000 Semmeln jeden Tag
Anlässlich des 130-jährigen Firmenjubiläums setzt sich das Unternehmen mit seinen Höhen und Tiefen – der Zerfall der Monarchie, Wirtschaftskrisen, zwei Weltkriege und zahlreiche Eigentümerwechsel – in einem neuen Bildband auseinander. Und das mitten in einer Branchenkrise, denn die Österreicher decken sich in Zeiten von Lockdowns und Homeoffice bevorzugt mit lang haltbarer Industrieware ein.
Was Ankerbrot nur bedingt zugutekommt, denn ein Teil der abgepackten Backwaren im Supermarkt ist importiert. Österreich zählt heute abseits von Industriebetrieben wie Anker und Ölz rund 1.100 Bäcker mit rund 22.000 Mitarbeitern. In den 70er- Jahren waren es noch 3.000. Alleine Ankerbrot bäckt täglich für seine Filialen und für das Supermarkt-Angebot rund 100.000 Brote und 400.000 Semmeln.
Nicht erst seit dem Brot-Hype strauchelt die Institution. Woran das liegt, versucht Bäcker-Innungsmeister Josef Schrott zu erklären: "Generell handelt es sich um einen schwierigen Markt: Man muss den Wunsch der Kunden treffen und entsprechende Produkte anbieten. Große Einheiten sind behäbiger als kleine. Es kommt auf die Standorte an – ganz besonders jetzt. Der Umsatz ist in Standorten nahe Büros stark zurückgegangen."
In den kommenden Jahren steht für das Unternehmen eine große Veränderung an: Die Verlagerung der Produktion vom legendären Firmengelände in Wien-Favoriten nach Simmering. Der Neubau entsteht auf einer Fläche in der Größe von vier Fußballfeldern an der Sofie-Lazarsfeld-Straße, die nach einer Individualpsychologin und Frauenrechtlerin benannt wurde, die 1938 vor den Nazis fliehen musste.
Zwangsarbeiterlager auf dem Firmengelände
Eine ehrenvolle Adresse für ein Unternehmen, das arisiert wurde. Bereits wenige Tage nach der Machtergreifung hieß es in Zeitungsinseraten: "Die Ankerbrotfabrik AG hat ab 15. März 1938 eine rein arische Leitung und beschäftigt 1.600 arische Mitarbeiter."
Von September 1944 bis März 1945 befand sich in der Fabrik ein Zwangsarbeiterlager. Im ältesten Komplex befinden sich heute Lofts und kulturelle Einrichtungen. Drei Viertel der Anlage wird noch für die Brotproduktion genutzt.
Als Jubiläumsprodukt wird ein "süßes Ankerl" eingeführt, dessen Erlös in Grätzel-Projekte gesteckt wird – Details dazu sollen folgen. Mitübersiedeln wird übrigens auch der seit 1978 bestehende Sauerteig.
Buch-Tipp: Christian Rapp, Markus Kristan: Ankerbrot. Die Geschichte einer großen Bäckerei, Brandstätter Verlag, 168 Seiten, 25 Euro
ORF-Doku: "Gebacken mit Tradition - 130 Jahre Ankerbrot", 24. Jänner, 18:30 Uhr
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