„Wien ist die liebenswerteste Stadt der Welt“ twitterte gestern die Wiener SPÖ. Zusammen mit einem Foto von dem launig lächelnden Bürgermeister Michael Ludwig.
Das „liebenswert“ wurde deshalb hervorgehoben, weil Wien nicht mehr die lebenswerteste Stadt der Welt ist – wie aus dem „Economist Intelligence Unit Ranking“ (EIU) hervorgeht. Und Verlierer findet man meistens irgendwie liebenswert.
Drei Jahre behauptete sich Wien auf dem ersten Platz und rutschte dieses Jahr überraschend auf den 12. Rang ab. Warum das so ist, liegt im Detail. Oder besser: In den Detailzahlen, die dem KURIER vorliegen.
Besser als der Nachbar
Vorab aber ein kleines Zuckerl. Der gelernte (hämische) Wiener kann sich damit trösten, dass man trotz Absturzes immer noch besser ist als der Nachbar Deutschland.
Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf sind nämlich jene Städte, die am meisten verloren. Hamburg stürzte sogar um 34 Ränge ab und ist jetzt nur noch auf Platz 47 zu finden.
Vorwiegend europäische und kanadische Städte verloren diesmal in der Experten-Bewertung Punkte. Dafür gehen sechs der Top-10-Plätze an Neuseeland und Australien.
Der Grund dafür ist die Corona-Krise – und der unterschiedliche Umgang damit. In Auckland, dem Sieger, konnten wegen der geschlossenen Grenzen und den dadurch bedingten niedrigen Corona-Fallzahlen Theater, kulturelle Einrichtungen und Restaurants offenbleiben.
Genau in dieser Kategorie hat Wien am meisten verloren. Im Vergleich zu 2020 gingen hier aufgrund des Lockdown satte 20 Punkte flöten. Die Studie sei außerdem zwischen Februar und März durchgeführt worden – also in der Zeit des harten Lockdown, sagt Ana Nicholls, Industrie-Direktorin der EIU. „Wir erwarten eine schnelle Verbesserung.“
Geschlossene Schulen
Weiterer Punkt: In Auckland durften Kinder trotz Krise weiter zur Schule gehen, weshalb die Stadt auch 100 von 100 möglichen Punkten für Bildung bekam.
Im vom Homeschooling geplagten Wien gab es Abzüge – allerdings ist der Wert mit 91,7 auch noch zufriedenstellend.
Erfreulich sind für Wien hingegen die Daten zum Gesundheitssystem. Im Durchschnitt haben die untersuchten Länder aufgrund der Pandemie fünf Punkte verloren.
Wien blieb aber unbeeinflusst und erhielt von den Experten 100 von 100 Punkten – und ist im Übrigen damit besser als Gewinner Auckland mit 95, 8 Punkten.
Überraschend ist die Bewertung in der Kategorie politische Stabilität. Trotz des Terroranschlags im November konnte Wien die vollen 100 Punkte ergattern.
„Durch die Rolle Österreichs als Migrationsroute bestehe zwar weiterhin die Gefahr von Terroranschlägen, sagt Nicholls. Aber im Vergleich zu anderen Städten wie London sei das Risiko wesentlich geringer.
In einer anderen viel zitierten Studie ist Wien übrigens immer noch amtierender Erster: in der Mercer-Studie. Das ist jene Studie, die sonst immer von (fast) jedem Stadtpolitiker abgefeiert wird.
Die große Kritik daran: Befragt werden nur Expats, also ins Ausland entsendete Fach- und Führungskräfte. Das letzte Mercer-Ranking stammt allerdings aus 2019 – und das wird auch noch eine Weile so bleiben, wie das Beratungsunternehmen bestätigt. Coronabedingt wäre kein Vergleich zu Vorkrisen-Befragungen möglich.
In einer anderen Expat-Befragung, dem Expat City Ranking 2019, wurde Wien jedenfalls zur drittunfreundlichsten Stadt gekürt. Ob das tatsächlich liebenswert (weil schrullig) ist, das kann jeder für sich selbst entscheiden.
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