Mit ihren beiden jüngeren Schwestern Melanie und Lisa will sie das Erbe ihrer 2022 verstorbenen Mutter gerne fortführen: „Sie hat ja ihrer Kundschaft stolz erzählt, dass ihre Töchter übernehmen. Wir kämpfen ums Überleben.“
Pandemie, monatelange Baustellen vor dem Eingang, zudem die Konkurrenz der Lebensmittelketten rund um den Spitz: Schwester Melanie, die sich um die Buchhaltung akribisch kümmert, hat zum Monatsende schon öfters den Zeigefinger heben müssen.
Süßes für den 21. Bezirk
Eine Stammkundin betritt mit Vorfreude den mit viel Liebe bestückten Verkaufsraum. „Es soll was Süßes zum Schenken in der Adventzeit werden“, eröffnet sie. Und auch da gibt es einiges. Zum Beispiel selbst bestückte Bonbonnieren oder nostalgischer Schoko-Behang für den Christbaum, in der Form von bunt eingepackten Papageien, goldenen Geigen oder silbernen Mandolinen.
Zudem ist wieder „Dubai Schokolade“ eingelangt. „Die ist derzeit in aller Munde und hat auch unser Geschäft angekurbelt“, freut sich Bropst.
Ihre Kundin ist bereits 88 Jahre alt und erzählt, dass der Besuch eines Zuckerlgeschäfts in ihrer Kindheit noch so gut wie nicht finanzierbar war. Umso mehr genießt sie heute ihren Einkauf: „Hier habe ich immer auch eine persönliche Ansprache.“
Eine andere Kundschaft erzählt, dass sie 1956 „zum Leidwesen meiner Familie“ nach Floridsdorf gezogen ist. Doch siehe da, auch im 21. Bezirk mögen die Menschen Süßes: „Damals konnte man im Zuckerlgeschäft noch um einen Schilling was kaufen.“
Ein Favoritener reist sogar vom zehnten Bezirk an: „Wegen des Schichtnougats. Den hat kein Supermarkt.“
Jüngere Menschen geben sich in der „Dropsboutique“, wie das Zuckerlgeschäft seit jeher genannt wird, jedoch nur selten die Klinke in die Hand: „Viele wissen nicht, was sie bei uns erwartet“, so die drei Floridsdorferinnen aus Strebersdorf. Und: „Viele Menschen im Bezirk haben von uns noch nie gehört.“
Gerne erzählen die drei vom Elan ihrer Mutter, als sie 2014 das Zuckerlgeschäft an der Haltestelle der Tramlinie 26 übernommen hat: „Sie war gelernte Konditorin und wollte immer ein eigenes Geschäft führen. Für sie war es eine Herzensangelegenheit.“
Doch die Bedingungen für Kathrin, Melanie und Lisa sind nicht leichter geworden: In der Floridsdorfer Hauptstraße, in der Brünner und in der Prager Straße haben unzählige Fachgeschäfte zugesperrt. Dafür fehlt es nicht an Kebab-Lokalen, an Barber- und an Ein-Euro-Shops.
Vegane Schokolade
Kathrin Bropst eröffnet: „Mir würde es das Herz brechen, wenn auch wir für immer aufhören müssten.“ Sie glaubt nicht, dass es in diesem Fall noch weiter „Wiener Gebäck“ (aus Schaum) geben wird.
Ein bissl Hoffnung macht das jüngere und durchaus qualitätsbewusste Publikum auf dem nahe gelegenen Schlingermarkt – und auch der noch nicht fertige Umbau des ersten Abschnitts auf der Prager Straße. Künftig soll man dort, so jedenfalls die Idee der Planer, weniger Platz für geparkte Autos vorfinden und mehr gemütliche Zeit in Schattenzonen verbringen.
Vielleicht spricht diese Klientel ja auch die vegane Schokolade mehr an. Deren Gelatine wird aus Agar-Agar, einer Algenart, hergestellt. „Das schon seit Jahrzehnten.“
Zu wenig Fleiß kann man den jungen Frauen übrigens nicht vorwerfen. Ihr Credo: „Wenn die Kunden nicht mehr zu uns kommen, dann kommen wir zu den Kunden, zum Beispiel mit unseren Tischständen in die Wohnhäuser für Senioren.“
Bitte kein Knäckebrot!
Für 100 Gramm Zuckerl zahlt man in der Boutique für Naschkatzen laut Tafel an der Wand 2,40 Euro, für 200 Gramm 4,60 Euro. Daneben hängt übrigens eine zweite Tafel, auf der steht: „Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot! Ich will Schokolade!“
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