Astrein wohnen – mitten in Berlin

Ein modernes Mehrfamilienhaus in städtischer Umgebung mit Straßenbahnschienen.
Das größte Holzgebäude Berlins, das Walden 48, wurde vor kurzem bezugsfertig. An der Realisierung war neben der ARGE Scharabi | Anne Raupach auch der Holzspezialist Rubner beteiligt.

Wer belesen ist, versteht die Anspielung sofort: 1845 baute sich der US-Schriftsteller Henry David Thoreau im Bundesstaat Massachusetts eine Blockhütte an einem einsamen Waldsee. Im Selbstversuch lebte er dort zurückgezogen zwei Jahre lang. Thoreau gilt als einer der Väter der Zurück-zur-Natur-Bewegung. Der Dichter schildert in dem nach dem See benannten Kultbuch auch heutiger Generationen, „Walden”, wie er sich von Fischfang, Getreide- und Gemüseanbau selbst versorgt.

So war es für die Berliner Baugemeinschaft, die sich vor einigen Jahren überwiegend aus ökologischen Gründen für einen Holz-Massivbau entschieden hatte, naheliegend, den Namen Walden 48 für das Gebäude zu wählen.

Ein modernes Mehrfamilienhaus mit grauer Fassade und vielen Fenstern.

Walden 48: Sechsgeschoßiges Wohnhaus

Astloch-Romantik will sich auf den ersten Blick angesichts der Adresse, Landsberger Allee Nr. 48, nicht einstellen. Erstens ist die Allee vierspurig und eine wichtige Berliner Verkehrsader. Zweitens lag der Baugrund auf der Fläche der einstigen Friedhofsgärtnerei des St. Georgen-Parochial-Friedhofs.

Aber so manche Baugemeinschaft, so manches Wohnprojekt muss sich angesichts der Diskrepanz zwischen viel Wunsch und der rauen Wirklichkeit unter anderem der Grundstückspreise nach der Decke strecken.

Ein modernes Gebäude mit grauer Fassade und unregelmäßig angeordneten Fenstern.

Gleich beim Friedhof ...

Ein modernes Holzgebäude mit Balkonen und dem Berliner Fernsehturm im Hintergrund.

... und gegenüber vom Volkspark Friedrichshain.

Dennoch ist dort ein sechsgeschoßiges Wohnhaus mit Wohneinheiten zum Selbstkostenpreis und mit viel Charme entstanden. Pluspunkte sind auf jeden Fall der gegenüber liegende Volkspark Friedrichshain sowie die gute Anbindung an das Öffentliche Personennahverkehrsnetz.

Die Fassade eines modernen Wohngebäudes mit Holzrahmen und grünen Akzenten.

Großzügige Terrassen und Loggien mit Lärchenholz-Verschalung.

Loftartige Wohnungen

Das von der ARGE Scharabi | Anne Raupach entworfene Wohnhaus zählt 43 Einheiten zwischen 46 und 145 Quadratmetern. Vertretene Wohnungstypologien sind etwa Garten- und Maisonette-Wohnungen oder Atelierwohnungen. Die Einheiten sind barrierefrei zugänglich.

Das architektonische Konzept schafft eine außergewöhnliche Verbindung zwischen urbanen und naturnahen Räumen.

von Susanne und Farid Scharabi

Ein modernes Mehrfamilienhaus mit Holzfassade und Balkonen, umgeben von Bäumen.

Das Haus hat sozusagen zwei Gesichter: Vorn die Schiefer-Verkleidung ...

Die Fassade eines modernen Holzgebäudes mit Balkonen und großen Fenstern.

... hofseitig mit Süd-Blick ins Grün des Friedhofs viel Holz.

Maßgeblich am Bau beteiligt war die Südtiroler Rubner Gruppe. Sie betreibt am niederösterreichischen Standort Ober-Grafendorf ein Werk zur Herstellung von Brettschichtholz. „Durch die Deckenspannweite von 7,20 m und Raumtiefen bis zu 13 Meter konnten beim Projekt Walden 48 Wohnungen mit großzügigen Raumaufteilungen realisiert werden”, heißt es bei Rubner. Sie kamen ohne Stützen aus und boten die Möglichkeit, die individuellen Vorstellungen der einzelnen Bauherren zu verwirklichen.

Rubner Gruppe bei TURN ON Festival dabei

Die Rubner Gruppe ist auch beim Architekturfestival TURN ON vertreten. Es findet vom 4. bis 6. März 2021 statt. Die Festivalleitung hat Margit Ulamas Büro für Architektur_Theorie_ über. Ulama ist unabhängige Expertin zur Nominierung für den Mies van der Rohe Award. Veranstalter des Festivals ist die Architekturstiftung Österreich.

