Am Würstelstand: „Nachts sind die Leute lässiger“

Der Würstelstand am Südtiroler Platz, gleich beim Busbahnhof, ist eine Institution bei Nachtschwärmern aus dem 4. und 10. Bezirk. Er ist mit der U-Bahn ebenso gut zu erreichen wie mit dem Auto (Parkplätze vorhanden!) und hat täglich bis vier in der Früh offen – wobei das nur ein Richtwert ist. „4 Uhr ist Minimum. Der Rest ergibt sich“, sagt Marcus Kreuzinger, 49, der hier seit 23 Jahren Würstel und Bier verkauft.
Marcus – bleiben wir beim Vornamen, am Würstelstand sind ja alle per Du – arbeitet fast nur in der Nacht, weil die Leute da „viel lässiger“ sind. „Am Tag sind die Leute so stressig, die Mittagspause ist zu kurz.“ Außerdem haben die Tageskunden manchmal ziemlich ausgefallene Wünsche: „Da kommt so einer mit Krawatte und will die Frankfurter aufgeschnitten haben, damit er sie nicht in die Hand nehmen muss! So was gibt’s in der Nacht nicht – außer für Kinder und Frauen.“
Das meiste Geschäft ist unter der Woche von elf bis zwei, am Wochenende bis vier, fünf. „In der Zeit ist praktisch ständig was zu tun, da kommst du nicht mehr zu viel Luft.“
Nach Art des Hauses
Am besten geht Käsekrainer „nach Art des Hauses“: mit Ketchup, frisch gehacktem Zwiebel, Curry und Cayennepfeffer. Grundsätzlich gebe es keine schlechten Würste, erklärt Marcus, nur schlechte Zubereitung. „Du musst dich um die Würstel kümmern.“
In der Innenstadt hat Marcus unlängst einen Würstelstand gesehen, wo 80 Käsekrainer auf der Grillplatte lagen. „Wann, glaubst du, verkauft der die achtzigste? I möcht s’ ned kriegen.“
Was die Qualität betrifft, hat Marcus ein eisernes Prinzip: „Was ich selbst esse, kann ich guten Gewissens jedem Kunden verkaufen. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass ein Pfefferoni komplett letschert ist und ich den nicht essen würde, gebe ich ihn weg.“
Marcus selbst isst kaum noch Würste, er hat in seinem Leben wahrscheinlich schon zu viele verdrückt. Was er stattdessen isst? „Noodle House, Pizza, Schnitzel – alles!“
Kunde ist Kunde
Am Südtiroler Platz gibt’s neben Würsteln auch Beef-Burger – „weil die ohne Schwein sind, und wir für die anderen Leut’ auch was anbieten wollen. Die Würstel sind alle aus Schweinefleisch, und dann war nimmer viel Alternative da – außer Pommes und unser hausgemachter Kartoffelpuffer, der sehr gut geht. Wir haben es auch mit Rinderwurst probiert, aber die ist zu trocken.“
Eine andere eherne Regel von Marcus lautet: Die Kunden sind alle gleich. Der frühere Austria-Tormann Franz Wohlfahrt war ebenso schon bei ihm wie Dagmar Koller, Mausi und Richard Lugner. „Aber Kunde ist Kunde, für mich sind die alle gleich. Hallo, griaß eich, fertig. Die Conchita wollte sogar ein Foto mit mir machen, ich habe abgelehnt.“ Nur mit Ottfried Fischer hat er sich fotografieren lassen, weil „dem seine Serien hab ich mir immer gern angeschaut“.
Krokodü und Glasaug
Dass der Würstelstand vom Kebabspieß verdrängt werden könnte, glaubt Marcus nicht. Er sieht das gelassen: „Wer a Käsekrainer will, geht auf a Käsekrainer, wer a Kebab will, geht auf a Kebab. Aber wenn die Ware gut ist und ein bissl ein Wiener Schmäh dabei ist, werden die Leut’ immer zum Würstelstand kommen.“
Gibt es eigentlich tatsächlich lustige Gäste, die eine „Eitrige“ bestellen, wenn sie eine Käsekrainer wollen? Ja, viele, sagt Marcus. „Sie bestellen auch G’schissenen (Senf), ein Krokodü (Gurke), ein 16er Blech (Bierdose) und das Glasaug (Perlzwiebel).“
Und nein, das seien keine Touristen, die das in einem originellen Reiseführer gelesen haben, sondern echte Wiener. „Die haben aber meistens schon ein Damenspitzerl. Sie machen sich halt einen Spaß, oder sie wollen testen, ob ich weiß, was sie da bestellen.“ Zufälligerweise weiß er es.
Mehr oder weniger alkoholisiert sind nachts am Würstelstand viele. Probleme gebe es deshalb aber keine. Das liegt an der natürlichen Autorität, die Marcus ausstrahlt. „Die kennen mi, und ich kenne sie. Sind die B’soffenen brav, bin i a brav.“
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