Wohnungslosigkeit: Jedes Bett schafft Perspektiven

Wohnungslosigkeit: Jedes Bett schafft Perspektiven
Die Zahl der Frauen, die sich Hilfe suchend an die Caritas wenden, steigt: Ihnen droht der Verlust des Zuhauses – oder sie haben bereits keines mehr.

In ihrer Familie stand Gewalt an der Tagesordnung, ebenso wie später in ihrer Ehe. „Während einer Reha habe ich dann den Entschluss gefasst, mit meinen Kindern auszuziehen“, erzählt Anita Antunovic. Wohin, das wusste sie nicht, für eine eigene Wohnung fehlte das Geld. Zunächst kam sie bei ihrer Schwester, dann bei einer Freundin unter – bis sie einen Platz im Haus Immanuel, einem Übergangswohnhaus der Caritas für Frauen mit ihren Kindern, bekam.

Seit Jänner ist Antunovic Peer-Mitarbeiterin bei der Caritas in der Sozial- und Rückkehrberatung. Sie arbeitet mit Frauen, die sich in einer ähnlichen Notlage befinden, wie sie selbst vor wenigen Jahren. Und davon gibt es Tausende in Österreich, wie die Caritas der Erzdiözese Wien am Dienstag bei einer Pressekonferenz betonte. Allein im Vorjahr wandten sich mehr als 22.000 Frauen an sie – an die Frauenberatungsstelle, an die Mutter-Kind-Häuser, ans Frauenwohnzentrum oder auch an das Haus Miriam in Währing.

Wohnungslosigkeit: Jedes Bett schafft Perspektiven

Maja Markanovic-Riedl, Leiterin Haus Miriam, Elisabeth Pichler, Leitung Winternothilfe, Doris Schmidauer, Anita Antunovic, Peer-Mitarbeiterin Sozial- und Rückkehrberatung und ehemals Betroffene.

Anfragen gestiegen

Wohnungslosigkeit betrifft auch Frauen, aber oft ist sie bei ihnen „unsichtbar“. Ein Drittel der Klienten der Wiener Wohnungslosenhilfe ist weiblich. Frauen würden aber selten auf Parkbänken schlafen, erklärt Maja Markanovic-Riedl, Leiterin vom Haus Miriam. „Viele pendeln von Couch zu Couch, oft begeben sie sich in Abhängigkeit und in gewaltvolle Beziehungen. Denn jeder Frau ist klar, dass das Leben auf der Straße für sie gefährlich ist“, so Markanovic-Riedl. Umso dringender sei Hilfe gefragt.

Seit Pandemiebeginn ist laut Caritas die Zahl der Anfragen gestiegen. Allein bei der Sozialberatung gab es heuer von Jänner bis September einen zehnprozentigen Anstieg. „Gerade in der Krise haben wir gesehen: Armut hat in Österreich sehr oft ein weibliches Gesicht. Frauen waren häufiger als Männer von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen. Und bestehende Ungleichheiten wurden in der Pandemie verschärft“, betont Doris Schmidauer, Ehefrau von Alexander Van der Bellen, die sich seit Jahren bei der Aktion „wirtun“ für Frauen in Not engagiert.

In den Caritas-Einrichtungen gibt es aktuell 279 Plätze für Frauen im Bereich Übergangswohnen, hinzu kommen die Notschlafstellen – 400 Frauen nutzten im Vorjahr die Gruft.

Wintermodus

Die Stadt Wien habe in den vergangenen Jahren viel unternommen, um im Rahmen der Wohnungslosenhilfe auch frauenspezifische Angebote sicherzustellen, betont die Leiterin vom Haus Miriam. Aber gerade im Bereich des Übergangswohnens übersteige die Nachfrage das Angebot. „Die Warteliste auf einen Platz für Frauen, die laut Sozialhilfegesetz nicht anspruchsberechtigt sind, ist lang. Sie warten mehrere Monate bis Jahre“, berichtet Markanovic-Riedl über die Situation im Haus Miriam. Damit sich die Frauen erholen können, brauche es ausreichend Wohnraum. „Jedes Bett schafft Perspektiven und kann helfen, auch gewaltvollen Beziehungen zu entkommen.“ Um die Hilfe aufrechtzuerhalten, sei man dringend auf Spenden hingewiesen.

Mit November stockt die Caritas zudem die Betten in den Notschlafstellen für die kurzfristige Unterbringung um 140 auf, 35 Wärmestuben öffnen in den nächsten Wochen und das Streetworkteam steht wieder täglich im Einsatz. Ab 2. November ist das Kältetelefon rund um die Uhr unter  01 / 4804553 erreichbar, Freiwillige werden übrigens noch gesucht. Jede und jeder kann die Nummer wählen, wenn man auf eine obdachlose Person aufmerksam wird. Ziel ist es, dass Sozialarbeiter die Bedürftigen aufsuchen und in Notquartiere bringen.

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