Wien: Gesamter Volkshilfe-Betriebsrat nach Posting entlassen

Eine angespannte Situation bei Heimhilfen war Ausgangspunkt für den Rechtsstreit
Volkshilfe-Chef wertet Facebook-Eintrag als Rufschädigung. Kommuniziert wird nun vor Gericht.

In der Volkshilfe Wien mit rund 1700 Mitarbeitern rumort es gewaltig. Betriebsrat und Geschäftsführung kommunizieren nur noch über Anwälte miteinander. Oder direkt im Arbeitsgericht Wien. Der Grund dafür sorgt selbst beim Richter für Verwunderung.

Geschäftsführer Otto Knapp wirft dem Betriebsrat Rufschädigung vor. Der Grund ist ein Eintrag des Betriebsrates in einer (geschlossenen) Facebook-Gruppe. Darin wird auf die (wegen Krankenständen) angespannte personelle Situation hingewiesen. Es liege "einiges im Argen" schrieb der Betriebsrat. Als Knapp die Zeile las, entließ er den gesamten Betriebsrat – neun Personen. Am Tag danach wurden acht der neun Entlassungen wieder zurückgezogen. Nur jene gegen Betriebsratsvorsitzende Isabella Haunschmid blieb aufrecht.

Krankenstände

"Wenn das Patienten, Kunden oder die Konkurrenz lesen, müssten sie den Eindruck gewinnen, dass die Volkshilfe nicht imstande ist, die Patientenbetreuung gewährleisten zu können", erklärt Knapps Anwalt. "Es stimmt schon, dass heuer im Jänner viele Krankenstände waren und das ist unangenehm", gibt Knapp zu. Sein Anwalt ergänzt: "Das ist kein Betriebsgeheimnis. Aber das ist eine Rufschädigung des Unternehmens."

Da hakt der Richter nach: "Aber somit haben wir keinen Kündigungsgrund." Und er merkt ebenfalls an, dass sonst in sehr freundlichen Worten über die Geschäftsführung geschrieben wurde. "Glauben Sie, wenn ich sage: ,In unserem Haus ist einiges schlimm’, dass ich ein Disziplinarverfahren bekomm’?"

Im Februar postete der Betriebsrat: "Überall wird der Sparstift angesetzt." Und es war zu lesen: "Dass wir am Zahnfleisch kriechen, interessiert den Generaldirektor einen feuchten Kehricht." Das findet Knapp "nicht gut. Ich habe noch niemanden am Zahnfleisch kriechen gesehen." Haunschmids Anwältin hält dagegen: "Aber es stimmt doch, dass im Gesundheitsbereich überall gespart wird und dass die Heimhilfen mit der Stoppuhr überwacht werden, wie lange sie fürs Waschen brauchen."

Was die Geschäftsführung an den Postings stört: Auch einige Gewerkschafter gehörten der 195-Personen-großen Facebook-Gruppe an.

Mediation schlug fehl

Der Richter hat eine Mediation angeregt – zu der kam es nicht. "Beide Seiten können nicht mehr miteinander. Macht es Sinn, das zu prolongieren?", fragt er. Die Volkshilfe unterbreitet einen Vorschlag zum Unternehmenswechsel: "Es gibt eine rasende Nachfrage in Pflegeberufen... Und wir können uns eventuell eine Abfindungszahlung vorstellen." Doch dieses Angebot schlägt Haunschmid aus. "Ich bin seit 13 Jahren freigestellte Betriebsrätin, bin in der Arbeiterkammer und Landessprecherin für die Gewerkschaft vida. Das wäre mit einem Schlag weg. Das kann man nicht bezahlen."

Eine Einigung ist nicht in Sicht. "Die Situation ist sehr verfahren", stellt der Richter fest. "Aber im Gericht wird’s nur schlechter." Der nächste Termin findet noch im November statt.

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