Düsseldorfs neue grüne Mitte
Die Hainbuche ist ein dankbares Gewächs. Robust und ungiftig gedeiht sie rasch zu dichten Hecken. Dass ihre Blätter mit den Jahreszeiten auch wunderschön die Farbe wechseln, können die Bewohner Düsseldorfs jetzt „live“ genießen. Und zwar ganz ohne Ausflug oder Landpartie. Denn die finale Phase der umfangreichen Neugestaltung im Zentrum der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens beschert ihnen die größte Grünfassade Europas: Auf und am neuen Komplex „Kö-Bogen 2“ wurzeln 30.000 Bäumchen. Anders gesagt: Acht Kilometer Hainbuchenhecken, die hier künftig für saubere Luft und Kühlung sorgen.
Architektur mit Klimaschutz-Effekt
Designt wurde das urbane Grün-Wunder vom Büro ingenhoven architects. Entwickelt von der Investorengemeinschaft CENTRUM und B&L Gruppe, setzt es tatsächlich neue Standards für innerstädtische Gebäude. Immerhin entspricht der Klimaeffekt der Hainbuchenhecken etwa jenem 80 ausgewachsener Laubbäume. Keine Frage, dass sie das neue Geschäfts- und Büro-Ensemble „Kö-Bogen 2“ obendrein zum architektonischen Highlight machen. Außerdem sind sie ein echter Hingucker: Bereits ausgetrieben, lassen die Pflanzen die Fassade am Gustaf-Gründgens-Platz wie eine grüne Wand aussehen.
Die bepflanzte Fassade war von Beginn an ein zentrales Element in Architekt Christoph Ingenhovens Konzept. Schließlich sollte „Kö-Bogen 2“ die Vorgabe erfüllen, dem Klimaschutz zu dienen und die Düsseldorfer Innenstadt nachhaltiger zu gestalten.
Ein Ansinnen, das auch andernorts für spektakuläre Architektur sorgt. Zum Beispiel bei Thomas Heatherwicks Projekt der „1.000 Trees“ in Shanghai. Oder in London, wo das Büro Sheppard Robson ein neues Luxushotel begrünen wird. Doch im Gegensatz zu diesen beiden Vorzeige-Bauten ist man in Düsseldorf bereits am Ziel: Am „Kö-Bogen 2“ sprießen die Bäumchen nämlich schon perfekt. Ganz abgesehen davon, dass 75 Prozent der Einzelhandelsflächen im neuen Gebäude längst vermietet sind und die meisten Geschäfte unterm grünen Dach im zweiten Halbjahr 2020 ihrer Eröffnung entgegengehen.
Pflanzen als Hitzepuffer
Die positiven Effekte der riesigen Hainbuchenhecke für das Klima in der Innenstadt können sich sehen lassen. Die Begrünung verhindert, dass sich die Fassade des „Kö-Bogen 2“ bei starker Sonneneinstrahlung überproportional auf bis zu 70 Grad aufheizt und diese Wärme in die Umgebungsluft zurückgeht. Die Pflanzen agieren hier wie ein Hitzepuffer. Sie bremsen den Temperaturanstieg rund um den neuen Komplex.
Wir brauchen Mut und Hingabe, um unsere Städte für eine klimafreundlichere Zukunft zu verwandeln
Außerdem fungiert die Begrünung als dauerhafter Energiewandler. Die Hainbuchenhecke wird mittels Bewässerungsanlage ganzjährig bedarfsgerecht mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Die Pflanzen selbst geben über ihre Blätter Feuchtigkeit an die Luft ab. Dadurch entsteht ein Kühlungseffekt. Und damit nicht genug: Das Blattwerk bindet Feinstaub, nimmt CO2 auf und produziert Sauerstoff. Ähnlich großen ökologischen Nutzen haben sonst nur Ansammlungen ausgewachsener Laubbäume.
Man schaffe mit dem „Kö-Bogen 2“ nicht nur ein Gebäude mit stadtbildprägender Architektur, sondern realisiere zugleich ein attraktives Grünkonzept, freut sich Jürgen Mentzel, der die Projektentwicklung der CENTRUM Gruppe leitet. Und er erklärt: „Wir tragen Sorge dafür, dass sich die Menschen auch bei Klimaveränderungen gern in der Innenstadt aufhalten. Wir haben uns intensiv mit der Frage beschäftigt, welche Fassadenbegrünung die beste ist“. Für die fachgerechte Bepflanzung holten die Entwickler die Arbeitsgemeinschaft ArGe-Carpinus Kö-Bogen II mit den Fachfirmen Leonhards/Wuppertal und Benning/Havixbeck ins Team.
