Zeit und Raum unter dem Rundbogen
In der Regel heißt es, jeder Unternehmer ist dann sein größter Feind, wenn er seine Expertise auf die eigene Firma anwendet. Bedeutet konkret: Die Werbesujets seiner eigenen Werbeagentur sollte man als Werber genau so wenig selbst machen, wie man als Architekt sein eigenes Haus planen sollte.
Alte Villa, ganz neu
Doch ziemlich genau das haben jetzt Xiaochao Song, Keming Wang und Nan Zhou vom Architekturbüro Monoarchi in Shanghai gemacht. Ganz konkret haben die hippen Architekten ihr eigenes Büro unter besonders schwierigen Bedingungen selbst konzipiert, geplant und realisiert. Allerdings wohl tatsächlich in einer Art und Weise, die kein externer Architekt auf den Boden – oder in diesem Fall den "Bogen" – gebracht hätte. Aber alles der Reihe nach.
Während wir in Europa Shanghai als Wolkenkratzer-Metropole mit einem großen Hang zu Glas und Beton im Kopf haben, fühlt sich die „Monoarchi“-Truppe lieber in den historischen und bei uns kaum bekannten Altstadtvierteln wohl. Eben in einem solchen sind sie bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten also auch fündig geworden: Im ersten Stock einer dreigeschossigen Villa lag eine 90 Quadratmeter große Fläche brach, die ihren Vorstellungen zwar entsprach, sich aber als eigentlich zu klein für das aufstrebende Unternehmen entpuppte.
Historischen Charme erhalten
Damit nicht genug, stellte das Quartett an sich selbst auch noch den Anspruch, den historischen Charme des Objekts und damit die alte Bausubstanz weitgehend unberührt zu lassen und zu erhalten. Zusammengefasst heißt das: Es galt auf zu wenig Raum mehr Platz zu schaffen, ohne gleich alle Wände einzureißen. Die Idee, aus den vielen Räumen einen großen für ein Großraum-Büro zu schaffen, wurde also gleich verworfen. „Aus Respekt für das alte Haus entschieden wir uns dafür, nicht in die ursprüngliche Struktur des Baus einzugreifen. Der historische Charme sollte so weit wie möglich erhalten bleiben“, sagt Xiaochao Song, der in Rotterdam Architektur studiert hat, eher er sich mit seinen Partnern nun in China selbständig machte.
Die Tatsache, dass das gesamte Haus seit jeher als Wohnhaus und eben nicht als Bürogebäude gedient hat, erschwerte das Unterfangen zusätzlich, wie die Architekten rückblickend berichten. So galt es gleich einmal, den aufs Wohnen ausgerichteten Grundriss sanft zu verändern, um Büroplätze für acht Personen und Raum für kleinere Ausstellungen zu schaffen. Besonders kreativ zeigten sich die Planer bei der Nutzung des einstigen Badezimmers – sie entwickelten einen Tisch, der sowohl als Modellbautresen, Zeichentisch aber auch Kücheninsel genutzt werden kann. All diese Funktionen hat dieser Raum heute auch, er ist also eine Art "Modellbauzeichenküche", wenn man so will.
Der pefekte Bogen fürs Büro
Ähnlich findig war man bei der Suche nach einem Konzept, das die Räume voneinander trennt, ohne dabei unnötig Platz zu verlieren: Man bediente sich eines alten Stilmittels, das in Shanghai schon seit jeher genutzt wurde, allerdings in jüngerer Vergangenheit in Vergessenheit geraten ist: Rundbögen! Gefertigt aus unterschiedlichen Materialen und in unterschiedlichen Größe realisiert, definieren solche nun die einzelnen Nutzungsbereiche.
So bildet ein großer Bogen den Eingang zum Büroraum und setzt sich als Stahlkonstruktion über den Arbeitsplätzen fort. Kleinere Rundbögen lotsen den Gast oder Mitarbeiter in den Flur zum Besprechungsraum. Tatsächlicher Nutzen der Bögen: Sie schützen die ursprüngliche Struktur des Hauses und schaffen durch den Einbau unzähliger Überkopfregale zusätzlichen Stauraum. Außerdem werden die zarten Stahlträger dazu genutzt, um mittels Magneten Bilder und Pläne aufhängen zu können.
Architekten einer Gemeinschaft
Und weil von dem Stahl nach dem Umbau noch eine große Menge übrig geblieben ist, dürfen sich die restlichen Bewohner dieses alten Gebäudes nun auch noch freuen: Der bis dato ungenutzte Garten im Hof des Gebäudes wurde mit einem schwarzen Metallgitter zu einer Terrasse umgebaut, die für alle zugänglich ist, und heute als entspannter Treffpunkt von Mitarbeitern, Bewohnern und Besuchern genutzt wird.
Text: Johannes Stühlinger Fotos: Monoarchi / Ripei Qiu, Xiaodan Song, Fan Sun
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