Wien will Grundwasser zur Kühlung der Stadt nutzen
Die Stadt prüft, wo das Wasser an die Oberfläche gepumpt werden kann. Die Freilegung verbauter Bäche, um für Kühlung zu sorgen, hält eine Expertin jedoch für völlig illusorisch
In knapp einem Monat bekommt der 7. Bezirk ein neues Gewässer. Diesmal ist es aber kein Pool am Gürtel, sondern ein kleiner Bach, der durch die neu gestaltete Zollergasse fließen wird. Das künstliche Rinnsal speist sich aus dem Hochquellwasser und soll an drückend heißen Sommertagen für etwas Kühle sorgen.
Solche Projekte tauchen neuerdings immer wieder auf, wenn es um die Bewältigung der Folgen des Klimawandels geht. Kein Wunder also, dass auch Rot-Pink im Regierungsprogramm Machbarkeitsstudien für die Errichtung neuer Wasserflächen in Wien vereinbart hat.
Trinkwasser ersetzen
Mittlerweile gibt es schon etwas konkretere Pläne: „Die Idee ist, für solche künstlichen Gewässer nach Möglichkeit auf das Grundwasser zurückzugreifen“, sagt Neos-Planungssprecherin Selma Arapovic zum KURIER. Gemeinsam mit der MA 45 (Wiener Gewässer) soll nun geklärt werden, wo dies technisch machbar ist. So soll verhindert werden, dass nicht allzu viel des kostbaren Trinkwassers aus der Hochquellleitung als Kühlmittel verbraucht werden muss. Dies soll im Wesentlichen nur dort geschehen, wo es aus hygienischen Gründen unumgänglich ist. Etwa bei den Nebelduschen auf öffentlichen Plätzen.
Grundwasser zur Oberflächenkühlung – Verena Winiwarter vom Institut für Soziale Ökologie an der Uni für Bodenkultur kann diesem Konzept durchaus etwas abgewinnen. „Man muss aber im Auge behalten, welchen Aufwand man dafür in Kauf nimmt“, betont sie. Denn es brauche Energie, um das Grundwasser an die Oberfläche zu pumpen, und nichts wäre kontraproduktiver, als wenn diese am Ende aus fossilen Brennstoffen stammen würde.
„Außerdem stellt sich angesichts zunehmender Trockenheit die Frage, wie sehr man in den natürlichen Zyklus des Grundwassers weiter eingreifen darf“, sagt die Expertin. Zumal dieses in Wien auch eine Art eiserne Reserve in der Trinkwasser-Versorgung sei. Angesichts des relativ geringen Verbrauchs sieht Winiwarter die Verwendung von Grundwasser zur Kühlung aber als durchaus vertretbar an.
Weitaus skeptischer beurteilt sie da schon Ideen, die zuletzt ebenfalls Konjunktur hatten: Die Freilegung der Bäche und Flüsse, die im Laufe der Jahrhunderte in den Untergrund verlegt wurden. So hatten die Neos im Wahlkampf dafür geworben, Teile des verbauten Alsbaches wieder oberirdisch zu führen. Zuletzt wurden im Zusammenhang mit der geplanten Markthalle auf dem Naschmarkt-Parkplatz sogar Stimmen laut, die die Entfernung der Wienfluss-Überplattung forderten (siehe unten).
Trügerisches Idyll
Den Urzustand der Gewässer wiederherzustellen, sei aber technisch nicht machbar, betont die Wissenschafterin und Mitautorin des Buchs „Wasser Stadt Wien“. „Die ganzen kleinen Wienerwald-Bäche sind heute ein unersetzbarer Teil des Abwasser-Kanalsystems, in denen sie als Spülwasser dienen“, sagt die Expertin. Würde man die Wiener Bäche wieder in ihren früheren Zustand versetzen, müsste man für die Kanäle Grund- oder gar Trinkwasser verwenden. „Solche Ideen sind also nur sehr oberflächlich und alles andere als nachhaltig.“
Meist würde laut Winiwarter dahinter auch eine völlig romantisch-verklärte Vorstellung von der Vergangenheit stecken. „Dabei diente diese vermeintlich idyllischen Wiener Flussläufe der Bevölkerung als Energiequelle, aber auch als Müllkippe.“ Entsprechend gestunken hätten sie auch. „Doch auf den historischen Bildern vom Wienfluss, der an der Karlskirche vorbeifließt, riecht man das natürlich nicht.“
Ottakringer Bach
Er gehört zu den bekanntesten Wiener Gewässern, die in den Untergrund verlegt wurden. Er entspringt am Gallitzinberg und mündet heute im linken Wienfluss-Sammelkanal
Wienfluss
Ab dem Mittelalter waren hier sehr viele Mühlen angesiedelt. Die Regulierung erfolgte in den 1890er-Jahren
50 Meter lang
ist ungefähr das künstliche Rinnsal, das künftig durch die neu gestaltete Zollergasse fließen wird
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