Uni-Experten fürs Grün des „Kö-Bogen 2“
Wissenschaftliche Expertise fürs Grünprojekt lieferte die Beuth-Hochschule Berlin. „Der positive Effekt der Pflanzenhülle aus Hainbuchen für das innerstädtische Klima ist nicht zu unterschätzen,“ analysiert der dort tätige Phytotechnologe Prof. Dr. Karl-Heinz Strauch.Nach mehrjährigen Untersuchungen habe man umfassendes Wissen über das Wachstum der Pflanzen in diesem speziellen System. Man kenne ihre Bedürfnisse und ihre ökophysiologische Leistungsfähigkeit genau.
Strauch: „Wir wissen nun, dass allein die Pflanzenhülle der Fassade eine Laubfläche von 30.000 Quadratmetern haben wird. Dies entspricht mindestens einer Größe von mehr als vier Fußballfeldern. Damit ist das Gebäude ein großer Energiewandler“.
Fast die Hälfte der Sonnenenergie wird, dem Experten zufolge, von den Pflanzen in Wasserdampf umgewandelt. Gebäude wie „Kö-Bogen 2“ schließen demnach die typisch urbane Lücke im natürlichen Wasserkreislauf. „Für das Stadtklima ist das – neben anderen Effekten – besonders wichtig und wirksam“, betont der Phytotechnologe.
Düsseldorfs neue, grüne Mitte
Der „Kö-Bogen 2“ bildet den Abschluss einer umfangreichen städtebaulichen Neugestaltung im Zentrum von Düsseldorf. Die Gebäude des ersten Bauabschnitts „Kö-Bogen Königsallee“ entstanden nach Entwürfen von Star-Architekt Daniel Libeskind. Mit der Fertigstellung des dicht bepflanzten, zweiten Teils hat Düsseldorf neben spektakulären Architekturwerken nun auch ein neues grünes Herz bekommen. Und zwar da, wo bis 2013 eine Hochstraße dominierte.
Umdenken bei Stadtplanung
Christoph Ingenhoven sieht darin einen Paradigmenwechsel. Nämlich die Abkehr vom automobilen Zeitalter. Und die Hinwendung zum Menschen als Maßstab: „Der Stadt so viel Grün wie möglich zurückzugeben, ist eine Aufgabe, für die sich ingenhoven architects seit Jahrzehnten engagieren.“
Optisch wird das bewachsene Gebäude ein Hauptgewinn. „Die Blätter wechseln mehrfach die Farbe“, sagt Martin Belz vom Landschaftsdesign-Büro Leonhards. Dadurch wird der Neubau im Frühjahr und Sommer in hellem und dunklem Grün leuchten. Und im Herbst wird er in Gelb, Orange und Rot erstrahlen, ehe sich warmes Braun durchsetzt.
Bäumchen-Zucht für „Kö-Bogen 2“
Die Pflanzen für den „Kö-Bogen 2“ wurden in den vergangenen drei Jahren im Ammerland herangezogen. Sie wuchsen dort in großen Trögen mit mineralischem Substrat. Die genaue Position an der Fassade und auf dem Dach des Neubaus wurde vorab festgelegt. Dadurch finden die Bäumchen nun an ihrem Bestimmungsort dieselben Bedingungen wie an ihrem „Geburtsort“ vor.
Das Wuppertaler Unternehmen Leonhards wird sich um die Versorgung der Pflanzen kümmern. Damit die grüne Pracht auch in ferner Zukunft nicht verkommt, wurde mit der Stadt Düsseldorf für die nächsten 99 Jahre ein Pflegekonzept vereinbart. Um gar zu wilde Wucherungen zu verhindern, sollen die Hainbuchen zwei bis drei Mal im Jahr auf rund 1,30 Meter Höhe zurückgestutzt werden.
Das Projekt „Kö-Bogen 2“ vollendet Düsseldorfs neue Mitte. Insgesamt umfasst es – mit all seinen Stockwerken – etwa 66.000 Quadratmeter Fläche. Und eine Tiefgarage mit Anbindung zum Auto-Tunnel und Zugang zum Schauspielhaus hat es natürlich auch.
Text: Elisabeth SchneyderBilder: CENTRUM Gruppe
Lesen Sie weiter im UBM Magazin, der Plattform für Immobilienwirtschaft, Stadtplanung und Design.
Kommentare