Es stammt aus der Feder des renommierten Beamten Ernst-Peter Brezovszky, der im ÖVP-geführten Ministerium für UNESCO-Angelegenheiten zuständig ist, in Österreichs UNESCO-Kommission sitzt – und zudem als guter Verbindungsmann zur Wiener SPÖ gilt.
Und Brezovszky wird relativ deutlich: Sobald das Welterbezentrum seine sogenannte „Draft Decision“ – das ist jener offizielle Entwurf, auf Grundlage dessen das Komitee im September entscheiden soll – veröffentlicht, müsse man tätig werden. Der Direktor des Welterbezentrums habe „versprochen“, das Ministerium „vor der Veröffentlichung (...) über den Inhalt in Kenntnis zu setzen“.
Beeinflussen und beobachten
Sollten in der Draft Decision nicht alle Maßnahmen enthalten sein, die Österreich zum Erhalt des Weltkulturerbes gesetzt habe, „wäre auf das Welterbezentrum einzuwirken“, dies zu ergänzen schlägt Brezovszky vor.
Auch heimische NGO, die sich für das Weltkulturerbe engagieren, will das Ministerium im Auge behalten: Sollten diese „falsche Informationen an das Welterbezentrum übermittelt“ haben, „wären diese umgehend zu korrigieren“. Vor allem geht es dabei um die Umweltschutzorganisation „Alliance for Nature“, die gegen den Heumarkt-Bau mobilisiert. Ihr Generalsekretär Christian Schuhböck hat bei der UNESCO bereits dafür plädiert, Wien auf der Roten Liste zu belassen. Das ist dem Ministerium ein Dorn im Auge.
Einen Schritt weiter
Falls sich die Experten des Welterbezentrums nicht beeinflussen lassen, will Brezovszky noch einen Schritt weiter gehen – und an höherer Stelle intervenieren: „Sollte der extreme Fall eintreten, dass das Welterbezentrum in seiner Draft Decision trotz Ersuchen die AT Maßnahmen (österreichischen, Anm.) nicht entsprechend darstellt, wären diese durch AT den Mitgliedern des Welterbekomitees bekanntzugeben.“ Brezovszky ist sich bewusst, dass nicht jeder derartige Einflussnahme gut finden würde – daher sein Nachsatz: „Dies hätte sehr behutsam zu erfolgen.“
➤ Weiterlesen: Finale im Ringen um das Weltkulturerbe
Zuletzt weist er auf eine große Gefahr hin: Nämlich jene, dass „ein oder mehrere Mitglieder des Welterbekomitees auf ein sehr unerfreuliches Faktum hinweisen könnten: seit der Zuerkennung des Welterbestatus 2001 (...) war AT praktisch permanent in Gefahr, den Welterbestatus zu verlieren“. Brezovszky nennt Beispiele: den Bau des Bahnhofs Wien 2002, den Hauptbahnhof 2010, den Heumarkt 2014 – und „akkumulierte negative Effekte“.
Zu erwarten ist die Draft Decision Ende Juni. All das macht jedenfalls deutlich: Im Außenministerium ist man sich des unbedachten Umgangs mit dem Weltkulturerbe, den die Stadt Wien seit jeher an den Tag legt, bewusst. Man steht damit im Widerspruch zur Linie der Stadt, die stets kalmierte, bevor sie die öffentliche Kommunikation zum Heumarkt ganz einstellte. Der Welterbe-Verantwortliche der Stadtregierung, SPÖ-Landtagspräsident Ernst Woller, hat (entgegen seinen Versprechungen) bis heute nicht einmal den Letztentwurf des Hochhausprojektes vorgelegt.
Knalleffekt
Zum Knalleffekt kam es am Freitag an einer anderen Front: Die Wertinvest von Michael Tojner, die das Projekt verantwortet, kündigte an, nun doch von sich aus ein Feststellungsverfahren bezüglich einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durch den Magistrat durchführen zu lassen. Dabei handle es sich um eine Vorprüfung, ob eine eigentliche UVP für das Bauprojekt notwendig ist.
„Alliance for Nature“ setzt sich seit geraumer Zeit für die UVP ein, befasste zuletzt sogar den Europäischen Gerichtshof mit der Causa – und sah sich (der KURIER hat berichtet) durch dessen Urteil bestätigt.
➤ Weiterlesen: Heumarkt - EuGH-Urteil könnte zu UVP-Prüfung führen
Nach dem Urteil aus Luxemburg hätte am Montag am Verwaltungsgericht weiterverhandelt werden sollen. Laut Wertinvest wurde der Termin wegen der Entscheidung für das Feststellungsverfahren abberaumt.
„Wir sind zuversichtlich, dass mit der damit geschaffenen Klarheit eine rasche Entscheidung zur Umsetzung des Heumarkt-Projekts getroffen werden kann“, heißt es aus der Geschäftsführung. Wie viel Zeit das UVP-Feststellungsverfahren in Anspruch nehmen wird, konnte oder wollte man bei der Wertinvest auf Nachfrage vorerst nicht einschätzen.
„Alliance for Nature“ fühlt sich dadurch bestätigt: „Die Projektbetreiberin hat knapp vor der Gerichtsverhandlung den Schwanz eingezogen“, so Schuhböck.
Kommentare