Diese Street Art in 3D ist ganz schön herausragend

Ein Mann sitzt vor einem Wandgemälde, das einen fliegenden Ara-Papagei darstellt.
Aus der richtigen Perspektive beginnt die Wand zu leben. Einige Künstler sorgen mit ihren dreidimensionalen Werken für Staunen.

Der überdimensionale Frosch sprengt förmlich die Hausmauer. Ein riesiger Papagei hat eine Öffnung genutzt, um direkt aus dem tropischen Regenwald in ein Haus zu fliegen. Was müssen das für magische Wunderwände sein. Sogar ein blauer Dschinn wie aus Aladdin steigt hier aus einem Gefäß.

Ein Künstler sprüht ein Wandbild von Dschinni aus dem Film Aladdin.

Der Franzose Scaf inszeniert oft noch ein Spektakel bei seinen Werken in verlassenen Gebäuden. Hier beschwört er den Flaschengeist (oder doch Dosengeist?).

Doch geht man ein paar Schritte weiter, verlieren die Wände an Zauberkraft, die Bilder funktionieren nicht mehr. Kunst liegt im Auge des Betrachters, der Standpunkt bestimmt die Perspektive, heißt es so schön. Und bei dieser – im wahrsten Sinne des Wortes herausragenden – Street Art in 3D trifft das auf jeden Fall zu. Seit einiger Zeit sorgen Künstler mit ihren Spraydosen und Pinselstrichen im Internet (und in der realen Welt) für Furore.

Wilde Tiere bändigen

Einer ist Carlos Alberto GH aus Mexiko, der vor allem farbprächtige Tiere zum Leben erweckt: „Diese Art von Arbeiten ist großartig, um mit den Menschen zu interagieren. Sie vermitteln den Eindruck, als würde es sich um echte Objekte handeln. Du kannst im Bild posieren, als wärst du ein Teil davon“, sagte er einmal. Das macht auch Pierre Bertolotti alias Scaf (https://scaf.bigcartel.com), der mit Motiven der Popkultur oder mit gefährlichen Tieren spielt und sich dabei mit ihnen fotografieren lässt. Er fesselt ein Krokodil, schaut in den Rachen eines Tigers, ringt mit einem verärgerten Eichhörnchen um ein Taschentuch.

Ein Mann zieht an einem Tuch, das ein wütendes Eichhörnchen mit großen Zähnen festhält.

Scaf kämpft mit wilden Tieren - oder mit grantigen Eichkätzchen.

Ein Meister seines Fachs ist auch Leon Keer (www.leonkeer.com) aus Holland, der schon mal ganze Gebäude in Geschenkpapier einpackt – oder besser: es so wirken lässt. Er hat 1997 mit Street Art begonnen – damals schon hatte sie illusorische Effekte. „Mich interessiert Mathematik, daraus haben sich immer mehr komplexe Perspektiven-Formen ergeben“, sagt er zur . Er wollte nicht nur das Publikum erstaunen, auch sich selbst. „Ich mag es, das Auge der Betrachter auf falsche Wege zu führen, einerseits mit der 3D-Technik, andererseits auch im Erzählen von Geschichten“.

Ein großes Wandgemälde zeigt einen goldenen Umschlag mit blauem Klebeband.

Leon Keer

Leon Keer aus Holland zählt zu den Weltbesten in der 3-D-Street-Art

Ein Mann posiert vor einem 3D-Wandbild mit stilisierten Disney-Prinzessinnen in Puppenkartons.

Leon Keer ist ein Meister seines Fachs und der Illusion. Die Puppen aus dem Werk  „7 Sins“ treten hier aus der Wand hervor – eine optische Täuschung. Sie war in München bei der Ausstellung „Magic City“ zu sehen  

Eine 3D-Illusion auf einem Platz zeigt ein Gehirn und ein Herz, die aus einem Loch zu kommen scheinen.

Leon Keer aus Holland zählt zu den Weltbesten in der 3-D-Street-Art

Ein Mann betrachtet ein Wandgemälde, das ein Wohnzimmer im Retro-Stil zeigt.

Leon Keer aus Holland zählt zu den Weltbesten in der 3-D-Street-Art

Ein großes, lila Herz, das mit Seilen an eine Backsteinfassade gebunden ist.

Leon Keer aus Holland zählt zu den Weltbesten in der 3-D-Street-Art

Eine Lagerhalle ist mit einer Trompe-l'oeil-Malerei von drei Delfter Vasen verziert.

Leon Keer aus Holland zählt zu den Weltbesten in der 3-D-Street-Art

Zuletzt hat er mit „Shattering“ im schwedischen Helsingborg für Schlagzeilen gesorgt. Dort kommen überdimensionale aufeinandergestapelte Tassen gefährlich wankend aus der Hauswand hervor. Jede einzelne zeigt eine Szene, die auf die Zerstörung der Natur und den Klimawandel aufmerksam macht. Joost Spek hat dazu noch eine Augmented-Reality-App entwickelt, die das Gemälde noch mehr zum Leben erweckt. Mit der Technik springen die Häferl aus der Mauer hervor, bevor sie in Scherben gehen. „Mit meiner Arbeit kann man einen Ort ohnehin schon anders in Form und Funktion erfahren. Aber mit einer Extra-Dimension wie AR kann man das auf ein anderes Level heben.“

Ein großes Wandgemälde zeigt einen Stapel von vier Teetassen an der Seite eines Gebäudes.

Leon Keer macht im schwedischen Helsingborg mit schlecht gestapelten Tassen auf die  Umweltzerstörung aufmerksam. Mit einer App zerspringen die Gefäße sogar.

