„Unser Kernprodukt ist ein langfristiges Versprechen“

„Unser Kernprodukt ist ein langfristiges Versprechen“
Rémi Vrignaud, CEO der Allianz Österreich, spricht im Interview über die aktuellen Vorsorgetrends, einen herausfordernden Kapitalmarkt und das steigende Nachhaltigkeitsbewusstsein der Österreicher.

Bei der Allianz Österreich ist ein deutlicher Trend hin zur privaten Gesundheitsvorsorge zu verzeichnen. Für Rémi Vrignaud, CEO der Allianz Österreich, bleibt das Thema Nachhaltigkeit ganz oben auf der Agenda.

Aktuell leben wir in einer Zeit der Multikrisen. Bremsen die Österreicher jetzt aus Kostengründen bei der Vorsorge?

Rémi Vrignaud: Die Inflation und die Energiekrise sind eine große Belastung für die Bevölkerung und es wird deutlich genauer geschaut, wofür das Geld ausgegeben wird. Aber ein Ansteigen der Kündigungen, Stilllegungen oder Freistellungen ist derzeit nicht zu verzeichnen. Nur im Bereich Kraftfahrzeuge merken wir eine Marktumschichtung.

In welche Richtung verändert sich im Fahrzeugbereich der Markt?

In der Sparte Kfz rechnen wir bei den Neuzulassungen mit einem Minus von rund zehn Prozent, bei den Gebrauchtwagen liegt dieses sogar bei etwa 15 Prozent. Aber in den letzten Jahren kam es zu Lieferengpässen bei den Neufahrzeugen mit Auswirkungen für den Bereich der Gebrauchtautos. Zudem steigen immer mehr Österreicher auf Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge um. Hier verzeichnen wir ein Plus von 40 Prozent. Ein Trend, der uns im Sinne der Nachhaltigkeit besonders freut.

Das heißt, in den anderen Bereichen konnten Sie trotz Krise zulegen?

Ja, aber in der Pandemie ist besonders das Thema Gesundheitsvorsorge gut gelaufen. In dieser Sparte erzielten wir ein Wachstum von 13 Prozent. Dabei zeigte sich, dass den Österreichern nicht nur das Thema physische, sondern auch mentale Gesundheit sehr wichtig war und ist.

„Unser Kernprodukt ist ein langfristiges Versprechen“

In Österreich haben bereits über drei Millionen Menschen eine private Gesundheitsvorsorge. Ist das nicht ein Armutszeugnis für unser Gesundheitssystem?

Grundsätzlich hat Österreich im internationalen Vergleich ein sehr starkes und solides Sozialversicherungssystem. Aber gerade in Ballungszentren zeigt sich, dass es immer schwieriger wird, schnelle Termine bei Kassenärzten zu bekommen. Zugleich sind die Patienten ungeduldiger geworden. Es ist ja auch ein Trend der Zeit, dass man Dienstleistungen jetzt und sofort bekommen will. Patienten wollen heute gerade im Krankheitsfall mehr Komfort. Das kann das öffentliche Gesundheitswesen nicht leisten. Daher sind private Gesundheitsvorsorgen, wie sie in unserem Produkt „Meine Gesundheit“ enthalten sind, sehr beliebt.

In der Altersvorsorge wurde in den letzten Jahren besonders die fondsgebundene Lebensversicherung propagiert. Im Jahr 2022 war aber der Wertpapierbereich besonders schwierig. Hat das Folgen für die Versicherten?

Bei der Vorsorge geht es nicht um ein kurzfristiges Investment, hier veranlagt man über Jahrzehnte Geld für die Pension oder andere Themen, wie etwa das Studium der Kinder. Vorsorge sollte man also nicht von aktuellen Launen der Finanzmärkte abhängig machen. Hinzu kommt, dass fondsgebundene Lebensversicherungen wie etwa unser Produkt „FlexInvest“ Komponenten enthalten, die Kunden die Möglichkeit bieten, automatische Sicherheitsnetze einzubauen. Fällt zum Beispiel der Kurs von einem Fondsinvestment stark ab, wird durch die sogenannte „Reißleine“ automatisch in defensivere Veranlagungsklassen umgeschichtet. Mit einem Ablaufmanagement werden die veranlagten Gelder zum Beispiel kurz vor der Pensionierung abgesichert.

Machen Wertpapierinvestments trotz schwieriger Rahmenbedingungen noch immer Sinn?

