MVRDV baut für das „Manhattan an der Maas”
Es ist ein abenteuerlicher Bau: Zum einen, weil sich der Wolkenkratzer „The Sax” in beengte Verhältnisse hineinzwängt und der Bau damit eine logistische Herausforderung ist. Zum anderen, weil sich die neue Landmark aus der Hand von MVRDV am Wilhelminapier in Rotterdam gegen die bereits existierenden Bauten eben optisch recht abenteuerlich ausnimmt. So abenteuerlich wie das Kunst-Depot des Boijmans van Beuningen Museums, ebenfalls von MVRDV und ebenfalls in Rotterdam.
Zwar wurde die zweitgrößte Stadt der Niederlande nach dem zweiten Weltkrieg fast vollständig neu aufgebaut. Was der Maas-Metropole baulich ein sehr modernes Gesicht gab. Aber wie es mit dem Kop van Zuid („Kopf des Südens”) weiter gehen sollte, war längere Zeit nicht ganz klar.
Rund um den Wilhelminapier befand sich einst der Hafen, von dem aus viele Menschen aufbrachen, um in der Neuen Welt ihr Heil zu suchen. Nach Verlegung des Hafens in das Mündungsgebiet von Maas und Schelde lag das Stadtentwicklungsgebiet längere Zeit brach.
Swing auf dem Pier mit The Sax
Dabei ist der Stadtteil genau gegenüber des Stadtzentrums sehr günstig gelegen und bietet viele Reize. 1987 entwarf Teun Koolhaas, der Neffe von Rem Koolhaas, einen Masterplan für die langgestreckte Halbinsel. Seitdem gab sich in dem neu entstehenden Quartier alles, was Rang und Namen hat, ein Stelldichein – angefangen von Norman Foster über Mecanoo Architekten und Alvaro Siza bis hin zu OMA, dem Büro, bei dem Rem Koolhaas Partner ist. Und 2022 soll eben The Sax (oder De Sax auf niederländisch) von MVRDV Swing auf den Wilhelminapier bringen.
Der Komplex schließt an das größte Theater der Stadt, das Nieuwe Luxor an. Mit seinen unzähligen Erkern und Balkonen wirkt das neue Wahrzeichen gleichzeitig verspielt und experimentell. Und verfügt auf jeden Fall über eine unverwechselbare pixelige Silhouette.
Philadelphia und Havanna in Rotterdam
Der 51-stöckige Bau wird aus zwei miteinander verbundenen Türmen bestehen. Sie tragen die Namen Philadelphia und Havanna. Auf einer Gesamtfläche von 82.000 Quadratmetern ist Mischnutzung vorgesehen. Das Architektenstudio, das von Winy Maas und Nathalie de Vries geleitet wird, betrachtet das Projekt als „vertikale Stadt” und arbeitet mit dem Ingenieurbüro Arup an The Sax.
Der Sockel ist der Gewerbenutzung vorbehalten. So soll das „Eingangstor” zur Halbinsel mit Restaurants, Geschäften, Bars und Cafés von lebendigem Treiben geprägt sein. Die beiden Türme werden in Summe rund 500 Wohnungen beherbergen – sowohl Miet- als auch Kaufobjekte.
Hotel als goldene Luftbrücke
Ein Wellness- und ein Kongress-Center sowie eine öffentlich zugängliche Aussichtsplattform und Garagen runden den Komplex ab. Das 150-Zimmer-Hotel, in Gold gehalten, verbindet gleichsam einer Brücke die beiden Türme in luftiger Höhe. Die große, öffentliche Terrasse wird sich über das gesamte Dach des Hotelblocks erstrecken, 80 Meter über dem Boden.
Der Erker erfährt bei The Sax eine Neuinterpretation: Jede Wohneinheit wird dadurch einzigartig und bietet so fantastische Ausblicke. Da sich die Haupträume innerhalb der „Erkerfassade” befinden, profitierten die Wohnungen von einem Maximum an Tageslicht, heißt es bei MVRDV.
Eine Skyline wie in den USA
In den 1980er Jahren überstieg das Güteraufkommen durch den zunehmenden Welthandel bald das technisch Machbare auf der schmalen Halbinsel. Für die Revitalisierung des dann brach liegenden Hafengeländes fiel 1987 mit dem Masterplan von Teun Koolhaas der Startschuss. Die 1996 fertig gestellte, elegante Schrägseil-Erasmusbrücke von Ben van Berkel verbindet seitdem den Norden und den Süden über das Kop van Zuid miteinander.
Nach und nach haben zahlreiche Star-Architekten für das „Kop van Zuid” entworfen. So etwa Norman Foster, mit seinem World Port Center, das mit einem silbrig glänzenden, halbrunden Turm versehen ist. Oder Mecanoo Architekten, die die gegeneinander versetzt stehenden Würfel des „Montevideo” errichten ließen. Es ist mit 152 Metern Höhe nur geringfügig kleiner als das „New Orleans” von Architekt Álvaro Siza.
Rem Koolhaas' OMA schließlich hat am Nordufer dieser Stadt in der Stadt das „De Rotterdam” realisiert. Und dann hebt sich noch der Büroturm Maastoren in die Luft. Das Gebäude wurde vom Architekturbüro von Odile Decq Benoit Cornette entworfen, in Zusammenarbeit mit Dam & Partners.
Doch das Quartier beherbergt auch Kultur: Hier steht das größte Theater der Stadt, das Neue Luxor.
Text: Linda Benkö Fotos/Renderings: Robert Jaarsma, Netherlands, Ossip Architectuurfotografie, Christian Richters, Fred Romero, MVRDV und WAX Architectural Visualisations
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Standort: Otto Reuchlinweg, Rotterdam, NL
Geplante Fertigstellung: 2022
Nutzfläche: 82.200 m²
Auftraggeber: BPD Bouwfonds Property Development, Ontwikkeling B.V. and SYNCHROON Ontwikkelaar
Status: In Bau
Nutzungsart: Hotel, Retail, Wohnen, Gastronomie
geplante Höhe: 177,5 m
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