Street Art muss sich ja oft den Vorwurf gefallen lassen, bloß hübsch zu sein. Kritiker aus der Graffiti-Szene monieren, sie sei zu wenig politisch oder gesellschaftskritisch. Das will Keer so nicht auf sich sitzen lassen: „Bei Street Art bist du nicht im Studio. Du borgst dir einen Platz in einer Umgebung, in der du temporär präsent bist. Damit musst du respektvoll umgehen. Du musst die Gegend und die Menschen respektieren, die hier wohnen, sich treffen und sicher fühlen.“ Mit dieser Haltung will er dennoch Grenzen überschreiten, indem er Meinungen äußert oder auf drängende Situationen aufmerksam macht. „Aber nicht, indem ich mit dem Finger draufzeige, sondern schwierige gesellschaftliche Themen durch die Größe der Malereien verdeutliche“, meint Keer. „Natürlich möchten Menschen nicht die ganze Zeit mit Schlechtem konfrontiert werden. Aber sie können sich unterstützt fühlen. Und spüren, dass sie nicht alleine sind.“

Bevor er mit seiner Arbeit beginnt, analysiert er den Ort, wie sich Licht und Schatten verhalten und was überhaupt in der kurzen Zeit möglich ist. „Du musst wissen, wie sich das Material bei bestimmten Wetterbedingungen verhält.“ Und natürlich müsse man wissen, wie man ein 2D-Gemälde auf einer Wand und Straße so gestalte, dass es plötzlich heraustrete. Er benutzt keine Projektionen als Vorlage. Das trübe nämlich den kreativen Geist, der Dinge vorantreibt. „Alles basiert auf Erfahrung. Du musst aus den Fehlern lernen.“

Bis ins kleinste Detail

Carlos Alberto GH wiederum greift für seine exotischen Tiere auf Fotos zurück, „damit meine Arbeit so real wie nur irgendwie möglich wird“, erzählte er dem italienischen Dare Clan Magazin. „Wichtig ist, dass man sich auf jedes einzelne kleine Detail konzentriert, nur so wird die Illusion perfekt. Wenn ich nicht von jedem kleinen Stück überzeugt bin, kann das ganze Gemälde für mich ein Verhau sein.“ Dass er auch ins kleinste Detail verliebt ist, wundert nicht. Bevor er 3D-Street-Art gemacht hat, hat er Kunstrestaurierung studiert. Die Inspirationen findet er – wenig überraschend – in der Natur.

Ein Mann sitzt neben einer 3D-Straßenmalerei, die zwei grüne Frösche darstellt.

Carlos Alberto GH spielt mit Fröschen auf der Straße.

„Ich bilde Tiere oder Menschen ab oder vermische das mit einer surrealen Welt. Manchmal will ich auch außergewöhnliche Kreaturen schaffen, dann wieder etwas ganz Einfaches, das aber sehr bedeutsam ist. Wenn ich an ein neues Werk denke, dann versuche ich immer den Kontext mitzudenken – die regionale Wildnis oder bedrohte Arten zum Beispiel.“

Tiere sind generell ein beliebtes Motiv bei den bekannten Street-Art-Künstlern. Bei Odeith (www.odeith.com) fliegen Insekten und Vögel aus der Wand, wenn er nicht gerade eine Queen Elisabeth im Palast sitzen lässt. Auch der seine wahre Identität verschleiernde Wild Drawing (Wild Drawing auf Instagram) aus Indonesien zaubert neben hochpolitischen Themen spektakulär surreale Uhus auf die Wände.

Ein großes Eulen-Graffiti ziert die Ecke eines Gebäudes in einer Stadt.

Street-Art-Künstler Wild Drawing

Wild Drawing verheimlicht seine Identität, sein Talent aber nicht. Der Künstler aus Bali wohnt in Athen, wo er auch gleich eine Eule hintrug. 

Ein großes Wandgemälde zeigt eine futuristische Figur mit einer Kiste auf einem Gebäude.

Street-Art-Künstler Wild Drawing

Das Hotel in Cheltenham war seine erste Arbeit in England.

Ein großes Wandgemälde einer Frau, die Harfe spielt, ziert die Seite eines Gebäudes.

Street-Art-Künstler Wild Drawing

Wild Drawing

Ein Wandgemälde zeigt eine Frau mit Baumkrone, die eine Pflanze in ihren Händen hält.

Street-Art-Künstler Wild Drawing

Wild Drawing

Ein Wandgemälde zeigt eine Frau auf einem Pilz und ein weißes Kaninchen mit einer Uhr.

Street-Art-Künstler Wild Drawing

Wild Drawing

Ein Mann reitet auf einem gemalten Eber in einem verlassenen Gebäude.

Street-Art-Künstler Scaf

Scaf inszeniert sich gerne beim Kampf mit wilden Tieren.

Ein Mann posiert vor einem Wandgemälde, das den Kopf eines riesigen Krokodils zeigt.

Street-Art-Künstler Scar

Scaf inszeniert sich gerne beim Kampf mit wilden Tieren.

Eine Person im Mario-Kostüm interagiert mit einem Bowser-Wandbild in einem heruntergekommenen Raum.

Street-Art-Künstler Scaf

Scaf inszeniert sich gerne beim Kampf mit wilden Tieren - oder als Super Mario mit Bösewicht Bowser.

Ein Mann im Anzug sitzt vor einem Hintergrundbild mit Queen Elizabeth und hält Toastbrot in den Händen.

Street-Art-Künstler

Odeith aus Portugal   malt gern Tiere oder macht aus Betonblöcken Busse. Er kann aber auch menschlich: ein Prince-Charles-Lookalike posiert mit der Queen.  

Und wer weiß, vielleicht verschieben sich mit den Bildern nicht nur die Seh-Perspektiven, sondern auch die Sicht auf die Umwelt. „Kunst kann die Welt, in der wir leben, verändern“, meint Carlos Alberto.

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