Auf Probefahrt mit der neuen Wiener U-Bahn

Das Cockpit des X-Wagen, der neuen Wiener U-Bahn-Generation
Der neue X-Wagen bietet mehr Platz in den Türbereichen und kürzere Wartungsintervalle.

Gemächlich ging es los. Mit 25 Stundenkilometern pilotierte ein Testfahrer der Wiener Linien am Mittwoch die erste, bereits ausgelieferte Garnitur der neuesten Wiener U-Bahn-Generation, Codename: X-Wagen, über ein Betriebsgleis von der Station Stadion bis zur Wiener-Linien-Zentrale nach Erdberg.

Neben dem KURIER und weiteren Medienvertretern an Bord: Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ), Wiener-Linien-Geschäftsführer Günter Steinbauer und Arnulf Wolfram, CEO von Siemens Mobility Austria, dem Hersteller des Zuges.

Regionale Wertschöpfung

Ein "waschechter Wiener" sei der X-Wagen, sagt Hanke. Schließlich werden die Waggons in Simmering zusammengebaut, dadurch bleiben 60 Prozent der Wertschöpfung in Wien, weitere 35 Prozent in der EU. 100 Arbeitsplätze sichert das laut dem für die Wiener Linien zuständigen Stadtrat in der Bundeshauptstadt.

34 Züge à sechs Waggons sollen bis 2030 geliefert werden, zusätzlich gibt es eine Option auf elf weitere Züge. Auftragsvolumen: 550 Millionen Euro.

Auf Probefahrt mit der neuen Wiener U-Bahn

Stadtrat Hanke ließ sich von Wiener-Linien-Chef Steinbauer das Cockpit des X-Wagens erklären

Darüber freut sich naturgemäß auch Wolfram, doch nicht nur aufgrund dieses Auftrags. Denn: "Wenn man internationale Großprojekte gewinnen möchte, braucht man eine starke Heimbasis."

Name gesucht

Die Kundschaft dieser Heimbasis wird unterdessen in die Suche nach einem griffigeren Namen eingebunden. Ab sofort kann auf der Webseite der Verkehrsbetriebe abgestimmt werden, wie der X-Wagen künftig heißen soll. Zur Auswahl stehen Xaverl, Xandi, Xyla, FeliX, MaXi und Xenia. Man hängt am X, so scheint es.

Viel wichtiger ist aber ohnehin, welche Verbesserungen die neuen Züge bringen - und deren gibt es einige. Als Passagier fällt vor allem das deutlich ausgebaute Platzangebot in den Türbereichen auf. Das soll das Leben derjenigen erleichtern, die mit Rollstühlen, Kinderwagen oder Großgepäck unterwegs sind. Auch ein paar längs der Fahrtrichtung angebrachte Sitze gibt es erstmals in der Wiener U-Bahn.

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Lichtleisten neben den Türen sorgen für zusätzliche Sicherheit

Das kostet freilich ein paar Sitzplätze: 200 statt 260 gibt es in den neuen Zügen. Die Gesamtkapazität steigt jedoch von 882 auf 928 Fahrgäste.

Diejenigen mit vorrangigem Sitzbedarf dürfen sich darüber freuen, dass die für sie vorgesehenen Plätze neben dem Türbereich jetzt blau gefärbt sind. Das soll dazu führen, dass diese Sitze auch besser von den regulären Plätzen zu unterscheiden sind.

Echtzeit-Informationen

Eine weitere Neuerung, für Steinbauer vielleicht sogar die augenscheinlichste, findet sich über den Türen. Anstatt der altbekannten Netzpläne auf Papier hängen hier nun digitale Informationsdisplays, die auch über die nächsten Anschlüsse in jeder Station Auskunft geben werden. Bei der Probefahrt waren diese aber leider noch nicht in Betrieb.

Auch WLAN für die Passagiere soll es laut Steinbauer "zu 99 Prozent" geben.

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Sie sehen, dass Sie nichts sehen

Klare Vorteile bringen die neuen Garnituren aber auch für das Wartungspersonal der Wiener Linien. Die laufende Übermittlung von Diagnosedaten soll Wartungs- und damit Stehzeiten der Züge deutlich reduzieren. "Wenn in Zukunft ein Zug in die Werkstatt kommt, weiß man dort nicht nur, die Türe ist kaputt. Sondern man weiß bereits, es ist konkret der Türmotor kaputt", erklärt ein Mitarbeiter.

Aber auch der eigentliche Betrieb soll durch die vorausschauende Technik störungsfreier werden, ergänzt Siemens-Mobility-Chef Wolfram.

Klimaschutz

Durch all das werden im Vergleich zu den Vorgängermodellen schließlich weniger Garnituren benötigt. Das spart Ressourcen und schon damit nicht nur das Budget der Wiener Linien und damit am Ende der Stadt, sondern vor allem Klima und Umwelt. Ebenso wie die Verwendung von 90 Prozent recycelbaren Materialien und umweltschonende Produktion, etwa durch eine besonders effiziente Lackieranlage in Simmering.

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Die Frontscheinwerfer bilden leider kein X

Wichtige Punkte für die Wiener Linien. "Im Wesentlichen ist ja für die Zukunft alles der Klimafrage unterzuordnen", sagt Geschäftsführer Steinbauer. "Und je komfortabler und sicherer die Fahrzeuge sind, umso mehr Menschen können wir auch zum Umstieg vom Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr ermutigen."

Testbetrieb bis Jahresende

Die Öffentlichkeit soll geplant ab dem kommenden Jahr in den Genuss der ersten Garnituren des X-Wagens kommen. Bis dahin wird der Zug noch auf Herz und Nieren getestet. "In etwa mit Jahresende" sollen alle Tests absolviert sein, sagt Steinbauer, "da sind wir sehr gut im Plan".

Mit Jahresende wird auch ein zweiter Zug ausgeliefert, beide sollen dann auf den Linien U1 bis U4 eingesetzt werden. 2022 folgen fünf weitere Züge, danach jeweils vier pro Jahr bis 2030. Die letzten Silberpfeile sollen irgendwann zwischen 2030 und 2040 außer Dienst gestellt werden.

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Die neuen Garnituren bieten deutlich mehr Platz

Zu diesem Zeitpunkt sollten die X-Wagen freilich bereits längst eine neue Ära der Wiener U-Bahn eingeläutet haben. Ab 2026 sollen sie im fahrerlosen Betrieb auf der U5 zwischen Karlsplatz und Frankhplatz unterwegs sein.

Auf den Blick nach vorne in den Tunnel dürfen sich die Passagiere jedoch bereits ab dem kommenden Jahr freuen: Der Fahrstand ist nämlich künftig nur mehr durch eine transparente Scheibe abgetrennt.

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