Ein Tor zum Kern des CERN

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Der "Science Gateway" soll Besuchern des Kernforschungszentrums CERN schon bald das Tor zur Wissenschaft eröffnen. Entworfen wurde das futuristische Gebäude vom italienischen Star-Architekten Renzo Piano. 

Wissenschaft ist spannend. Begeistern kann sie das Gros der Menschheit in der Regel aber nur, wenn von TV- und Leinwand-Helden genützt, um irre Bösewichte zu besiegen. Von derlei Publikumsinteresse kann das CERN bisher nur träumen. Gar nicht einfach, die Leistungen des weltweit größten Forschungszentrums auf dem Gebiet der Teilchenphysik annähernd so aufregend zu präsentieren, wie sie sind. Ein architektonisches Faszinosum soll nun dabei helfen: Der „Science Gateway“, der – entsprechend der Mission der Organisation – Besuchern ein formidables Tor zum Kern des CERN eröffnen wird.

Design by Star-Architekt Piano

Entworfen wurde das futuristische Gebäude vom italienischen Star-ArchitektenRenzo Piano. Die Bauarbeiten sollen heuer starten und im Jahr 2022 abgeschlossen werden. Ein weiteres, aufsehenerregendes Werk des berühmten Meisters, der derzeit einmal mehr mit aktuellen Großprojekten von sich reden macht: Die Eröffnung seines „Oscar Museums“ in Los Angeles soll noch in diesem Jahr über die Bühne gehen. Und Pianos neue Brücke in Genua, die den vor zwei Jahren eingestürzten Morandi-Viadukt ersetzt, wird demnächst in Betrieb genommen.

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Futuristischer Bildungsbau fürs CERN: Der von Renzo Piano entworfene Science Gateway.

Eine Art „Brücke“ soll auch der Science Gateway werden. Nämlich eine, die Spitzenforschung und Gesellschaft offen auf einander zugehen lässt. Das erklärte Ziel: Ein Zentrum für Bildung und Kultur,das jüngeren Generationen die Schönheit der Wissenschaft vor Augen führt. Das neue Gebäude des CERN wird Labors bieten, in denen Schüler wissenschaftliche Experimente probieren können. Auch ein großes Amphitheater, in dem Veranstaltungen für Laien und Experten stattfinden, ist geplant.

Im Herzen moderner Forschung

Das 7.000 Quadratmeter Grundfläche umfassende Projekt wird am Standort Meyrin des CERN errichtet. Damit befindet es sich in hochkarätiger Nachbarschaft, direkt neben dem „Globe of Science and Innovation“ des Forschungszentrums.Das Brückenthema spielt im Masterplan auch eine sehr praktische Rolle: Der Neubau verbindet die Areale des Geländes und überspannt die Hauptstraße nach Genf.

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Der Masterplan zum neuen CERN Gebäude aus der Vogelperspektive.

Der Entwurf des Renzo Piano Building Workshop (RPBW) entstand in Kooperation mit dem Genfer Büro Brodbeck Roulet Architectes Associés. Er zelebriertden Erfindungsreichtum und die Kreativität moderner Forschung und Technik.Inspiration dazu liefern dieeinzigartigen Einrichtungen des CERN, zu denen etwa auch der weltweit größte Teilchenbeschleuniger – der Large Hadron Collider (LHC) – zählt.

Es ist ein Ort, an dem sich Menschen treffen. Kinder, Schüler, Erwachsene, Lehrer und Wissenschaftler. Alle von der Erforschung des Universums angezogen, von unendlich groß bis unendlich klein.Es ist eine Brücke im metaphorischen und realen Sinne

von Star-Architekt Renzo Piano

Architektonische Elemente wie Röhren, die im Weltraum zu schweben scheinen, spiegeln die Spitzentechnologie des CERN wieder. In den Räumen des Science Gateway sollen die Geheimnisse der Natur anschaulich gelüftet werden – von winzigen Elementarteilchen bis zur gewaltigen Struktur des Universums.

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Die „Brücke“: Spannender Zugang den Mysterien des Universums.

Ausstellungen werden die Beschleuniger, Experimente und Computer des CERN erklären. Natürlich inklusive deren Einsatz in der Forschungsarbeit und mit Details zum Nutzen der Technologie für die Gesellschaft. Wichtiger Teil des Programms wird jedoch das praktische Experimentieren sein. Denn damit können Besucher selbst erleben, wie Forscher arbeiten und wie wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse im Alltag angewendet werden können.

Brücke zum Wissen des CERN

Das Erscheinungsbild des neuen CERN Gebäudes wird von vier Hauptelementen geprägt. Eines davon ist wiederum die „Brücke“, die die Idee des Projekts am klarsten umsetzt. Sie verläuft sechs Meter über dem Boden und bildet dasRückgrat des Science Gateway. Und an ihrem Verlauf entwickelt sich das Ensemble von Ausstellungs- und Bildungsräumen.

