Zwei Biedermeier-Häuser fallen der Spitzhacke zum Opfer

Zwei Biedermeier-Häuser fallen der Spitzhacke zum Opfer
Äußere Mariahilfer Straße: Eine rechtliche Finte ermöglicht den Bau von Luxuswohnungen

Errichtet noch vor dem Revolutionsjahr 1848, bilden die beiden Häuser in der äußeren Mariahilfer Straße 166-168 eines der letzten verbliebenen spätbiedermeierlichen Ensembles der Stadt.

Dennoch wird das Gebäude nun abgerissen – um Platz zu machen für Luxuswohnungen. „Stadtoase“ heißt das Projekt, bestehend aus 50 Eigentumswohnungen mit bis zu 135 m² und großzügigen Freiflächen.

Zwei Biedermeier-Häuser fallen der Spitzhacke zum Opfer

Dass der Abriss überhaupt möglich ist, verwundert. Gab es doch 2018 eine Novelle der Wiener Bauordnung, gemäß der vor 1945 errichtete Gebäude nur mehr nach behördlicher Bewilligung abgerissen werden dürfen. Damit soll die fortlaufende Zerstörung historischer Bausubstanz verhindert werden.

Mit einem Kniff gelang es aber dem Eigentümer, die Neuregelung zu umgehen. Im Juni 2018, wenige Tage vor dem Inkrafttreten der Verschärfung, begann er mit dem Abschlagen des historischen Fassadenschmucks. Zwar verhängte daraufhin die Baupolizei einen Baustopp, doch der Eigentümer ging dagegen gerichtlich vor.

Gericht entscheidet

Zunächst gab das Gericht noch der Stadt recht, schließlich setzte sich der Eigentümer aber letztinstanzlich durch. Mit dem Argument, dass der Abriss ja bereits vor Inkrafttreten der Novelle begonnen habe und somit nicht bewilligungspflichtig gewesen sei, schildert man im Büro von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ). „Wir haben alles getan, um die beiden Gebäude zu retten, aber an die Entscheidung des Gerichts müssen wir uns halten“, sagt eine Sprecherin. Sie spricht von einem „speziellen Fall“, der nicht bedeuten würde, dass die Novelle zahnlos sei.

Gaal befindet sich in Heimquarantäne

Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ)

Tröstlich in der Causa sei, dass der Neubau sehr energieeffizient und nach ökologischen Kriterien errichtet werde, sagt die Sprecherin der Stadträtin.

Seitens des Bauträgers Avoris, der 2015 die Häuser gekauft hatte, war am Freitagnachmittag niemand erreichbar. Das Unternehmen gab jedoch im Vorjahr eine schriftliche Stellungnahme ab, als eine Petition gegen den Abriss im Gemeinderat behandelt wurde.

Neubau statt Sanierung

Darin verweist man auf den hohen Anteil an Wohnungen, „die nicht mehr den heutigen Wohn-Bedürfnissen entsprechen“. Detail am Rande: Ursprünglich war kein Neubau, sondern eine Sanierung mit Dachgeschoß-Ausbau geplant gewesen.

Die „hohe Leerstandsquote und die intensive Auseinandersetzung mit dem Projekt“ hätten dann aber „die unübersehbaren Vorteile eines Neubaus“ in den Vordergrund gerückt. Etwa die höhere Wohnraumqualität und -quantität. Gegenüber den Kritikern betont man: Man habe sich „enorm bemüht“, ein stimmiges Arrangement zu entwerfen.

Strengere Auflagen
Gebäude, die vor 1945 errichtet wurden, dürfen seit Juli  2018 erst nach einer Prüfung durch die MA 19 (Stadtgestaltung) abgerissen werden. Nur wenn die Behörde das Haus als nicht erhaltenswürdig einstuft, darf es geschleift werden

Umgehung
Kurz vor Inkrafttreten der Novelle kam es noch  zu zahlreichen Hausabrissen, um die Neuregelung zu umgehen

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