Zu groß fürs normale Leben

Alois Leidwein wandte sich an die Gleichbehandlungskommission
Alois Leidwein ist 1,98 Meter groß – und fühlt sich dadurch benachteiligt

Alois Leidwein ist ein großer Mann. Er misst 1,98 Meter. In seiner Familie ist das nichts Außergewöhnliches. Auch die Eltern sind groß, auch die Kinder werden es sein. Doch immer öfter stößt der Jurist im wahrsten Sinne des Wortes an seine Grenzen. Vor Kurzem mussten in seinem Büro die Notausgang-Schilder neu montiert werden, weil sie zu tief hingen. Darüber kann Leidwein lachen. Weniger spaßig wird es für ihn, wenn er zum Beispiel ins Flugzeug steigt. „Ein Bein ist am Gang, das andere beim Nachbarn“, beschreibt er. „Die Empathie der Mitmenschen hält sich dabei in Grenzen.“ Das Verständnis der Fluglinien auch. 40 Euro hätte es ihn zusätzlich gekostet, einen Platz beim Notausgang und somit mit Beinfreiheit zu ergattern.

Eingeschränkt

Das ärgert den großen Mann aus Dürnkrut im Weinviertel. Und zwar so sehr, dass er sich an die Gleichbehandlungskommission wandte. Seine Argumentation: Aufgrund geschlechtsspezifischer Merkmale (seine Größe, Anm.) werde er beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, diskriminiert. Europäische Männer seien um sieben bis acht Prozent größer als Frauen. Der Anteil der Männer mit einer Körpergröße über 1,90 Meter liege bei sechs Prozent.
Im Alltag sind es viele Situationen, in denen Leidwein durch seine Körpergröße gehandicapt ist. Das beginnt schon beim Kleidungskauf. „Ich habe Schuhgröße 47 und Anzuggröße 118“, erzählt er. In ganz Wien gebe es nur zwei Schuhgeschäfte und ein Kleidungsgeschäft, in denen er einkaufen könne. „Deutlich teurer natürlich“, fügt er hinzu. Mode darf beim Kleidungskauf keine Rolle spielen. „Wenn es darum geht, kann ich mich maximal bei der Krawatte oder dem Stecktuch austoben“, erklärt er.
Auch beim Auto ist das Optische eine Nebensache. „Ich passe in viele einfach nicht hinein, da stoße ich oben mit dem Kopf an.“ Gleiches erlebt er im Theater – dort sind die Sitzreihen oft zu eng. Oder beim Skifahren im Sessellift. „Ich kann die Füße nicht abstellen, sondern nur runterhängen lassen oder zwei Plätze blockieren.“ Zweitere Möglichkeit erzürnt wiederum Mitfahrende.
Und selbst für den Freizeitpark ist Leidwein zu groß. „Wir waren im Gardaland in Italien. Den Eintritt habe ich zwar voll bezahlt. Aber ich konnte bei einem erheblichen Teil der Bahnen nicht mitfahren, weil es eine Größenbeschränkung von 1,95 Meter gegeben hat.“

Teuer

Sein Fazit: „Meine Größe beschert mir erhebliche Mehrkosten. Daran denkt keiner.“ Da sie aber nicht als Behinderung gilt, kann er sie steuerlich nicht geltend machen.
Und das wird sich voraussichtlich auch nicht ändern. Dem Klagsverband, an den sich Leidwein auch gewandt hatte, waren die Hände gebunden. Die Gleichbehandlungskommission stellt zwar fest, dass niemand wegen seines Geschlechts oder ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert werden kann. Aber: „Es ergibt sich kein Umstand, der in die Zuständigkeit des Senates fallen würde, da die Körpergröße kein geschlechtsspezifisches Merkmal ist.“

Das Leben ist für große Menschen oft nicht leicht. Manchmal sogar dramatisch. Ein 2,14 Meter großer Mann büßte in Wien fast sein Augenlicht ein, nachdem er gegen ein Straßenschild gelaufen war.

"Manches wird besser, einiges eklatanter", beschreibt Sylvia Murcek. Sie ist selbst 1,89 Meter groß. Gemeinsam mit ihrem Mann leitet sie den Verein Longinus, der rund 170 Mitglieder hat und sein 60-jähriges Bestehen feiert.

Was besser wird? Die Möglichkeiten beim Kleidungskauf. "Nachdem es speziell für Damen keine entsprechenden Geschäfte gibt, wird mehr im Internet bestellt", schildert sie. Was schlechter wird: "Die Sitzreihen in den Flugzeugen. Da wird ständig eingespart."

Und was sich nicht ändert: Die Höhe von Kinderwagen, Trolleys und Rasenmähern, die für durchschnittlich große Menschen gebaut sind. Was sie besonders ärgert: "Dass die Straßenschilder zum Teil wirklich tief montiert werden." Und dass Büromöbel selten auf große Höhe verstellbar sind.

Womit sie auch immer wieder konfrontiert wird: Dass medizinische Geräte für Menschen ihrer Größe nicht gemacht sind. "Zum Beispiel bei der Mammografie. Oder die Betten bei Behandlungen. Oder auch einfach der Massagetisch. Entweder hängen die Beine hinten runter oder der Kopf vorne."

Manchmal kann es aber auch gefährlich werden. Die Haltegriffe in den Öffis sind für Großgewachsene zu niedrig. Bekommen sie keinen Sitzplatz, bleibt nur mehr: Kopf einziehen. "Notbremsung darf es dann keine geben", sagt Murczek. "Deshalb fahre ich auch sehr ungern mit den Öffis."

Mit den Longinus-Vereinsmitgliedern werden regelmäßig Ausflüge unternommen. Es gibt auch eine eigene Sektion für Mitglieder unter 30. "Aber die interessieren sich kaum mehr dafür. Die sitzen lieber vor dem Computer."www.longinus.at

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