Ein schmaler Weg führt zwischen einem Holzgebäude und einer alten Ziegelmauer entlang.

Die historische Friedhofsmauer wurde miteinbezogen.

Die Straßenfassade wurde zweischichtig schallgedämmt und mit Schieferplatten verkleidet. Die Wohnräume sind hofseitig angeordnet, mit Süd-Blick ins Grün des Friedhofs. Die historische Friedhofsmauer wurde in den Erdgeschoßbereich eingebunden.

Ein heller Raum mit Holzboden und einer offenen Tür zum Balkon.

Loftartige Grundrisse.

Ein Holzbalkon mit Blick auf grüne Bäume und Gebäude.

Fahrrad-Tiefgarage mit Rampe

Ebenfalls südseitig liegen private und gemeinschaftlich genutzte Gärten mit Spiel- und Rückzugsbereichen. Typisch für Wohnprojekte verfügt das Haus über einen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoß und eine Gemeinschafts-Dachterrasse. Kfz-Stellplätze gibt es nicht. Die künftigen Bewohner haben sich von vornherein für eine Fahrrad-Tiefgarage mit Rampe im Untergeschoß entschieden.

Kinder spielen in einem hellen, modern gestalteten Raum mit großen Fenstern.

Viele Gemeinschaftsräume.

Ein Innenraum mit bunten Sitzgelegenheiten und einem Kind, das auf einer Bank steht.

Als wir vor 15 Jahren begannen, uns intensiv mit Holz zu beschäftigen, war es unser erklärtes Ziel, mit diesem archaischen Stoff eine moderne Architektursprache zu entwickeln, die auf jede Art von Bauvorhaben anwendbar ist. Durch Baugruppenprojekte und Bildungsbauten sind wir heute zu Spezialisten für Holzbau im urbanen Kontext geworden.

von Susanne und Farid Scharabi

KfW 55-Standard

Das Gebäude wurde in reiner Holzbauweise mit einem nachhaltigen Energiekonzept (KfW 55-Standard) entwickelt. Zum parkähnlichen Friedhofsgelände hin öffnet sich das Haus mit tiefen Loggien. Die Gartenfassade und das Staffelgeschoss sind mit einer naturbelassenen Lärchenschalung versehen.

Ein Wohnzimmer mit Holzboden, einer Küche im Hintergrund und Musikinstrumenten.

Auch die drei Fahrstuhlkerne,sämtliche Treppenläufe und die Podeste sind in Massivholz umgesetzt, berichtet die Rubner Gruppe. Die Decken sind in Holzbeton-Verbundbauweise ausgeführt. „Einzig die Wände der Treppenhäuser und das Kellergeschoss bestehen aus Stahlbeton”.

Eine Holztreppe führt an einer rosa Wand mit Fenster vorbei.
Blick in ein modernes Wohnzimmer mit grauer Couch und offener Küche. Eine Katze sitzt auf der Couch.

Finalist für den Nachhaltigkeitspreis

Das Walden48 wurde daher nicht nur für den Architekturpreis Berlin 2020 nominiert, sondern ist auch Finalist für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021, für den man sich noch bis 14. Mai 2021 bewerben kann.

Der konstruktive Holzbau beweist, dass Holzbau nicht nur für rurale Gebiete geeignet ist, sondern auch für zentrale Lagen in großen Städten.

von Rubner Gruppe

Der Rohbau wurde aufgrund der werksseitigen Vorfertigung in nur 31 Wochen errichtet, berichtet die Rubner Gruppe. Der Baustoff Holz biete viele Vorteile. So sorge er für eine natürliche Feuchteregulation und ein gesundes Raumklima sowie nahezu 100 Prozent elektromagnetische Strahlungsabsorption.

Für den urbanen Bereich geeignet

„Reine Holzbauten im städtischen Umfeld sind nicht nur möglich, sondern auch äußerst attraktiv und empfehlenswert, da sie unsere Sinne ansprechen und sich durch hohe Vorfertigungsgrade schnell, gesund und alltagstauglich realisieren lassen”, so das Architekturbüro Scharabi.

Holz ist sowohl ein nachwachsender Rohstoff als auch rezyklierbar. Und Holz ist ein CO2‐Speicher. Der Baustoff hat zudem hohe Wärmedämm- und Schallschutzeigenschaften. Auch puncto Brandfestigkeit wird Holz häufig unterschätzt.

Text: Linda Benkö Renderings: www.Render-Manufaktur.de Fotos: Jan Bitter

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