In Zeiten wie diesen wird gerne übersehen, dass der Kapitalmarkt auch in schwierigen Phasen Chancen bietet. Trotzdem liegen 42 Prozent beziehungsweise 300 Milliarden Euro der Österreicher am Girokonto, und das bei einer Inflation von über zehn Prozent. Das lohnt sich auf keinen Fall. Gleichzeitig sind aber nur 20 Prozent der Österreicher in Wertpapieren engagiert. Damit zählen die Österreicher zu den konservativen Geldanlegern in der Europäischen Union, wo im Schnitt rund 25 Prozent in Wertpapieren veranlagt sind. Doch das Mindset ändert sich. Der Anteil der jungen Menschen, die am Kapitalmarkt bevorzugt in nachhaltige Veranlagungsprodukte investieren, hat sich verdoppelt.

„Unser Kernprodukt ist ein langfristiges Versprechen“

Mit der Leitzinsanhebung der Europäischen Zentralbank auf 1,25 Prozent gewinnt auch wieder die klassische Lebensversicherung an Attraktivität. Feiert diese ein Comeback?

Die klassische Lebensversicherung war nie weg. Der klassische Deckungsstock ist eine der sichersten Veranlagungsformen in Österreich. Mit modernen Zusatzbausteinen wie etwa einer integrierten Berufsunfähigkeitsversicherung oder der Möglichkeit, Teile des veranlagten Geldes in Wertpapiere zu investieren, erfreut sich die klassische Lebensversicherung großer Beliebtheit.

Die Regierung will etwas für den heimischen Kapitalmarkt machen. Wo sollte hier der Hebel angesetzt werden?

Nachdem wir in den letzten Jahren sehr viel staatliches Geld für Hilfspakete ausgegeben haben und es auch zu einer Umkehrung der Bevölkerungspyramide kommt, werden aus heutiger Sicht Pensionsreformen unumgänglich werden. Das bedeutet, dass wir verschiedene Anreize schaffen müssen, um ein Auskommen der Österreicher im Alter zu ermöglichen.

Wie könnten solche Anreize aussehen?

Da Lebensversicherungen ein wichtiger Faktor der privaten Altersvorsorge sind, sollte hier die Versicherungssteuer von vier auf zwei Prozent halbiert werden. Zudem wäre es sinnvoll, so wie in der Regierungserklärung verankert, nachhaltige Veranlagungen grundsätzlich von der Steuer zu befreien. Damit würde man nicht nur einen wichtigen Beitrag für eine solide Altersvorsorge der Österreicher leisten, sondern gleichzeitig den Umwelt- und Klimaschutz fördern. Bei der betrieblichen Altersvorsorge besteht seit den 70er-Jahren auf Arbeitnehmerseite ein Steuerabsetzbetrag in der Höhe von 300 Euro pro Jahr. Nach fast 50 Jahren wäre es an der Zeit, diesen Betrag auf mindestens 1.000 Euro anzuheben.

Die Allianz engagiert sich bereits seit Jahren für das Thema Nachhaltigkeit. Lohnt sich Ihr Engagement?

Nachhaltige Geschäftsmodelle lohnen sich nachweislich für unsere Stakeholder, also Kunden, Aktionäre und Partner. Nachdem der Klimawandel schon seit Jahren nicht mehr zu leugnen ist, haben wir bereits 2015 damit begonnen, unsere Assets einer Nachhaltigkeitsbewertung zu unterwerfen. Heute versuchen wir, in allen Bereichen den Nachhaltigkeitsaspekt zu berücksichtigen. Zudem engagieren wir uns in unterschiedlichen Initiativen wie etwa der Green Finance Alliance und der Net Zero Asset Owner Alliance der UNO für ein Umdenken in der gesamten Finanzbranche. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir uns als Unternehmen zu diesen Maßnahmen selbst verpflichten, aber als Versicherer ist uns die Zukunft wichtig, denn unser Kernprodukt ist ein langfristiges Versprechen.

Welche Versicherungstrends sehen Sie in den kommenden Jahren?

Das Thema Nachhaltigkeit wird weiter einen hohen Stellenwert haben, denn der Klimawandel ist bereits deutlich spürbar. Zudem wird die Digitalisierung auch bei den Versicherungen weiter voranschreiten und viele Neuerungen bringen.

 Stephan Scoppetta

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