Ein Klimahaus der Extraklasse
Schon bevor er das Projekt in Angriff nahm, wusste Alberti Mutschlechner, dass Ziegel und Beton auf keinen Fall in Frage kommen. Es musste Holz sein. Kein Wunder, eigentlich. Schließlich legt der Chef des „Hotel Aqua Bad Cortina“ auch im Betrieb viel Wert auf natürliche Materialien, „Bio“ und Produkte der Region. Das neue Eigenheim gleich nebenan sollte denselben Idealen folgen – und tut’s inzwischen auf besondere Art. Denn die vom Brunecker Büro Pedevilla Architekten designte „ciAsa Aqua Bad Cortina“ ist nicht nur ein schöner, hochalpiner Vollholzbau. Sie ist auch das erste Klimahaus der Klasse A in Südtirol.
Preisgekrönte Schlichtheit
Das mit dem Best Architects Award 21 ausgezeichnete Klimahaus heißt „ciAsa“, weil dies im Rätoromanischen schlicht „Haus“ bedeutet. Elegant und schlicht sieht es auch aus. Näher betrachtet ist es allerdings ein facettenreiches, spannendes Projekt im Zeichen der Nachhaltigkeit.
Das Gebäude basiert auf der archaischen Form eines Hauses, bei der keine Unterscheidung zwischen Dach und Fassade gemacht wird. Die aufstrebende Form des Daches macht das Klimahaus weithin sichtbar. Zugleich nimmt dieses Dach durch seine tief liegende Trauflinie jedoch quasi schützende Haltung ein. Bestimmendes Element des gesamten Entwurfes ist die wiederkehrende Trapezform. So versorgen etwa trapezförmige Dachgauben die Innenräume mit Tageslicht.
Klimahaus aus Vollholz
Auch ein Oberlicht, dessen Licht kegelförmig ins Haus fällt, erleuchtet das Interieur. Die drei oberirdischen Geschosse sind vollständig aus Holz gefertigt. Und zwar aus ganz besonderem, weil quasi von der Natur „persönlich“ bereitgestellt: Am 30. Oktober 2018 ließen heftige Unwetter in den umliegenden Wäldern genug Holz für den Bau der „ciAsa Aqua Bad Cortina“ fallen.
Mit „holzius“ war rasch ein Partner fürs Wunschdomizil des Hoteliers gefunden. Das Südtiroler Unternehmen bot alles, was das Herz begehrt. Auch die Möglichkeit, eigenes Mondholz zu nutzen: Fichte in feinfaseriger Qualität und Zirbe. Im holzius-Werk in Prad wurden die vorgeschnittenen, naturgetrockneten Teile verarbeitet. Binnen nur eines Monats und unter Beachtung der Wachstumsrichtung der Bäume. Die Herstellung der Vollholzelemente erfolgte ohne Leim und Metall, aber mit garantierter Formstabilität.
Es war uns sehr wichtig, bei der Umsetzung unserer Ciasa kürzeste Transportwege und überliefertes, handwerkliches Wissen zu berücksichtigen
Alberti Mutschlechner, Bauherr
Die sechs Zentimeter starken Holzdielen wurden zu 36 Zentimeter starken Wänden verbunden. Mit fertiger Oberfläche. Und in patentierter Bauart mit Gratleiste und Kanten in Schwalbenschwanz-Form. Diese Ausführung verschafft Vollholz-Innen- und Außen-Wänden hohe Tragfähigkeit, betont der Bauherr. Dadurch sei es möglich, ein mehrstöckiges Gebäude setzungsfrei zu errichten.
Durch die großzügigen Wandstärken bleibt der Wärme-Übertragungswert sehr niedrig. Auf zusätzliche Isolierung konnte also verzichtet werden. Weder Folien noch Dampfsperren wurden in den Wandelementen verbaut.
Wetterfestes Holz
Die Fassade ähnelt einem Zapfen. Sie ist mit händisch gespaltenen Schindeln verkleidet. Das hier verwendete Lärchenholz ist von Natur aus wasserbeständig und bedurfte keiner weiteren Behandlung.
Das Untergeschoss des Klimahauses dient zugleich als Verbindung zum nahen Hotel. Auch hier wurde möglichst auf Material aus der Region gesetzt: Der Beton besteht aus Gestein des Baches, der nebenan verläuft. Angereichert wurde die Mischung mit hauseigenem Thermalwasser.
„Es waruns sehr wichtig, bei der Umsetzung unserer Ciasa kürzeste Transportwege und überliefertes, handwerkliches Wissen zu berücksichtigen. Deshalb haben wir auf einheimische Unternehmen gesetzt“, schildert Mutschlechner. Das Ziel: Das Klimahaus sollte so gebaut werden, „wie es früher einmal normal war“.
Zirbe für wohliges Wohngefühl
Dazu passt etwa auch, dass die innere Schicht aus massivem Zirbelholz mit handgehobelten Oberflächen besteht. Alle Wände wurden auf diese Art vorgefertigt, Anschlüsse für Fenster und Türen in die Elemente eingefalzt. Die Zirbe wird in der Region seit Jahrhunderten traditionell für die Innenverkleidung von Stuben verwendet. Mit gutem Grund: Ihr warmer Farbton und ihr charakteristischer Geruch verleihen Räumen wohliges Ambiente.
Nicht nur das Holz des außergewöhnlichen Gebäudes ist lokal. Auch der Stein für Böden und Bäder stammt aus den umliegenden Bergen: Er wurde aus Dolomit-Findlingen geschnitten. Bei der Wahl der Materialien achteten die Südtiroler Architekten nicht ausschließlich auf ästhetische Aspekte. Denn Widerstandsfähigkeit und Langlebigkeit spielten eine gewichtige Rolle.
Charme durch natürliche Patina
So ist beispielsweise das Lärchenholz der Fassade nicht nur witterungsbeständig. Die verbauten Massivhölzer entwickeln mit der Zeit auch eine Patina. Und diese unterstreicht Charakter und Charme des Familienwohnsitzes. Dadurch gewinnt das Klimahaus im Lauf der Zeit weiter an Schönheit.
Der Bau der 2019 fertiggestellten „ciAsa“ verlängert den Lebenszyklus der Materialien und Ressourcen auf sinnvolle Art. Umweltbelastung und Kosten werden dadurch langfristig reduziert. Auch auf die sozialen und kulturellen Aspekte der Nachhaltigkeit wurde bei diesem Klimahaus viel Wert gelegt.
Wie „anno dazumal“ gebaut
Dass ausschließlich Gadertaler Handwerker engagiert wurden, entspricht dem Wunsch, wie „anno dazumal“ zu bauen. Und dieses Vorgehen unterstützt den Erhalt lokaler Traditionen. Denn, wenn auch auf neue Art eingesetzt: Jahrtausende altes Fachwissen ist wertvoll. Technologische Entwicklung und zunehmende Standardisierung von Neubauten drohen, es in Vergessenheit geraten zu lassen.
Doch Holzbau erlebt derzeit eine wohlverdiente Renaissance. Architektur, die sich harmonisch in die Natur einfügt, ist hochgefragt. Zudem ist Umweltschutz auch bei Neubauten das drängende Thema unserer Zeit. Somit ist das Klimahaus „ciAsa Aqua Bad Cortina“ ein schönes Beispiel für zeitgemäße, nachhaltige Architektur, die überlieferte Expertise nützt. Ein rundum spannendes Projekt, das sicher nicht nur seinem Bauherrn Freude macht.
Text: Elisabeth Schneyder Bilder: Gustav Willeit / Pedevilla Architects
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