Aufstieg und Fall des Heumarkt-Areals
Vecsei muss es wissen. Als kleiner Knirps 1956 aus Ungarn geflüchtet, erlebte er als Spross der „Gmoakeller“-Familie hautnah Aufstieg und Fall des Heumarkt-Areals mit.
So berichtet er, dass er sich einst als Volksschüler zum Ring davongestohlen hat – die besagte Direttissima zwischen Konzerthaus und Heumarkt-Tribünen nützend –, um sich dort in der Tramway durch Witzeerzählen etliche Schillinge zu verdienen; oder wie sich bei Catcher-Events Hundertschaften drängten, dann die Tore des Durchgangs zugingen und von strengen Polizisten bewacht wurden, wobei besonders Schlaue mit Spiegeln auf langen Stangen von außen Einblicke zu erhaschen versuchten.
Nicht viel besser geht es der Öffentlichkeit heute – denn sind die teilweise mit Stacheldraht versehenen Eisentore zu, kann man den ehemaligen Durchgang nur durch schmale Schlitze erahnen. Gehen sie auf, sieht man allerdings, dass der Weg stellenweise breit genug für zwei nebeneinander parkende Autos ist und jederzeit wieder nutzbar wäre. Wenn man nur wollte.
Bauzonenplan aus 1911 zeigt bereits den Weg
Die ganze Historie dazu ist höchst skurril: So präsentiert Herbert Rasinger, ehemaliger Leiter der Bezirksmuseums Landstraße und Obmann der Initiative Stadtbildschutz, einen Bauzonenplan aus dem Jahr 1911, in dem besagte Durchwegung bereits festgeschrieben ist (und damit rund zehn Jahre nach Eröffnung der Eisfläche).
„Diesen Weg hat es also immer gegeben, wie auch historische Luftbilder belegen“, sagt Rasinger.
Doch dann kam das Hotel
Doch dann kam der Bau des Hotel Intercontinental (1964 eröffnet) und mit ihm nicht nur eine Stadtbilddiskussion ähnlich dem Heumarkt heute – Friedrich Achleitner prägte den Begriff „Masse ohne Maß“ –, sondern auch das jähe Ende für diesen Durchgang.
Und dann passierte typisch Wienerisches: 1990 erinnerten sich die roten Stadtväter unter Helmut Zilk wieder dieser 80 Meter langen Fußverbindung und beschlossen in Plandokument 6107, dass „ein mindestens 5 m breiter öffentlicher Durchgang herzustellen und zu dulden“ ist. Freilich bloß auf dem Papier.
Und so wiederholte sich 2002 in der SP-Alleinregierung unter Michael Häupl das Schauspiel – diesmal verlangte der Flächenwidmungsplan nur noch einen Durchgang mit „3,0 m Breite und 3,5 m Höhe“. Doch wieder passierte nichts.
"Duldung eines Durchgangs"
Ehe dann 2017 unter Rot-Grün der derzeit gültige Plan mit dem Hochhausprojekt beschlossen wurde und wiederum „Errichtung und Duldung eines 5,0 m breiten öffentlichen Durchgangs“ festgelegt wurde. Gemäß „städtebaulichem Vertrag“ muss nun allerdings der Investor – sprich: Michael Tojners Wertinvest – dafür aufkommen.
Doch wie ist es möglich, dass der Gemeinderat und damit das höchste Verwaltungsgremium der Stadt bereits 1990 diesen Weg zum Vorteil der Öffentlichkeit beschließt, ihn dann aber nicht umsetzt?
Die MA 21A (Stadtteilplanung) bestätigt, dass „die öffentliche Hand“ den Durchgang hätte errichten müssen – warum dies nicht geschehen ist, bleibt offen. Beim Wiener Eislauf-Verein (WEV) sieht man sich nicht in der Pflicht: Zum einen werde der Weg derzeit als „Lagerfläche“ verwendet, zum anderen wäre „technischer und juristischer Aufwand“ (Entfernung der Zugangstore, Klärung der Haftung) erforderlich. „Vor dem Hintergrund dieser doch komplexen Sach- und Rechtslage ist festzuhalten, dass eine Öffnung dieser Durchwegung daher seitens des WEV nicht geplant ist“, erklärt Generalsekretärin Sandra Holzinger.
Doch wie lange soll die Öffentlichkeit noch warten?
Tojner hielt zuletzt den Baustart 2026 für unrealistisch und bekannte: "Ich bin jetzt 58 Jahre alt. Mit 70 baue ich es nicht."
Rasinger und Vecsei wäre das als Gegner des Turm-Projekts zwar nur recht, gleichzeitig verlangen sie aber, dass jahrzehntealte Beschlüsse endlich umgesetzt werden. „Wenn man will, kann der alte Weg mit einfachsten Mitteln rasch realisiert sein.“ Am liebsten gestern statt erst übermorgen.
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