Warum in Wien jetzt die Buchteln boomen
Buchteln gab es früher maximal bei der Oma und in Wien quasi nur im Hawelka. Ohne Soße, dafür mit Powidl.
Dann – konkret seit dem Jahr 2013 – gab es Buchteln bei Joseph Brot, aber nur im Winter. Auch ohne Soße, dafür mit Powidl. Sonst: Keine Spur. Wer sich nach einer Portion verzehrte und sich nicht selbst über den Germteig traute, musste wohl oder übel auf die Verwandtschaft zurückgreifen.
Seit Kurzem ist die Situation eine andere. Und zwar eine gänzlich andere.
Am vergangenen Wochenende standen die Menschen in Wien wieder einmal Schlange. Diesmal vor der Vollpension, dem Generationencafé in der Schleifmühlgasse im 4. Bezirk. Samstag und Sonntag wurden dort Buchteln mit Vanillesoße zum Mitnehmen verkauft. Und zwar 1.000 Stück – das entspricht 500 Portionen.
Damit hat in der Vollpension niemand gerechnet. Gründer Moriz Piffl nicht („Wir waren schon überrascht.“) und auch Frau Lucia, Buchtelbäckerin in der Vollpension, nicht. Es wurden nämlich so viele Buchteln verkauft, dass ihr irgendwann der Powidl ausging und Frau Lucia die Buchteln mit Marillenmarmelade füllen musste.
Die guten alten Buchteln sind in Wien derzeit heißeste Ware. Beim Restaurant Sperling im Augarten, das seit Mitte Dezember Punsch, Tee, Kaffee und Kuchen über ein Fenster ausschenkt, werden seit Mitte Jänner Buchteln ausgegeben. Im 6er-Tragerl und ohne Vanillesoße, dafür mit extra Marillenmarmelade zum Eintunken.
Bei Joseph Brot muss man Glück haben, um am Nachmittag noch welche (mit Powidl) zu bekommen. Und neuerdings gibt es Buchteln sogar im Supermarkt (zum Teil an der Kassa). In den diversen Sozialen Medien haben sie längst an den Hype ums (Bananen-)Brotbacken angeschlossen.
Ein Erlebnis
Woher rührt der plötzliche Buchtel-Boom? Und warum tritt der gerade jetzt auf?
„Zuerst einmal ist jedem stinklangweilig“, sagt Moriz Piffl von der Vollpension. „Und nach dem 17. Spaziergang im Prater geht man wohin, wo man etwas erlebt und wo man zumindest ein bisschen Gastro-Luft schnuppern kann.“
Und weil man die Oma, bei der man in Nicht-Lockdown-Zeiten in den Genuss von Buchteln kommt, jetzt nicht oft sehen kann, freue man sich über die Mehlspeisen von den Vollpensions-Omas.
Noch dazu, wo Buchteln nicht unbedingt etwas sind, das ungeübte Zuckerbäckerinnen und Zuckerbäcker gern daheim zubereiten. (Wie es doch gelingt, lesen Sie im folgenden Rezept von Frau Lucia).
Zubereitung: 30 min
Teig: 75 min gehen lassen, 30 min backen
Portionen: 12
ZUTATEN
500 g glattes Mehl
80 g Kristallzucker
60 g Butter
40 g frischer Germ
5 g Salz
150 ml Milch
1 Ei
1 Eidotter
500 g Powidl
ZUBEREITUNG:
- Den Germ in eine Schüssel bröseln und den Zucker darüber streuen. Stehen lassen, bis er flüssig wird Milch erwärmen und zirka die Hälfte zum Germ dazugeben, verrühren und zugedeckt (etwa im kalten Mikro) gehen lassen bis er doppelt so hoch ist. (Das ist das berühmte Dampfl.)
- Butter schmelzen, Salz, Ei und Eidotter in die andere Hälfte der Milch geben und verrühren
- Nachdem das Dampfl aufgegangen ist, die Milch und das Mehl unterkneten und den Teig danach mindestens 30 min gehen lassen
- Danach wieder zusammenschlagen und aufbereiten
- Teig zu einer Rolle von 5 cm rollen und Stücke von 50 g runter schneiden. Diese dann flach drücken und mit einem Esslöffel Powidl beklatschen.
- Anschließend die Stücke wie Packerl verschließen und in die Form geben. Jede Buchtel mit Butter bestreichen bevor eine neue dran gesetzt wird, damit sich die Buchteln nachher schön von einander lösen
- Nochmal gehen lassen
- Nochmal mit Butter bestreichen und bei 160 Grad 30 Minuten backen
Tipp von Frau Lucia: „Germteig braucht Liebe und Geduld. Wenn ich beim Dampfl reinschau, kann das nix werden.“
Das Erklär-Rezept-Video von Frau Lucia finden Sie hier.
Der Boom der Buchteln ist aber längst nicht der einzige Gastro-Trend, der im Lockdown entstanden ist. Seit kurz vor Weihnachten wird, wie berichtet, beim Demel im Schaufenster Kaiserschmarrn gemacht.
Und weil so viel los ist, wurde sogar eine Ampel aufgestellt. Kaiserschmarren to go gibt’s seit dieser Woche nun auch bei Henry’s auf der Mariahilfer Straße und – und auch dort stellt man sich an.
Eine Freude
Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was aktuell im Fenster Café von Sasha Iamnkovyi los ist.
Im Mai 2017 hat Iamnkovyi das kleine Café in der Griechengasse in der Inneren Stadt eröffnet. Das Geschäft ging gut, aber so gut wie seit dem zweiten Lockdown lief es noch nie.
1.000 Getränke bereiten Sasha und seine Baristas im Moment zu, drei Mal so viel wie sonst. 500 (!) davon sind seine sogenannten Cornettocini.
Dabei wird ein Cappuccino in ein Stanitzel gegossen, Milchschaumkunst inklusive. Weil so viel los ist, hat Iamnkovyi auch schon Personal aufgestockt – von drei auf sechs Baristas.
Der Jänner 2021 sei schon jetzt der umsatzmäßig beste Monat, den er je hatte. Und das liegt an Corona, sagt Iamnkovyi. „Die Menschen brauchen das, die wollen irgendeine Freude beim Spazieren.“
Dass derzeit so viele Menschen mit seinem Kaffee Freude haben, liegt auch an Bloggern, die den Cornettocino im zweiten Lockdown entdeckten. Seitdem gehen Instagram und TikTok vor lauter Cornettocino über.
Genauso wie die Griechengasse.
Vollpension
Buchteln in Vanillesoße gibt’s jetzt immer am Samstag und Sonntag
von 11 bis 17 Uhr
4., Schleifmühlgasse 16
Sperling
Buchteln mit Marillenmarmelade zum Mitnehmen gibt es täglich von 13 bis 17.30 Uhr
2., Obere Augarten-straße 1
Joseph Brot
Hausgemachte Buchteln mit hausgemachtem Powidl gibt’s in jeder Filiale, etwa:
3., Landstraßer Hauptstraße 4
Fenster Café
Specialitycoffee – etwa Cornettocino – werden täglich von 8 bis 19 Uhr aus dem Fenster gereicht
1., Griechengasse 10
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