Finanzbildung sollte weiblicher werden

Finanzbildung sollte weiblicher werden
Beim Thema Geld funktioniert die Gleichstellung der Geschlechter in Österreich noch lange nicht. Es braucht mehr Finanzbildung für Mädchen und Frauen, um die finanziellen Risiken im Alter weiter einzugrenzen.

Die ungeschminkte Realität gibt Grund zur Besorgnis: Beim Thema Finanzen steht es bei den Österreicherinnen nicht zum Besten. Frauen verdienen im Vergleich zu Männern in Österreich um 20,4 Prozent weniger. Die Teilzeitquote bei Frauen beträgt 47,7 Prozent und die durchschnittliche Alterspension der Österreicherinnen liegt nur bei 1.064 Euro im Monat – das ist deutlich unterhalb der Armutsgrenze von derzeit 1.259 Euro pro Monat. 

Ein Problem, dem man sich aktiv stellen muss. Denn dieses Nichtwissen im Bereich Finanzen hat weitreichende Folgen. Karin Kisling, Gründerin und CEO von Savity, einer Online-Vermögensverwaltung.: „Mit einem Wort: Altersarmut. Typischerweise enden Beziehungen ja, wenn man bereits den 40er hinter sich gelassen und womöglich die Karriere zugunsten der Familie an den Nagel gehängt hat. Mit dieser Basis kann man sich keine Existenz mehr aufbauen, geschweige denn die Altersvorsorge gestalten. Die Ehe als Altersvorsorge hat längst ausgedient.“ 

Finanzbildung sollte weiblicher werden

Frauen sollten ihr Wertschöpfungspotential genau so frei ausleben können wie ihre männlichen Partner

von Karin Kisling

CEO Savity

Keine Gleichstellung

Auch im OECD-Bericht „Financial Literacy in Austria“ der im Frühjahr 2021 präsentiert wurde,  kommt man zu einem ähnlichen Ergebnis: Trotz der erzielten Fortschritte und des wachsenden Konsenses in der Gesellschaft, zu einem besseren Gleichgewicht der Chancen und Lebensentscheidungen zwischen den Geschlechtern, bleibe die Gleichstellung der Geschlechter in Österreich unerreicht. Das finanzielle Wohlstandsgefälle zwischen den Geschlechtern sei laut OECD in Österreich größer als in vergleichbaren Ländern. Heidrun Kopp, Leiterin Institut für nachhaltiges Finanzwesen (INAFINA): „Karenzzeiten und die Möglichkeit der Teilzeitarbeit sind wichtige Errungenschaften, die es insbesondere Frauen erleichtern soll, Beruf und Familie „unter einen Hut“ zu bringen. Gleichzeitig führt dies dazu, dass sie trotz durchgängiger Berufstätigkeit, lange Jahre mit geringem Einkommen aufweisen, was wiederum unter anderem  häufig zu einer geringen Pension führt. Im Vergleich zu Männern beträgt der Pensionsgap dabei rund 40 Prozent!“ Laut Statistik Austria sind rund 200.000 Menschen über 65 Jahre derzeit von Armut betroffen, 136.000 davon sind Frauen. Verbesserte finanzielle Bildung kann Frauen dabei helfen, ihr finanzielles Leben besser zu managen, wodurch sich ihr finanzielles Vermögen potenziell erhöhen können. 

Finanzbildung sollte weiblicher werden

Unabhängigkeit wichtig

leichzeitig wären laut einer 2021 durchgeführten Studie von IMAS im Auftrag der Erste Bank und Sparkassen mit 1.350 Österreicherinnen und Österreichern 77 Prozent der Frauen eine finanzielle Unabhängigkeit von ihrem Partner, Eltern sowie Kindern „sehr wichtig“. Bei den Männern sehen dies nur 64 Prozent so. Trotzdem sind Frauen deutlich häufiger auf eine finanzielle Unterstützung durch ihre Familie angewiesen. Während bei den Frauen 30 Prozent auf finanzielle Zuwendungen durch ihre Familie angewiesen sind, sind es bei den Männern nur 14 Prozent. 

„Auch das Partner-Splitting hilft nur bedingt, denn es verfestigt letztendlich die traditionellen Abhängigkeiten von Frauen gegenüber ihrem Partner. Ziel sollte es sein, dass Frauen ihr Wertschöpfungspotenzial genau so frei ausleben können, wie ihre männlichen Partner,“ hebt Karin Kisling die Wichtigkeit von Finanzwissen speziell ausgerichtet auf die Zielgruppe Frauen noch einmal hervor.

