Inhaltlich tun sich allerdings Gräben auf. So ist ein Teil der Listen dem rechtskonservativen oder dem religiös-konservativem Lager zuzurechnen – wie etwa das deutsche „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“ (BIG), während andere Gruppierungen aus Bürgerrechtsbewegungen entstanden oder als links-progressiv einzustufen sind. Als Letzteres bezeichnet sich auch SÖZ.
Meinungsführer beeinflussen Wahlen
Sozusagen die Stars des Treffens waren aber die Vertreter der niederländischen Kleinpartei „Denk“, die mit drei Sitzen in der Zweiten Kammer der Generalstaaten – also dem Gesetzgebungsorgan der Niederlande – vertreten ist und sich selbst als „tolerant“ bezeichnet. Fraktionsvorsitzender Tunahan Kuzu genießt unter Auslandstürken hohes Ansehen und könnte insofern das Ergebnis der Wien-Wahl zugunsten der SÖZ beeinflussen.
Wie sehr Schlüsselpersonen, die einen Vertrauensvorschuss von türkischstämmigen Wählern genießen, für einen Kandidaten zu mobilisieren im Stande sind, hat man zuletzt bei der Nationalratswahl gesehen. Dort übertrumpfte der rote Salzburger Gemeinderat Tarik Mete in Westösterreich punkto Vorzugsstimmen sogar SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, nachdem Opinionleader (wie Hakan Gördü) auf sozialen Medien intensiv die Werbetrommel für ihn gerührt hatten.
Der in der muslimischen Community prominente Kuzu sei punkto Wien-Wahl natürlich „eine starke Referenz“, sagt Gördü. Mit rund 300.000 Muslimen allein in Wien rechnet sich SÖZ daher gute Chancen für die Wahl aus.
"Progressive und Konservative"
Laut Gördü soll das nächste Vernetzungstreffen in Wien stattfinden. Dort will man unter anderem "ein Manifest gegen Rassismus und für Gleichberechtigung" verfassen. Ob sich alle in den Niederlanden anwesenden Migrantenlisten auf einen gemeinsamen Nenner einigen können, darf allerdings bezweifelt werden.
So erregte etwa das eingangs erwähnte BIG 2014 in Niedersachsen Aufsehen, als es mit der Muslimisch-Demokratischen Union (MDU) fusionierte - einer Kleinstpartei, die vom dortigen Verfassungsschutz als demokratiefeindlich und salafistisch angehaucht eingeschätzt wurde. In Berlin sorgte BIG unter anderem mit einem homophoben Flyer für Aufregung in der Kommunalpolitik.
Vom KURIER auf diese Konferenzteilnehmer angesprochen, antwortet SÖZ-Sprecher Gördü: "Es liegt in der Natur der Sache, dass sich als Antwort auf Rassismus progressive und konservative Bewegungen bilden. Wir als SÖZ stehen ganz klar für ersteren Weg."
Für Aufregung in der Zweiten Kammer der Niederlande sorgte allerdings auch schon „Denk“ – und zwar als man bei der Abstimmung, ob der Völkermord an den Armeniern als solcher anzuerkennen sei, Abgeordnete mit Migrationshintergrund, die mit „Ja“ stimmten, filmte und das Video veröffentlichte. (Anmerkung: „Denk“ fordert, den Tatbestand des Völkermordes nicht von Parlamenten, sondern von unabhängigen internationalen Experten beurteilen zu lassen. Die Abstimmung ging 142:3 aus.)
Dazu sagt Gördü: „Ich kenne diese Geschichte selbst nur von Wikipedia. Für die Wien-Wahl ist das aber kein Thema.“
Bissmann könnte in Wien antreten
Nach wie vor nicht fix ist, wer bei der Wien-Wahl als SÖZ-Spitzenkandidat ins Rennen geht. Eine Möglichkeit wäre Gördü selbst. Der ehemalige Vizechef der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), der vor vier Jahren mit der türkischen Innenpolitik gebrochen hat, weil er sich "nur mehr um österreichische Anliegen kümmern" wollte, hält aber auch ein Antreten der ehemaligen Liste-Jetzt-Abgeordneten Martha Bissmann für möglich. Eine Entscheidung könnte im Dezember fallen.
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