Salzburger Ansichten: Besuch in der Festspielstadt
Wo beginnen, wie sich annähern? An diese kleine Stadt, in der man aufgewachsen ist. In der das Wort „bescheiden“ nicht existiert, weil sie seit jeher alles hat – und es auch gerne zeigt. Festspiele, Getreidegasse, Schickeria, Mozartkugeln, Loden, Haute Couture, Bussibussi und Jägerleinen. Dazu die größte Burg Mitteleuropas, idyllische Hausberge, Schlösser, Kirchen, Biergärten und Hauben-Restaurants. Und ja, natürlich die Festspiele, die sie einen Monat lang zur Kulturhauptstadt der Welt machen.
Vielleicht beginnen wir einfach dort, wo jeder der acht Mio Besucher, die jährlich nach Salzburg kommen, unweigerlich landet: in der Getreidegasse. 350 Meter lang, seit der Römerzeit eine wichtige Verkehrsader und Handelsstraße. Nein, mit Getreide wurde nie gehandelt, der Name dürfte vom Ausdruck „trabig“ kommen, „es eilig haben“. Das sollte man allerdings nicht, wenn man heute durchgeht, der Fußgängerstrom zieht gemächlich an den berühmten alten Zunftzeichen und reich verzierten Firmenwappen vorbei, kommt bei Mozarts Geburtshaus regelmäßig ganz zum Erliegen ...
Dennoch meiden Salzburger die Gasse keineswegs, man findet uns Eingeborene gern beim Sporer, mit dessen Schnäpsen und Likören wir praktisch aufgewachsen sind, beim Azwanger, wo schon unsere Großeltern Delikatessen eingekauft haben und natürlich in der Eisgrotte, weil das Eis dort für uns seit 1958 das beste der Welt ist – abgesehen vom Schweiger-Eis, aber das gönnen wir uns nur, wenn wir davor in Maria Plain Wallfahrten waren. In der Blauen Gans, deren Entwicklung vom Wirtshaus, das mit dem Mexicano Keller in den 70ern erstmals Jazz in die Altstadt gebracht hat, zum bürgerlichen High-End-Restaurant in dem sich Festspiel-Welt und Bodenständiges vermischen, typisch für die gesamte Getreidegasse ist. Auch weil die „Gans“ trotzdem noch durch und durch eine echte Salzburgerin bleiben durfte.
Wir gehen allerdings kaum die Getreidegasse selbst entlang, verwenden Griesgasse und Universitätsplatz als eine Art Tangente und tauchen dann aus oft kaum als solche erkennbaren Durchhäusern am gewünschten Ziel auf.
Und diese Durchhäuser sind allemal einen Besuch wert, zumal es in einem von ihnen die berühmten Salzburger Bosna gibt, man im einem anderen im „Wilden Mann“ ziemlich urig einkehren kann und im großzügigen Schatz-Durchhaus ein getrockneter Hai Generationen von Salzburger Kindern in Staunen versetzt hat. Woher der kommt? Die Familie, die vor Hunderten Jahren hier wohnte, betrieb Fernhandel, hatte Seefahrer und Abenteurer in ihren Reihen – und zeigte das auch.
Kirchen, Bier & Bordelle
Im „Zeigen“ waren wir Salzburger schon immer gut, die riesigen Plätze um den Dom legen davon Zeugnis ab. Denn eigentlich wollte hier der absolutistische Landesfürst Erzbischof Wolf Dietrich beweisen, dass er nicht nur entfernt mit den Medici verwandt war, sondern italienische Grandezza ins Land bringen kann. Der von ihm geplante monumentale Dom wurde nie in dem Ausmaß gebaut, da kam dem armen Mann eine Niederlage gegen die Bayern dazwischen. Dafür haben wir hier jetzt richtig viel Platz für Brunnen, Pferdeschwemme, Fiaker – und Max Reinhardts „Jedermann“.
Kreuzt man den Kapitelplatz, ist die Burg nah, thront quasi direkt über einem. Rechts geht's nach St. Peter, mit der wunderschönen Stiftskirche, dem alten Mühlrad, den antiken Katakomben und dem Stiftskeller, einem Gasthaus in dem angeblich schon die Gefolgsleute Karls des Großen gegessen und getrunken haben. Links locken die Bierjodlgasse und die Herrengasse mit urigen Wirtshäusern und einem uralten Bordell, das ursprünglich der Scharfrichter von Salzburg betrieben hat. Lässt man sich davon nicht ablenken, führt einen der Weg nach oben am Stiegl Keller vorbei, wo nicht nur gutes Bier ausgeschenkt wird, sondern man, für einen Keller durchaus unüblich, am Fuß des Festungsberges etliche Meter über den Dächern der Stadt auf schattigen Terrassen sitzen kann.
