Auf Eis gebettet
Ein Eisblock als Bett und eine Raumtemperatur zwischen minus sieben und minus fünf Grad. Klingt nicht gerade wie der Inbegriff nordischer Hygge-Kultur. Das Icehotel nahe der schwedischen Stadt Kiruna wirbt sehr erfolgreich mit dieser Extrem-Erfahrung. Damit man als Gast mit diesen außerordentlichen Bedingungen zurechtkommt, hält das Personal des Hotels jeden Tag eine Art Survival-Kurs für Polar-Neulinge. Vor dem Schlafengehen werden expeditionstaugliche Schlafsäcke ausgegeben, die Temperaturen von bis zu minus 25 Grad trotzen. Wen es am nächsten Morgen etwas fröstelt, der kann sich bei einem Saunagang wieder auf Betriebstemperatur bringen.
Postapokalyptischer Hot-Dog-Stand
Die von wechselnden Künstlern und Designern gestalteten Art Suiten sind die jährlichen Highlights im Icehotel. Während sie den Gästen nachts ein unvergessliches Erlebnis – irgendwo im Kreuzungsbereich von Arktis und Art Hotel – bescheren, dienen sie untertags als Galerie für Ausflugsgäste.
In der diesjährigen Suite „Paradice Lost“ von Kalle Ekeroth und Christian Strömqvist verspricht eine postapokalyptische Imbissbude Hamburger, Hot Dogs und Gurkerl. Doch die eisigen Luftwurzeln und Bäume, die den Laden umklammern, lassen erahnen, dass dieses Stück Zivilisation ein Gruß aus längst vergangenen Zeiten ist.
Gäste der Art Suite „A Journey Into Letter Space“ begeben sich auf eine Reise in die unendlichen Weiten der Typografie. Die Grafikdesigner und Layouter John Bark und Charli Kasselbäck lenken die Aufmerksamkeit der Besucher auf den schwerelosen Raum dazwischen. „Das Geheimnis typografischen Designs liegt im Zwischenraum, der Raum definiert den Buchstaben und kreiert seine spezifische Persönlichkeit“, erklären die Designer.
Eine Erfolgsgeschichte aus Eis und Schnee
Das Icehotel in Jukkasjärvi wurde 1989 eröffnet und ist mittlerweile eine Institution im hohen Norden. Es war das erste Hotel seiner Art und ist zu einem Erfolgsmodell geworden. Mittlerweile gibt es Schneehotels und Iglu-Dörfer überall dort, wo Temperaturen und Schneekanonen das hergeben.
Die grundsätzliche Idee des Icehotels basiert auf dem Kreislauf der Natur. Unsere Beziehung zum Wasser und zum Eis steht dabei im Mittelpunkt.
Die Hotelbetreiber nördlich des Polarkreises pochen nicht nur auf ihre Pionierrolle, sondern auch auf ihrem bedachtsamen Umgang mit der Natur. Die 563 Tonnen Eis, aus denen in diesem Jahr das Hotel gebaut wurde, ist „natürlich gewachsen“, wie es heißt. Jedes Frühjahr wird es aus dem nahegelegenen Fluss Torne gehauen und über den Sommer in einer Kühlhalle gelagert.
Sobald die Temperaturen im Herbst unter den Gefrierpunkt sinken, beginnen die Bauarbeiten. Die jährlich wechselnden Künstler und Designer errichten aus den Eisblöcken Mobiliar und Skulpturen. Die Wände und Gänge des Hotel entstehen aus einem Schnee-Eis-Gemisch, das in Stahlschalungen geformt wird. Jedes Jahr entsteht so aufs Neue die Winter-Edition des Icehotels mit 12 Art Suiten, 24 Ice Rooms, einer Ice Bar und der Ceremony Hall.
Bis der Aggregatzustand wechselt
Diese Zimmer können von Dezember bis April gebucht werden, bis mit den steigenden Temperaturen die Schneeschmelze einsetzt. Dann ändert sich der Aggregatzustand der „geliehenen Bausubstanz“, und sie kehrt als Wasser wieder in den Fluss zurück. „Die grundsätzliche Idee des Icehotels basiert auf dem Kreislauf der Natur. Unsere Beziehung zum Wasser und zum Eis steht dabei im Mittelpunkt“, erklären die Hotelbetreiber.
Mit der Eröffnung des Icehotel 365 wurde 2016 auf ganzjährigen Betrieb umgestellt. So haben Besucher auch im Sommer die Möglichkeit, in einer Ice Suite zu übernachten. Für die nicht ganz so frostwilligen Gäste werden zusätzlich über 70 beheizte Hotelzimmer und Chalets angeboten.
Ausgezeichnet in Nachhaltigkeit
2018 wurde das Icehotel mit dem Zertifikat Sustainable Arctic Destination ausgezeichnet, das an nachhaltige Tourismusbetriebe der Region vergeben wird.
Wie sich dieser Anspruch mit dem neuen Angebot von gekühlten Eis-Suiten im Sommer vereinbaren lässt, erklärt das Energiekonzept. Die Photovoltaikanlage des Hotels kann durch die langen Sommertage und die Mitternachtssonne so viel Strom erzeugen, dass die Kühlung der Zimmer kein Loch in die CO2-Bilanz schlägt.
Text: Gertraud Gerst Fotos: Icehotel
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