Wiener Volkskundemuseum: Barockes Palais in brenzliger Lage
Früher war hier ein Lusthaus samt Garten. Doch diese lustvollen Zeiten hat das heutige Gartenpalais Schönborn hinter sich. Das erkennt man schon von Weitem.
Die Fassade ist nicht nur dreckig, sie bröckelt ab. Teilweise ist der Putz heruntergeschlagen. Wer drinnen genauer hinschaut, bemerkt feuchte Wände. Und das Dach, „das ist ein Desaster“, sagt Matthias Beitl.
Beitl ist der Direktor des Volkskundemuseums, das seit dem Jahr 1917 in dem Palais an der Ecke Laudongasse/Lange Gasse im 8. Bezirk beheimatet ist.
Seit Beitl inhaltlich für das Museum zuständig ist, hat es einen wahren Modernisierungsschub erfahren. Volkskunde – das klingt nach rostigen Löffeln und modrigem Gewand.
Dabei geht’s im Wiener Volkskundemuseum auch um aktuelle, gesellschaftliche Themen: um Protest, Feminismus, die Auswirkungen der Corona-Pandemie. „Those were the days“ hieß etwa eine Ausstellung im vergangenen Sommer. Zu sehen waren Band-Shirts und Festival-Pässe – aus der Zeit, in der Konzertbesuche noch erlaubt waren.
Filme und Kaffee
Auch abseits des Museums hat sich das Haus einen Namen gemacht. Im Sommer findet im Hof das Kurzfilmfestival „Dot Dot Dot“ statt, seit zwei Jahren ist dort auch das beliebte Café Hildebrandt untergebracht.
Erst voriges Jahr hat man den Schanigarten zum angrenzenden Schönborn-Park hin geöffnet.
Darüber, wie gut das Museum inhaltlich aufgestellt ist, gibt es keinen Zweifel. Und eigentlich auch nicht daran, dass das Haus dringend saniert werden muss.
Praktisch alle politischen Parteien auf allen Ebenen – vom Bezirk bis zum Bund – nehmen sich der Causa Palais Schönborn fast schon regelmäßig an. „Allen ist klar, dass etwas passieren muss“, sagt Beitl.
Seit Jahren ist die Sanierung des Palais’ schon ein Thema, die bis dato letzte fand in den 1980er-Jahren statt. Dass seither nichts passiert ist, hängt vor allem mit den Zuständigkeiten für das Haus zusammen: Eigentümerin des Gebäudes ist die Stadt Wien, konkret die MA 34 (Bau- und Gebäudemanagement).
Gefördert wird das Museum aus Mitteln des Bundes und betrieben wird es vom Trägerverein des Museums.
Nun hat sich die Wiener ÖVP des Themas angenommen und eine Anfrage an die für das Gebäude zuständige Stadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) gestellt.
Man wollte wissen, wann Gaal „konkrete Schritte“ für die Sanierung plane, warum in den vergangenen Jahren nichts passiert sei und weshalb man für die Sanierung nicht Mittel aus der vom Bund zur Verfügung gestellten Gemeindemilliarde verwende.
Auch einen Seitenhieb kann man sich nicht verkneifen. Denn während im Abkommen der türkis-grünen Bundesregierung das Volkskundemuseum tatsächlich wörtlich erwähnt wird (auf Seite 48 heißt es, man wolle eine „zukunftsweisende Lösung zwischen Bund, Stadt Wien und Trägerverein“ finden, um das Museum „abzusichern und in die Zukunft zu führen“, Anm.), findet sich im Koalitionspakt der rot-pinken Wiener Stadtregierung nichts dergleichen.
Kostenklarheit
Dass Mittel aus der Gemeindemilliarde nicht in Anspruch genommen werden, erklärt Gaal in der Beantwortung damit, dass ein Baustart wohl heuer nicht mehr möglich sein wird. Und das wäre notwendig, um auf diese Mittel zugreifen zu können.
Derzeit erstellt die MA 34 eine sogenannte Machbarkeitsstudie über die erforderlichen Sanierungsarbeiten. Diese soll Mitte 2021 vorliegen. Im Anschluss daran soll dann auch eine Kostenschätzung erfolgen.
Zuletzt hatte das Museum die Kosten für eine umfassende Sanierung vor etwa zwei Jahren geschätzt – zwischen 16 und 20 Millionen Euro würde sie demnach verschlingen.
Ein Konzept für die Zukunft des Museums hätte Direktor Beitl jedenfalls schon parat – und zwar eines zur „Attraktivierung des Hauses im Sinne der Stadtteilkultur“:
Beitl will die Ausstellungsräume neu anordnen (damit wertvolle Dokumente nicht feucht werden), Bausubstanz und Haustechnik müssen erneuert werden. Außerdem soll die Gastro-Fläche verdreifacht werden.
Die Gespräche mit allen Beteiligten würden gut laufen, sagt Beitl. Aber: „Jetzt geht’s darum, wer was zahlt – irgendwann kracht uns die Bude sonst zusammen.“
Kommentare