Apropos: Über Jahrhunderte galt Salzburg als die Stadt mit den meisten Kirchen pro Quadratkilometer, den meisten Brauereien und den meisten Bordellen, wobei es angeblich die Vorlieben der geistlichen Herrn waren, die zu allen drei Rekorden geführt haben sollen. Zumindest was die Kirchen und Brauereien anbelangt, hat Salzburg wohl immer noch die Nase vorn. Und weil wir grad beim Thema sind: Ein Salzburg-Aufenthalt ohne Besuch der Weißbierbrauerei auf der anderen Salzachseite ist ganz einfach nicht komplett ...
Salzburg Backstage
Dann die Burg. Der Weg ist steil, aber er lohnt sich. Oder man nimmt einfach die Standseilbahn. Hohensalzburg ist nicht nur eine der größten Burgen Europas, sie gehört mit Schloss Schönbrunn und dem Kunsthistorischen Museum in Wien auch zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Österreichs. Dennoch hatte sie seit wir Kinder waren immer eine Terrasse, Bastei, einen Mauervorsprung oder eine Nische für uns, in der wir uns wie Burgherren fühlen konnten. Weiter Richtung Nordwesten beginnt dann tatsächlich der Salzburger Backstage-Bereich, wenn wir Reinhardts „Bühnen-Zitat“ noch einmal strapazieren wollen. Das Museum der Moderne mit der spektakulären Sky-Bar M32 war und ist eine echte Salzburger Herzensangelegenheit. Im Gasthaus Stadtalm, wo's übrigens richtig günstige Jugendherbergszimmer gibt, zeigen wir Salzburger Loden und Jägerleinen, und wie zur Bestätigung grasen auf der Wiese vor dem Johannes-Schlössl, dem Gästehaus des Pallottiner-Ordens, immerhin 14 zufriedene Kühe. Gerade mal 30 Minuten vom Trubel der Innenstadt entfernt ...
Steigt man die stadtabgewandte Seite Richtung Mülln ab, hört man an milden Wochenendtagen schon vom letzten Hang des Mönchsbergs aus einen hausgemachten Salzburger Trubel, der ein wenig wie das Summen eines Riesenbienenschwarms klingt. Folgt man dem Gesumse, steht man schließlich vor dem alten Tor des Augustiner Bräus. Salzburgischer als hier ist Salzburg kaum wo, die größte „Biergaststätte Österreichs“ ist ein traditioneller Biergarten, man kann seine Jause selber mitnehmen oder auf die Standler, die hier ihre Spezialitäten anbieten, zurückgreifen, das Bier kommt aus Holzfässern und wird ohne zusätzliche Kohlensäure gezapft. Stimmigere Orte wird man kaum finden. Wenn man Bier und Gastgärten mag.
Der Humor des Bischofs
Nicht wasserscheu sollte man dagegen an einem anderen, überaus stimmigen Ort im Süden Salzburgs sein: Schloss Hellbrunn kann mit einer Reihe spektakulärer Überraschungen der nassen Art aufwarten, die dort eingebauten Wasserspiele und „Wasserscherze“ sind weltweit die größten und am besten erhaltenen der Spätrenaissance. Erzbischof Markus Sittikus ließ es zu Beginn des 17. Jahrhunderts nach italienischem Vorbild bauen.
Er galt einerseits als frommer Griesgram, liebte aber die Oper – und Scherze auf Kosten anderer. Seinen Cousin und Vorgänger Wolf Dietrich von Raitenau hielt er trotz internationaler Intervention bis zu dessen Tod auf der Festung Hohensalzburg gefangen, dessen Lebensgefährtin Salome Alt vertrieb er ohne Wimpernzucken mitsamt ihren 15 Kindern aus ihrem Schloss Altenau, das er dann unverzüglich in Mirabell umbenannte.
Im Schlosspark von Hellbrunn schwimmen heute riesige Störe in den weitläufigen Becken, die Blumen sind eine Pracht, und wer noch genug Kraft hat, sollte unbedingt bis zum alten Steintheater weitergehen, einer der romantischsten Plätze, die’s in Salzburg gibt. Außerdem ist sie die älteste nachantike Freilichtbühne nördlich der Alpen, wo 1617 die erste italienische Open-Air-Oper aufgeführt wurde: „Orfeo“ von Claudio Monteverdi.
Was man sonst noch nicht versäumen sollte: Die Hellbrunner Allee. Sie führt vom Schloss zurück in die Stadt, ist die älteste Lindenallee der Welt und gesäumt von gefühlten 101 Schlössern.
Das Schloss Leopoldskron, in dem auch Max Reinhardt lange residierte. Ein schöner Weg führt um den Weiher, dann hinauf Richtung Rainberg und Riedenburg. Dabei kommt man an ungewöhnlikchen Zeitgenossen vorbei ...
