Wiens Bezirksparteien: Ein spätes Comeback – und das Ende einer Ära
SPÖ und ÖVP wählen derzeit ihre Obleute in den Bezirken. Ex-AK-Chef Rudolf Kaske übernimmt die SPÖ Simmering, in Döbling tritt Adi Tiller nach 44 Jahren als ÖVP-Chef ab
Ein Jahr nach der Wien-Wahl sollte in den Parteien Ruhe eingekehrt sein. Möchte man meinen. Doch gerade zuletzt drehte sich das Personalkarussell rasant. Vor allem in den Bezirksfraktionen von SPÖ und ÖVP, wo es zu etlichen Rochaden mit teils prominenter Beteiligung kam. Wer kommt? Wer geht? Ein Überblick.
Gefallen an der Bezirkspolitik gefunden hat der frühere AK-Präsident Rudolf Kaske. Der 66-Jährige wurde zum SPÖ-Parteichef in Simmering gewählt. Davor (seit Anfang 2020) war er nur geschäftsführender Obmann. Mit zwei Aufgaben: Die zerstrittene Bezirkspartei wieder zu konsolidieren und Simmering bei den Wahlen von der FPÖ zurückzuerobern.
Beides ist gelungen: Seit einem Jahr wird der 11. Bezirk wieder rot regiert, aktuell sind keine gröberen Streitereien aus der Partei zu vernehmen. Kaske, der seit dem Vorjahr auch im Gemeinderat sitzt, löst als Parteichef Nationalrat Harald Troch ab.
Nach Jahren in unruhigen Gewässern ist auch die Neuaufstellung der SPÖ Margareten abgeschlossen: Seit Kurzem ist Elke Hanel-Torsch neue Parteivorsitzende im 5. Bezirk. Die gebürtige Kärntnerin ist seit 2013 in der Bezirkspolitik, zuletzt als Klubchefin. Breiter bekannt ist sie als Vorsitzende der Wiener Mietervereinigung.
Hanel-Torsch löst Gemeinderat Stephan Auer-Stüger als Parteichef ab, der das Amt erst 2019 übernommen hatte. Es handle sich aber um einen geordneten Wechsel, wird betont. Auer-Stüger habe die Partei nur vorübergehend führen wollen, um nach den Turbulenzen der vergangenen Jahre wieder Ruhe einkehren zu lassen. Gemeint sind damit die Zerwürfnisse rund um die bis Ende 2020 amtierende Bezirksvorsteherin Susanne Schaefer-Wiery, die wenige Monate vor der Wahl die SPÖ verlassen hatte.
Hacker tritt ab
Einen neuen Parteichef hat die SPÖ am Alsergrund bekommen. Bei der jüngsten Bezirkskonferenz wurde Marcus Gremel mit 85 Prozent gewählt. Der 38-jährige Gemeinderat und Kinder- und Familiensprecher löst einen prominenten Vorgänger ab: Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, der die SPÖ Alsergrund seit 2019 führte. Mögliche interne Unstimmigkeiten als Ursache für den Wechsel werden SPÖ-intern dementiert. Neben seinem Job als Stadtrat, der die Corona-Krise zu managen habe, bleibe einfach zu wenig Zeit für die Parteiarbeit.
ÖVP-Bezirkswahlen
Auch bei der ÖVP gibt es Neuerungen. Nichts Geringeres als das Ende einer Ära steht etwa in Döbling an: Langzeit-Parteichef Adi Tiller – er ist seit 1977 im Amt – tritt nicht mehr an. Es übernimmt Bezirksvorsteher Daniel Resch. Eine Besonderheit. Denn üblicherweise trennen Parteien das Amt des Bezirksvorstehers und des -Parteichefs. Grund: Der Bezirksvorsteher soll sich so besser als „überparteilich“ präsentieren können. Zu den Ausnahmen zählen Georg Papai (SPÖ, Floridsdorf) und Markus Figl (ÖVP, Innere Stadt).
Der ÖVP-Bezirksparteitag in Döbling steht im November an. Schon im Oktober wird bei der ÖVP in Neubau gewählt. Dort stellt sich Christina Schlosser der Wiederwahl. Bekannt ist sie für ihren Kampf für den Erhalt der Schubertlinde – aber auch, weil sie nach der Wahl in einen ÖVP-internen Konflikt verwickelt war. Bei der Frage, welcher türkise Kandidat aus dem Wahlkreis in den Gemeinderat einziehen darf, kam es im Herbst zu einem öffentlich ausgetragenen Mandatsstreit.
Im Dezember kürt die ÖVP Liesing ihren Chef. Amtsinhaber Dominik Bertagnol tritt nicht mehr an, ihm folgt Gemeinderat Patrick Gasselich nach. Gasselich hat sich bei den Themen Gesundheit und Transparenz einen Namen gemacht – und soll die Bezirkspartei nun in ruhigere Zeiten führen.
Zuletzt gab es an der Spitze mehrere – umstrittene– Wechsel, 2016 trat unter anderem deshalb Urgestein Ernst Paleta aus der ÖVP aus und sitzt seither mit eigener Liste im Bezirksparlament.
Parteitag verschoben
Konfliktträchtig geht es in der ÖVP Simmering zu. Der Parteitag wurde abgesagt und auf einen unbekannten Termin verschoben. Offiziell aus „organisatorischen Gründen“. Tatsächlich dürfte die Absage mit Parteichef Wolfgang Kieslich zu tun haben. Kieslich kam zuletzt in die Medien, weil er sich als einziger Wiener Gemeinderat nicht impfen lassen wolle, wie es hieß. Kieslich äußert sich auf KURIER-Anfrage nicht: „Ob ich mich impfen lasse, ist Privatsache.“
Unlängst gewählt hat die ÖVP ihre Chefs in der Brigittenau (Romana Deckenbauer) und in Penzing. Dort wurde Wolfgang Gerstl zum siebten Mal wiedergewählt. Er ist kein Unbekannter: Gerstl war türkiser Fraktionsführer im Ibiza-U-Ausschuss, bevor ihn Andreas Hanger ablöste.
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