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Vortragssäle, Labors, Ausstellungen: Der Science Gateway soll Wissenschaft und Forschung präsentieren – „live“ und auch für Laien nachvollziehbar.

Als Hauptelement Nummer zwei fungieren die „Photovoltaik-Kollektoren“. Diese drei quadratischen, 40 mal 40 Meter großen Module werden über drei Pavillons „schweben“. Im zentralen Pavillon entsteht ein Klassenzimmer. Und über dem Empfangsbereich verbindet die vertikale Ebene Brücke und Boden.

Vielseitige Raumgestaltung

Der Nordpavillon ist als flexible Einheit konzipiert: Er wird als Konferenzhalle für 900 Gäste dienen. Allerdings kann er auch in drei unabhängige Räume oder zwei kleinere mit anschließendem Saal verwandelt werden. Damit wird das Design verschiedensten Präsentationen gerecht. Der Südpavillon indes wird für interaktive Ausstellungen ausgestattet.

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Flexibel gestaltbar und vielfältig: Das Auditorium des Science Gateway.

Als Hauptelement Nummer drei fungieren die auf Brücken-Ebene angehobenen „Tunnel“. Von außen betrachtet lassen diese beiden mächtigen „Röhren“ das Konstrukt wie ein Raumschiff aus der Zukunft wirken. Sie werden die Dauer- und Wechselausstellungen des CERN beherbergen.

Lebensechte Abenteuer

Auch im Inneren der Röhren wartet Außergewöhnliches auf die Besucher. Denn hier wird nachempfunden, was sonst nur in Beschleunigertunneln 100 Meter unter der Erde vor sich geht. Also dort, wo wissenschaftliche Experimente die tiefsten Geheimnisse der Materie enthüllen.

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Mit Sonnenenergie betrieben und vom eigenen Wald umrahmt: Der Science Gateway, der 2022 fertiggestellt werden soll.

Der „Wald“ bildet das vierte prägende Teilstück des Science Gateway: 400 eigens gepflanzte Bäume repräsentieren die Natur, die alles zusammenführt. Die Grünzone verbindet die Gebäude des CERN. Für Fußgänger konzipiert, soll der Wald deutlich machen, dass es auch in Wissenschaft und Forschung immer um die Natur geht.

Architektur, die Forschergeist beflügelt

Renzo Piano bezeichnet sein Projekt für das CERN als einen „Ort, an dem sich Menschen treffen“. Kinder, Schüler, Erwachsene, Lehrer und Wissenschaftler sollen den Neubau frequentieren, schildert der Architekt: „Alle von der Erforschung des Universums angezogen, von unendlich groß bis unendlich klein. Es ist eine Brücke im metaphorischen und realen Sinne. Und ein Gebäude, das von der Energie der Sonne gespeist wird und inmitten eines neu gewachsenen Waldes liegt“.

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Achsengraphik des neuen CERN-Komplexes in Genf.

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Detailskizze der optisch prägenden Tunnel-Röhren.

Finanziert wird das Projekt durch externe Spenden. Den größten Beitrag – nämlich stolze 45 Millionen Schweizer Franken – leistet die gemeinnützige, von Fiat Chrysler Automobiles gegründete FCA Foundation.

Durch externe Spenden finanziert

Die Gesamtkosten werden auf 79 Millionen Franken geschätzt. Zu den weiteren Gebern zählt eine private Stiftung in Genf. Ebenfalls mit dabei: Die Loterie Romande, die ihre Gewinne an gemeinnützige Forschungs-, Kultur- und Sozial-Projekte weitergibt.

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Im Kern des CERN soll Wissenschaft künftig eine breite Öffentlichkeit begeistern.

„Mit dem Science Gateway kann das CERN sein Bildungs- und Kontaktangebot für die breite Öffentlichkeit erheblich erweitern“, freut sich CERN-Generaldirektorin Fabiola Gianotti: „Ich bin den Spendern zutiefst dankbar für ihre entscheidende Unterstützung bei der Erfüllung dieses schönen Projekts“.

Ein Bau, der hilft, die Welt zu verstehen

John Elkann, Vorsitzender der FCA und ihrer Foundation, rechnet mit 300.000 neugierigen Besuchern pro Jahr. Schließlich werde der Science Gateway Forschern und Studenten, Kinder und Familien helfen, die Welt zu verstehen. Es gehe darum, Antworten auf die großen Fragen von heute und morgen zu finden. Und zwar am besten gemeinsam, unabhängig von unterschiedlichen Kulturen und Perspektiven. Dazu sei ein offenes, anregendes Umfeld nötig. Und genau dieses soll nun nach Renzo Pianos Plänen entstehen.

Text: Elisabeth SchneyderBilder: Renzo Piano Building Workshop

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