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Mangelndes Finanzwissen erhöht die Scheu eine Anlageform jenseits von Sparbuch und Bausparer zu wählen

von Heidrun Kopp

Leiterin INAFINA

Geringes Finanzwissen

Obwohl Maßnahmen und Initiativen zur Finanzbildung Männern und Frauen gleichermaßen zugutekommen sollten, weisen Frauen laut OECD-Bericht tendenziell ein geringeres Finanzwissen auf und benötigen daher spezielle Angebote zur finanziellen Allgemeinbildung. Besonders das Sicherheitsbedürfnis der Frauen beim Thema Geldanlage wird ihnen zum Verhängnis. Kisling: „Dieses Bedürfnis verführt zum Sparbuch, mit dem aber unter Berücksichtigung der Inflation Jahr für Jahr ein Verlust eingefahren wird. Für die langfristige Anlage führt kein Weg am Kapitalmarkt mit seinen Wertschwankungen vorbei.“ 

Ähnlich sieht das auch Finanzexpertin Kopp: „Mangelndes Finanzwissen, oder zumindest der Glaube daran zu wenig zu wissen, erhöht die Scheu eine Anlageform jenseits von Sparbuch und Bausparer zu wählen. Hier braucht es mehr Finanzwissen, einfach erklärt, sodass jeder versteht was die Risiken, aber vor allem, was die Chancen des Kapitalmarktes sind.“

 

„Finanzbildung muss Fach in Schulen werden“

Interview. Birgit Puck, Bereichsleiterin der Wertpapieraufsicht der Finanzmarktaufsicht (FMA), spricht über das Thema Finanzwissen von Frauen.

Finanzbildung sollte weiblicher werden

Gibt es einen offensichtlichen Wissensunterschied im Bereich der Finanzbildung zwischen Frauen und Männern in Österreich? 

Birgit Puck: Das Finanzwissen von Frauen wird häufig aufgrund deren größerer Vorsicht von diesen selbst und von der Gesellschaft unterschätzt. Eine aktuelle Studie des Global Financial Literacy Centers stellt fest, dass nur zwei Drittel des geringeren Engagements von Frauen auf dem Finanzmarkt auf mangelndes Wissen zurückzuführen ist, ein Drittel jedoch auf deren fehlendes Selbstvertrauen. Diese Vorsicht hat aber auch etwas Gutes. Frauen scheinen viel seltener Opfer von Anlagebetrügern zu sein. Im Vorjahr kamen bei der Finanzmarktaufsicht nur 16 Prozent der gesamten Eingaben zum Anlagebetrug von Frauen. Dabei haben sich noch viele von ihnen im Namen von Söhnen oder anderen männlichen Familienangehörigen bei uns gemeldet, weil sie diesen, wenn sie auf Anlagebetrüger hereingefallen waren, helfen wollten. 

Woher kommt der signifikante Bildungsunterschied im Bereich Geld und Finanzen zwischen den Geschlechtern? 

Dafür ist wohl eine Kombination aus mehreren Faktoren verantwortlich, primär aber die vorgelebte Rollenverteilung in den Familien. Eine Umfrage des österreichischen Gallup Institutes zeigt, dass Männer institutionalisierte Wissensvermittlung in Anspruch nehmen, Frauen hingegen als Hauptquelle für finanzielle Fragen nicht Fachleute, sondern die Familie angeben. Wenn man also Frauen gegen Nachteile und Altersarmut immunisieren will, muss die Finanzbildung verbessert werden. 

Woran liegt es, dass Frauen besonders in Gelddingen die Verantwortung sehr oft an ihren Partner delegieren? 

Hier hat sich bereits sehr viel geändert. Mittlerweile stehen immer mehr Frauen mitten im Berufsleben. Damit verfügen sie über ein eigenes Einkommen, über das sie selbst, oder 
als Familieneinkommen, gemeinsam mit einem Partner, disponieren. 

Wie lässt sich das Finanz-Wissen von Mädchen und Frauen heben? 

Finanzbildung muss als eigenes Fach in den Lehrplänen der Schulen verankert werden. Im Sinne des lebenslangen Lernens brauchen wir aber auch sinnvolle Angebote für Erwachsene. Zusätzlich bedarf es unabhängiger Informationsquellen, die ohne Eigeninteresse informieren. Deshalb haben wir in der FMA eine entsprechende Initiative gestartet. Unter dem Motto „Reden wir über Geld“ veröffentlichen wir monatlich eine kurze und klare Finanzinformation zu relevanten Themen des täglichen Lebens.

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