Zweiter Schuldspruch nach Akademikerball-Krawallen

Kein zweiter Fall Josef: Der 43-jährige Angeklagte schlug mit einer Fahnenstange auf eine Polizistin ein – und entschuldigte sich dafür.
Sechs Monate bedingt: Demonstrant verletzte Polizistin, aber es war kein Landfriedensbruch.

Hüseyin C. ist nicht Josef S. Beim Prozess gegen den deutschen Studenten war die Solidarität gewaltig. Vor dem Wiener Landesgericht harrten Sympathisanten aus. Und der Aufschrei war groß, als der 23-Jährige wegen Landfriedensbruches (nicht rechtskräftig) bei den Krawallen rund um den Akademikerball verurteilt wurde.

Auch Hüseyin C. wirft der Staatsanwalt Landfriedensbruch vor. Auch er saß in Untersuchungshaft. Doch vor dem Gericht ist es ruhig, das Polizeiaufgebot überschaubar. Die Plätze im Saal sind zwar voll – doch von breiter Empörung ist wenig zu spüren. Nur als eine Zuhörerin mehrfach Unmutsäußerungen tätigt, fordert sie der Richter auf, den Saal zu verlassen. "Ich gehe nicht", erklärt die Frau. Die Polizei muss sie hinaustragen.

Politisch verfolgt

Der 43-jährige Angeklagte ist ein politischer Mensch. In seiner Heimat Türkei verbüßte der Kurde eine mehrjährige Freiheitsstrafe. In Österreich wurde er als politisch verfolgter Flüchtling anerkannt. Und auch in Wien, wo er nun lebt, blieb er politisch. Beim Akademikerball nahm er an einer Gegendemo teil. Beim Burgtheater stoppte eine Sperrkette der Polizei den Demozug. Daraufhin gingen Demonstranten auf die Beamten los. Auch Hüseyin C. attackierte eine Polizistin mit einer Fahnenstange. Sie wurde verletzt. "Das tut mir leid", sagt er vor Gericht. Und als die betroffene Polizistin aussagt, zückt Anwältin Nadja Lorenz prompt die Geldbörse und übergibt 300 Euro Schmerzensgeld.

Der Angeklagte konnte nach der Akademikerball-Demo nicht gleich ausgeforscht werden. Doch er tauchte wieder auf – und zwar bei der Demo gegen den Marsch der Identitären im Mai. "Da war er einer der Rädelsführer. Er stand in der ersten Reihe, als die Polizisten beschimpft und provoziert wurden. Er hat mit Steinen geworfen", wirft ihm Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter vor. "Kieselsteine waren das", sagt der Angeklagte.

Beim Marsch der Freiheit im Juni erkannten ihn zivile Beamte – die WEGA nahm Hüseyin C. fest. Ein Beamter verletzte sich dabei am Finger.

Hüseyin C. wird vom Vorwurf des Landfriedensbruchs freigesprochen. Übrig bleibt die schwere Körperverletzung an der Polizistin und der Widerstand gegen die Staatsgewalt. Macht sechs Monate bedingte Haft; nicht rechtskräftig.

Die Stadt Wien wird im kommenden Jahr erstmals einen "Ball der Wissenschaften" ausrichten. Das Fest findet am 31. Jänner 2015 - und damit genau einen Tag nach dem umstrittenen Akademikerball - statt, teilten Bürgermeister Michael Häupl und Wissenschaftsstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (beide SPÖ) am Montag mit. Auf der Ball-Website verspricht man "Spaß mit Anstand" und "Tanz mit Haltung".

Mit der Veranstaltung, die im Rathaus stattfindet, "soll die ebenso enge wie selbstverständliche Beziehung zwischen der Wissenschaftsgemeinschaft und der Stadt auch einer breiten Öffentlichkeit im In- und Ausland verdeutlicht werden", wird Häupl in einer Aussendung zitiert. Man wolle sich bei Wissenschaftern und Forschern für deren Beitrag "zum gesellschaftlichen Klima und zum intellektuellen Kapital, zu einer Kultur der Aufklärung und einer Atmosphäre der Weltoffenheit, kurzum zum toleranten Geist dieser Stadt" bedanken.

Karten kosten laut Homepage 80 Euro, Studierende zahlen 25 Euro. Als Vorsitzender des Ballkomitees fungiert Oliver Lehmann, Chef des Klubs der Wissenschaftsjournalisten. Er will den Ball als weiteren Schritt zur Vernetzung und Positionierung Wiens als internationale Wissensstadt verstanden wissen.

Die Idee eines Balls der Wissenschaften hatten Häupl und Mailath-Pokorny erstmals Ende März bei der Klubklausur der Rathaus-SPÖ im burgenländischen Rust aufs Tapet gebracht. Letzterer wollte die Sache damals nicht als Konkurrenzveranstaltung zum Burschenschafterball bezeichnen, betonte jedoch, dass man schon zeige wolle, "dass Akademiker-Sein in Wien mehr bedeutet als Rückwärtsgewandtheit und dass der Titel Akademiker nicht einer ist, den sich die rechten Burschenschafter und die FPÖ allein auf die Fahnen heften können".

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