Außerdem: Ein paar Drinks in den Gastgärten der Bars und Pubs um den Anton Neumayr Platz und die Gstättengasse – und in einer der Sky Bars, wie dem Seven Senses auf der Dachterrasse des Hotel Stein. Eine Wanderung über die schmale Steingasse, in der Geigenmacher Andreas Ferdinand Mayr Mozarts erste Geige gebaut hat (Steingasse 25) und dann hinauf auf den malerischen Kapuzinerberg.
Einen Besuch der Schranne, des Bauernmarkts am Mirabellplatz. Eine Surfpartie auf dem Almkanal, der mittelalterlichen Wasserversorgung Salzburgs. Eine Fahrt in den Hangar 7, wo im Museum Bubenträume wahr werden und im Restaurant Ikarus himmlisch gut aufgekocht wird.
Wenn’s richtig heiß wird, könnte man auch den Weg in die Eisriesenwelt bei Werfen auf sich nehmen, die mit 42 km Länge größten Eishöhle der Welt ... Auf jeden Fall sollte man auf den Gaisberg, unseren Lieblingsaussichtsberg. Da ist man dann auch schon auf 1.300 Meter Seehöhe, das macht die Luft schon ein wenig frischer, man kann sich aber auch ordentlich bräunen lassen, da oben. In der Wirtschaft gibt's außerdem herrliche Zwetschkenpofesen und andere Salzburger Spezialitäten, und der Blick bis weit in die Hochalpen ist atemberaubend.
Und wenn man Salzburg betrachtet, das einem so idyllisch zu Füßen liegt, möchte man den berühmten Satz Alexander von Humboldts glauben: „Die Gegenden von Salzburg, Neapel und Konstantinopel halte ich für die schönsten der Erde.“ Den er allerdings nie gesagt hat ... Vielleicht kommt man aber einfach für sich selbst zu dem Schluss: „Das ist schon eine unglaublich schöne Stadt, dieses kleine Salzburg.“ Und das ist doch mindestens so viel wert.
Vier Tage, vier Routen
Donnerstag
1. Wasserschloss Hellbrunn
Macht wirklich Spaß – und ist wunderschön. Unbedingt auch den großen Park besuchen!
www.hellbrunn.at
2. Eisriesenwelt (Werfen)
Cool down im Sommer. In der größten Eishöhle Europas.
www.eisriesenwelt.at
3. Döllerer (Golling)
Großer Ausflug – grandiose und preisgekrönte „Cuisine Alpine“!
www.doellerer.at
4. M32
Gute-Nacht-Drink. Museums-Terrasse mit grandiosem Blick!
www.m32.at
Freitag
5. Steingasse & Kapuzinerberg
Alt, schön – nicht überlaufen. Dann auf den weitläufigen zweiten Stadtberg.
www.salzburg.info/de
6. Weißbierbrauerei
Das beste Weißbier in einem großen Umkreis. Und ein richtig klasser Wirt!
www.dieweisse.at/de/brauerei
7. Schloss Mirabell
Die Liebesgabe eines Erzbischofs. Auch heute noch romantisch.
www.salzburg.info/de
8. Hangar 7 & Ikarus
Museum für Big Boys – und eines der besten Restaurants des Landes.
www.hangar-7.com/de
Samstag
9. Gaisberg
Lieblingsaussichtsberg der Salzburger mit zwei zünftigen Wirtschaften.
www.wirtschaft-am-spitz.at
10. Domquartier/Residenz
Klotzen, nicht kleckern war das Motto der Fürsterzbischöfe. Beeindruckend.
www.domquartier.at
11. Paradoxon
Spannendes Restaurant abseits vom bürgerlichen Standard. Und gut.
www.restaurant-paradoxon.com
12. Seven Senses
Trendbar über der Salzach: Die ehemalige Dachterrasse des Hotel Stein.
www.7-senses.at
Sonntag
13. Café Tomaselli
Einmal im ältesten Café Österreichs frühstücken. Bei Regen im Stüberl!
www.tomaselli.at
14. Festung & Mönchsberg
Game of Thrones? Hier ist die ultimative Burg! Und ländliche Idylle.
www.salzburg-burgen.at
15. Augustiner Bräu
Gerstensaft aus Holzfässern: DER Biergarten nach der Wanderung.
www.augustinerbier.at/
16. Mentor’s Bar
Cool zum Abschluss. Im Salzburger „Bermuda-Dreieck“.
www.facebook.com/mentors.bar/
Hoteltipps
17. Hotel Goldener Hirsch
Getreidegasse: Salzburgs erste Adresse wurde ein Jahr renoviert.
www.marriott.com/hotels
18. Villa Carlton
Boutique-Hotel mit toller Lage zwischen Bahnhof und Mirabell.
villa-carlton.at
19. Hotel Mönchstein
Luxus pur im Schloss mit Park. Tummelplatz für Film- und Opern-Diven.
www.monchstein.at/de
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