Diese Scheune spielt alle Stückerl

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Das deutsche Softwareunternehmen IGZ wurde einst in einer Scheune gegründet. Inzwischen beschäftigt die Firma 500 Mitarbeiter. Klar, da brauchte es jetzt eine neue Hütte, die echt was am Kasten hat.

Die Szenerie ist an Beschaulichkeit kaum zu überbieten. Eine kleine Hauptstraße windet sich zwischen Feldern und Wäldern. Wie beiläufig verbindet sie die unabsichtlich in der Gegend ausgestreut wirkenden Einfamilienhäuser. Insgesamt leben hier in Falkenberg in Oberpfalz 934 Einwohner. Macht also 24 Einwohner pro Quadratkilometer. Und über ihnen allen thront als weithin sichtbares Wahrzeichen die alte Burg Falkenberg.

Wo bitte liegt Falkenberg?

„Wir haben dieses Falkenberg auf den ersten Blick gar nicht richtig verorten können“, schmunzelt rückblickend Hans Schneider, Projektleiter beim Architekturbüro J. Mayer H. Die Architekten konnten sich einfach nicht vorstellen, dass die ihnen vorliegende Ausschreibung für ein supermodernes Bürogebäude in dieser kleinstrukturierten Welt verortet sein sollte. Doch genau das war der Fall!

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Tatsächlich ist hier das Software- und Logistikunternehmen IGZ angesiedelt. Ein Betrieb, der vor ziemlich genau 20 Jahren hier in einer Scheune gegründet wurde. „Das war von da an unsere Softwarescheune“, erzählt die Eigentümerfamilie gerne.

Am Anfang war eine Software-Scheune

Und weil die Geschäfte vom kleinen Falkenberg ausgehend recht bald florierten, kam alle paar Jahre eine weitere Software-Scheune hinzu. Bis eben jetzt mit Scheune Nummer fünf das nächste Level erreicht wurde: Ein spektakulärer 86.000-Quadratmeter großer Bürobau, der jederzeit in einer echten Wirtschaftsmetropole stehen könnte. Dennoch wirkt der Koloss in der ländlichen Umgebung keineswegs wie ein klobiger Fremdkörper. Das kommt aber freilich nicht von ungefähr.

Software-Scheune mit Integrations-Code

Vielmehr hat man von Anfang an darauf geachtet, das moderne Design aus dem ländlichen Umfeld abzuleiten und so verständlich zu machen, erklären die Architekten. „Es sollte ein Bürogebäude mit dem Elan und der Raffinesse einer großstädtischen Firmenzentrale, aber mit einer warmen, ländlichen Seele werden“, heißt es.

Um diesen Effekt zu generieren, nahmen die Planer Anleihe an den Häusern, die das Ortsbild prägen: "Wir haben uns die alten Gebäude in der Stadt angeschaut", erinnert sich Schneider, "und wir sahen immer wieder diese Häuser mit diagonalen Holzbalken." So genannte Fachwerkbauten. Von dieser Balkenoptik inspiriert, fingen die Architekten an, sich an das Design der neuen Software-Scheune heranzutasten.

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Fazit: Aus einem Zusammenspiel aus Glashülle und Beton wurde ein Kern entwickelt, der von einem hölzernen Skelett eingefasst wird. So entsteht schon auf den ersten Blick der Eindruck, eine überdimensionale Weiterentwicklung alter Fachwerksbauten vor sich zu haben.

Nur nachhaltige Bauteile

Der Rest des Designs orientiert sich allerdings ausschließlich an einer zukunftsweisenden Vision: Kein einziger Bauteil wurde aus erdölbasierten Materialien hergestellt. Der verwendete Stein wurde in der Region abgebaut, was dem Gebäude eine besondere Note verleiht und gleichzeitig den Kohlenstoffausstoß des Bauprozesses reduziert hat.

Darüber hinaus arbeiten alle Mitarbeiter in unmittelbarer Nähe des Gebäudes, so dass der gesamte ökologische Fußabdruck langfristig klein bleibt. Vorrangig wurde zudem auf eine regenerative Energieversorgung durch Photovoltaikanlagen geachtet. Diese wird aber nicht etwa zur Beheizung des Gebäudes genutzt.

Hierfür setzt man auf eine passive Temperierung, die in die Stahlbetondecken integriert ist. Heizung und Kühlung werden also über die so genannte Betonkerntemperierung des Gebäudes geregelt. Durch dieses Verfahren wird im Sommer eine Kühlung und im Winter eine Beheizung des Gebäudes erzielt. Die dafür benötigte Energie wird aber auch nachhaltig generiert: Durch insgesamt 60 Geothermiepfähle, die jeweils 100 Meter tief in die Erde getrieben wurden.

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Doch nicht nur die Gesamtstruktur wurde ganzheitlich gedacht. Auch die Büros selbst folgen modernen und auch von der Pandemie getriggerten Überlegungen: Es wurden loftartige Arbeitslandschaften aus Sichtbeton und Holz entwickelt, die dank flexibler Wandkonstruktionen jederzeit neu arrangiert werden können.

Das wird durch Möbel unterstützt, die mit Rollen ausgestattet sind und sich so an verschiedene, wechselnde Formen der Einzel- und Gruppenarbeit anpassen lassen.

Gegenseitige Achtsamkeit als Erfolgsrezept

Die Tatsache, dass die Gründerfamilie einerseits auf die sensible, ländliche Umgebung achtet und andererseits mit modernen Konzepten in die Zukunft schreitet, hat dem Unternehmen in der Region viel Respekt und Anerkennung eingebracht. "Jeder ist wirklich glücklich, dort zu arbeiten", erklärt Schneider.

Und umgekehrt ist das auch der Hauptgrund, warum nie in Frage stand, den Firmensitz in ein womöglich wirtschaftlicheres Umfeld zu transferieren. Vielmehr ist man bei IGZ davon überzeugt, dass das enge Zusammengehörigkeitsgefühl wesentlich für den Erfolg der Firma ist. Kunden wie Modegigant Hugo Boss oder Automobilhersteller BMW werden etwa seit vielen Jahren erfolgreich betreut.

Es ist also wohl bloß eine Frage der Zeit, bis im kleine Falkenberg in der Oberpfalz die sechste Software-Scheune entsteht. Angeblich sind sogar schon weitere Bauabschnitte in Planung …

Text: Johannes Stühlinger Bilder: David Franck

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