Lange Schlangen bei Wien Energie wegen hoher Strom und Gas-Rechnungen

Lange Schlangen bei Wien Energie wegen hoher Strom und Gas-Rechnungen
Stadtwerke-Servicestelle überfüllt. "Es herrscht unglaubliches Chaos", sagt Verbraucherschutzverein.

Im ovalen Warteareal der Servicestelle der Wiener Stadtwerke (Spittelau) gibt es kurz vor Weihnachten kaum Sitzplätze. Täglich sollen es 800 Besucher sein. Fast ausschließlich alle Anwesenden haben geöffnete Briefumschläge mit Rechnungen in der Hand. "Über eine Stunde warte ich, obwohl ich Online einen Termin ausgemacht habe", sagt eine ältere Dame.

Per Telefon sei es hoffnungslos. Sie kenne sich nicht mehr aus, warum sie so hohe Beiträge zahlen solle. "Da muss etwas nicht stimmen", sagt sie.

Lange Schlangen bei Wien Energie wegen hoher Strom und Gas-Rechnungen

Stadtwerke-Servicestelle

Bei der U-Bahnstation Spittelau findet man die Service Stelle  der Stadtwerke. Es ist eine Anlaufstelle der Wiener Linien, Wien Energie, Wiener Netze, Wipark, Wiener Lokalbahnen und der  Bestattung Wien.

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Wien-Energie-Termine

Die meisten Besucher kommen derzeit für einen Termin mit Wien-Enerige oder Wiener Netze.

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Wartezeiten

Termine können online vereinbart werden. Trotzdem muss derzeit eine Wartezeit eingerrechnet werden. Viele verstehen nicht, warum sie derzeit hohe Beiträge zahlen.

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Service-Roboter und Sicherheitsmitarbeiter

Für gute Laune soll ein Service-Roboter sorgen: Er bringt die Kunden zum richtigen Schalter, wenn sie ander Reihe sind.  Sicherheitsmitarbeiter sollen hingegen für Sicherheit sorgen.

Vier Sicherheitsmitarbeiter stehen zwischen Warte-Areal und Beratungsbereich. "Gestern hat mich jemand gestoßen", erzählt ein Sicherheitsmitarbeiter einem Besucher. Manche seien verzweifelt, sagt er. Verzweifelt wirkt ein wartender Pizzabäcker. Er wohne seit Kurzem im Gemeindebau mit seiner Familie und zwei Kindern. Der Teilbetrag sei unbezahlbar: "Für drei Monate 1.292 Euro", sagt er.

Das Gesetz zu der angekündigten "Strombreisbremse" heißt Stromkostenzuschussgesetz. Die Förderung soll von 1. Dezember 2022 bis 30. Juni 2024 automatisiert über den Stromlieferanten zur Anwendung kommen. 

Der Staat zahlt also bis zu einem Verbrauch von 2.900 Kilowattstundenen jeweils 30 Cent pro Kilowatt dazu. Das heißt, dass der Kunde im Endeffekt nur 10 Cent (netto) pro Kilowattstunde (mit Umsatzsteuer sind es 12 Cent) zahlen muss. Umstellen müsse man dafür gar nichts, denn der Staat gebe die Förderungen an die Energieanbieter weiter. 

Laut Verbraucherschutzverein sind die Förderungen noch nciht bei den Energieanbietern angekommen. "Die Abwickelung des Zuschusses ist meines Erachtens noch nicht geklärt und schon gar nicht erfolgt", sagt Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein.

Eine andere Dame verleiht ihrer Wut Ausdruck: "Die haben mir einfach 1.200 Euro abgebucht, die Miete konnte nicht abgebucht werden“, sagt sie. Isaac Ryan, der 29-jährige Wirtschaftsstudent hält seine Rechnung in der Hand: "Ich habe den Zählerstand mit der Rechnung kontrolliert und auf der Rechnung steht ein Zählerstand, den ich bislang nie erreicht habe", sagt er.

Früher habe er für drei Monate in seiner 50-Quadratmeter-Wohnung 80 Euro gezahlt. Jetzt sei der Teilbetrag auf 800 Euro gestiegen. "Das kann nicht stimmen", sagt er.

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Hohe Beiträge

"Fast 1.200 Euro für einen Teilbetrag ist zu hoch", sagt ein Besucher.

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Fehlersuche

Der Wirtschaftstuden Isaac Ryan hat einen Fehler in der Abrechnung entdeckt: Der aktuelle Zählerstand sei niedriger als in der Rechnung angegeben, sagt er.

 

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Mittagszeit

Vor allem um die Mittagszeit wird die Warteschlange länger.

Angst vor Weihnachten

"Derzeit herrscht am Energie-Markt unglaubliches Chaos", sagt dazu Peter Kolba, Obmann des Verbraucherschutzvereins. "Die Menschen können ihre Rechnungen weder lesen noch deuten, jetzt vor Weihnachten haben alle Angst", sagt er.

Auch beim Verein gehen Beschwerden ein. Kolba sieht systemische Probleme: bei Falschablesungen, die durch die Firma Ista durchgeführt werden. Außerdem kritisiert er die Regierung für intransparente Kommunikation.

In Österreich gibt es das Recht auf eine Grundversorgung für Strom und Gas (verankert im Elektrizitätswirtschafts- und Gaswirtschaftsgesetz). Wenn einem etwa mit einer Abschaltung gedroht wird, kann man eine Grundversorgung beantragen. 

Der Vorteil: Eine Grundversorgung ist meistens günstiger als der Tarif, der bei einem neuen Vertragsabschluss angeboten wird.

Jeder Anbieter muss im Internet oder sonstwo seine Tarife für die Grundversorgung veröffentlichen. Dabei ist der Arbeitspreis je Kilowattstunde oft deutlich billiger als im normalen Neukundentarif (zum Beispiel: Verbund Strom Normaltarif: Arbeitspreis rd 50 Ct/kWh; Verbund Strom Grundversorgung Tarif: Arbeitspreis rd 15 ct/kWh).

„Der Bundesgesetzgeber sieht keine Beschränkungen vor; jeder Verbraucher oder Kleinunternehmer kann darauf bestehen zu Preisen der Grundversorgung beliefert zu werden,“ sagt Kolb. Mehr dazu hier.

Die ab 1. Dezember angekündigte "Strompreisbremse ist keine Bremse, sondern ein von Steuergeld bezahlter Zuschuss" an die Energieanbieter. Angekündigt wurde, dass man die Unterstützung sofort spüren werde. "Das ist aber falsch", sagt Kolba.

Er befürchtet, dass Energieanbieter noch nicht wissen, wie sie den Zuschuss von der Regierung erhalten werden. Zusätzlich kündigen derzeit kleine Anbieter ihre Kunden. Manche befürchten jetzt, im neuen Jahr ohne Strom und Gas zu sein. Kolba empfiehlt, einen Antrag auf Grundversorgung zu stellen. 

Laut Wien Energie versucht man die Wartezeiten so gut es geht abzufangen: Im letzten halben Jahr wurden die Mitarbeiter um ein Drittel aufgestockt und man suche weiterhin Mitarbeiter, um die vielen Anfragen und individuellen Beratungen zu ermöglichen. Der Zuschuss wird übrigens auch auf der Rechnung explizit ausgewiesen und sollte bei der nächsten Abrechnung zu finden sein.

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