Holz mit Superkräften

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Der Architekt und Biologe Timothée Boitouzet verpasste dem Holz ein nanotechnologisches Upgrade. Dieser neue Holzstoff namens Woodoo ist lichtdurchlässig, feuerfest, wetterfest und bis zu fünf mal stärker als normales Holz.

Nach seinem Architekturstudium war für ihn klar, dass uns die heutigen Baustoffe nicht in die Zukunft führen können. Materialien wie Beton und Stahl sind für einen großen Teil der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Die notwendige Klimawende ist damit nicht zu schaffen. Eine Tatsache, mit der sich der junge Franzose Timothée Boitouzet nicht abfinden wollte. Er absolvierte ein Master-Studium in Material Science an der Harvard-Universität und machte sich daran, einen neuen Baustoff zu erfinden. Das Ergebnis heißt Woodoo Augmented Wood (verstärktes Holz). Aus diesem biobasierten Stoff sollen die Städte von morgen gebaut werden.

Ein patentierter Prozess

Dass es ohne einen erneuerbaren Baustoff nicht gehen wird, ist für Boitouzet eine einfache Rechenaufgabe. Laut einer Prognose der Vereinten Nationen werden in weniger als 10 Jahren drei Milliarden Menschen auf der Suche nach Wohnraum sein. Dieses enorme Bauvolumen lässt sich aus heutiger Sicht mit den Klimazielen nicht vereinbaren. „Stahl war das Material des 19. Jahrhunderts, Beton das des 20., und Holz wird das Baumaterial des 21. Jahrhunderts sein“, ist der Erfinder überzeugt.

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Mit seinem neuen Supermaterial will Boitouzet die CO₂-neutrale Stadt von morgen bauen.

Mit seinem 2016 gegründeten DeepTech-Startup Woodoo hat Boitouzet ein nanotechnologisches Verfahren entwickelt, das dem Baustoff Holz neue Eigenschaften verleiht. „Holz besteht zu 60 bis 90 Prozent aus Luft“, erklärt der Firmengründer. Die in der Zellwand eingelagerten Lignine sorgen für die Verholzung und damit für die Festigkeit des Materials. Sein patentierter Prozess entzieht dem Holz dieses Biomolekül und ersetzt es zusammen mit der Luft durch ein biobasiertes Polymer.

Bis zu fünfmal stärker als Holz

Dadurch bleibt die Struktur und Maserung des Holzes erhalten, und doch ist das Ergebnis ein ganz neues Material mit eigenen Eigenschaften. Die augenfälligste ist wohl die Lichtdurchlässigkeit, die das verstärkte Holz aufweist. „Es ist, als würde man durch Eis schauen“, beschreibt der Architekt sein Produkt. Zudem ist es feuerfest, wasserundurchlässig und drei bis fünf Mal stärker als das Ausgangsmaterial.

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Der junge Franzose Timothée Boitouzet hat den neuen Holzstoff erfunden.

Stahl war das Material des 19. Jahrhunderts, Beton das des 20., und Holz wird das Baumaterial des 21. Jahrhunderts sein.

von Timothée Boitouzet, Architekt und Biologe

Ein Holz mit Superkräften also. Mit diesem Baumaterial will Boitouzet die CO₂-neutrale Stadt von morgen bauen. Damit ließen sich Wolkenkratzer mit bis zu 36 Stockwerken errichten, ist der Architekt überzeugt. Bis es soweit ist, wird es aber wohl noch etwas dauern. Den Markteinstieg plant der Woodoo-CEO vorerst in der Automobilindustrie. „Unsere ersten Produkte werden Armaturenbretter und intelligente Holzverkleidungen sein. Das kann man sich wie ein Armaturenbrett vorstellen, das bei Berührung interaktiv wird.“

Dekarbonisierung ist das Ziel

Für die Herstellung seiner Produkte nutzt der Erfinder günstigere Bäume wie Pappeln, Espen und Tannen. Dadurch hofft er die Nachfrage nach Edelhölzern, die langsamer wachsen, zu verringern. Ein Plan, der angesichts der enorm gestiegenen Holzpreise durchaus Sinn macht. Gemäß dem Kreislaufgedanken, dass alles verwertet werden soll, arbeitet Woodoo auch daran, das beim Prozess extrahierte Lignin in Biotreibstoff umzuwandeln.

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Woodoo entwickelt interaktive Holzarmaturen für die Automobilindustrie.
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Der neue Holzstoff könnte die Welt der Touchscreens revolutionieren.

Die erklärte Mission des Öko-Materialherstellers ist nicht weniger ambitioniert: „Unser Ziel ist es, die Welt zu verändern, indem wir einen Übergang zu nachhaltigen Lösungen ermöglichen und so den Kampf zugunsten der Dekarbonisierung und gegen den Klimawandel gewinnen.“

Für seine Erfindung bekam Boitouzet 2016 die Auszeichnung „Innovators under 35“ vom MIT Technology Review verliehen und das World Economic Forum kürte ihn zum „Global Shaper“.

Text: Gertraud Gerst Bilder: Woodoo

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