Warum Flüchtlinge künftig noch schwerer eine Wohnung finden werden

Warum Flüchtlinge künftig noch schwerer eine Wohnung finden werden
Asylberechtigte in Österreich leben oft in prekären Wohnverhältnissen. Die Kürzung der Mindestsicherung könnte das noch verschärfen.

Eine 50 Quadratmeter große Wohnung im Souterrain, ohne funktionierende Heizung und mit Schimmel an den Wänden. Dafür zahlte eine fünfköpfige Flüchtlingsfamilie 880 Euro pro Monat – plus Kaution und Provision für Immobilienmakler und Vermittler.

Im Schnitt hat Interface, eine gemeinnützige GmbH der Stadt Wien, etwa einmal in der Woche mit einem Fall wie diesem zu tun. Das Problem dahinter ist einfach erklärt: Der Wohnungsmarkt in Wien ist hart umkämpft, Asylberechtigten fehlt oft der Einkommensnachweis und Vorurteile sind keine Seltenheit. Damit ist diese Gruppe der Bevölkerung ein leichtes Ziel für Betrüger. Meistens läuft es so ab: "Es gibt Schwarzvermittler aus den jeweiligen Communities, sie verlangen eine hohe Provision und übergeben die Miete an den Eigentümer. Irgendwann stellen sie die Zahlungen ein, der Eigentümer steht mit einer Räumungsklage vor der Tür und die Mieter auf der Straße", erklärt Laura Klüber von Interface. Sie unterstützen seit 2008 Flüchtlinge unter anderem bei der Wohnungssuche. 

AKH will historische Gebäude abreißen

Verurteilung wegen Betrugs

Das Problem ist nicht neu. Erste Berichte über Mietbetrug an Asylberechtigten gab es bereits 2015, dem Jahr des großen Flüchtlingsansturms. 2016 kam es zu einer Verurteilung des Inhabers einer Immobilienfirma wegen Betrugs. Doch nun warnen NGOs und Mietrechtsexperten, dass sich die Lage von Flüchtlingen am Wohnungsmarkt drastisch verschlechtern könnte. Einerseits, weil "sich die Zahl der Menschen erhöht, die einen positiven Asylbescheid haben", wie Katja Teichert vom Flüchtlingsprojekt Ute Bock sagt. Damit fallen sie aus der Grundversorgung und haben keinen Anspruch mehr auf Unterbringung. Und andererseits hat die Regierung eine Kürzung der Mindestsicherung beschlossen.

Alleinstehende Personen, die keine Deutschkenntnisse auf B1-Niveau vorweisen können, sollen dann maximal 563 statt 863 Euro bekommen. Künftige Verlierer werden auch Familien mit vielen Kindern sein. Insgesamt bezogen im Dezember 2018 46.799 Asylberechtigte und subsidiär schutzberechtigte Personen in Wien die Mindestsicherung, wie aus dem aktuellen Quartalsbericht hervorgeht. "Wenn die Mindestsicherung gekürzt wird, wäre das katastrophal. Sie zahlen ja die normalen Mieten. Bei einer Kürzung ist für viele eine Wohnung nicht mehr leistbar“, sagt Klüber.

"Rechtlicher Graubereich"

Zu diesem Schluss kommt auch Mietrechtsexperte Norbert Kessler. "Wenn weniger Geld zur Verfügung steht, sind weniger Objekte leistbar und es kommt zu einer Verschiebung zu Unterbringungen in ungeeigneten Objekten und in prekären Mietverhältnissen. Die Menschen werden so in einen rechtlichen Graubereich gedrängt und verstärkt Vermieterwillkür ausgesetzt." Dann seien sie etwa gezwungen, Unterkünfte in Lagern, Geschäftslokalen oder Werkstätten anzunehmen. "Das ist für Eigentümer oft eine lukrative Zwischenvermietung", sagt Kessler. Legitim sei es allerdings nicht. Eine andere Folge sei, dass sich Großfamilien in kleineren Wohnungen zusammendrängen müssten. "Das wirkt sich dann auch auf die Nachbarn aus." 

Zwar haben Asylberechtigte einen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, sie finden laut einer aktuellen Studie des IHS aber immer schwerer eine Beschäftigung. Gründe dafür seien der starke Andrang am Arbeitsmarkt nach dem Flüchtlingsansturm sowie zu wenig Zeit für den Spracherwerb wegen der kürzeren Dauer von Asylverfahren seit 2014.

Die Diakonie hofft deshalb auf eine Rücknahme der Kürzung der Mindestsicherung. Doch das wird nicht passieren. "Aus der Sicht des Sozialministeriums gibt es keine Hinweise auf einen Grund, warum das Gesetz nicht zustande kommen sollte", sagt ein Sprecher. Eine Möglichkeit wäre noch, dass Wien das neue Gesetz nicht umsetzt. Das hatte etwa Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) angekündigt. Doch dann wolle der Bund "die ihm von der österreichischen Bundesverfassung gegebenen rechtlichen Möglichkeiten in Erwägung ziehen", heißt es aus dem Sozialministerium. 

Betroffene wollten trotz mehrfacher Versuche von Seiten des KURIER keine Stellungnahme zu ihren Erfahrungen mit Mietbetrügern abgeben. Zu groß sei mittlerweile die Angst, die – wenn auch überteuerte und desolate – Wohnung zu verlieren, beziehungsweise die eigene Community gegen sich aufzubringen, erklärt Teichert vom Ute Bock Verein. Eine Sprecherin der Diakonie formuliert es noch drastischer: "Diese Vermietermafia ist tatsächlich gefährlich. Sie bedroht Menschen."

Nur ein Viertel hat sichere Wohnbedingungen

Doch die Situation von Asylberechtigten am Wohnungsmarkt ist gut belegt. Vergangenes Jahr hat sich die TU Wien in einer Studie mit dem Thema beschäftigt. Darin heißt es: "Wohnungssuchende mit schlechtem Deutsch und ohne Arbeit ziehen im Konkurrenzkampf um die knappe Ressource leistbaren Wohnraums regelmäßig den Kürzeren." Sie seien Diskriminierung ausgesetzt, Makler würde nicht zurückrufen, und so manche Privatanzeige würde vor Ausländerfeindlichkeit strotzen. So stieß die Studienautorin Anita Aigner in ihrer Recherche auf eine Anzeige, in der es hieß "Keine Haustiere, keine Asylanten". Das Fazit der Studie: Nach einem durchschnittlichen Aufenthalt von zweieinhalb Jahren hätten nur ein Viertel der Befragten sichere Wohnbedingungen.

Warum Flüchtlinge künftig noch schwerer eine Wohnung finden werden

Aigner thematisiert in ihrer Publikation einen weiteren wichtigen Punkt in diesem Zusammenhang: den sozialen Wohnbau. Zwar gilt Wien als Vorzeigestadt, was das betrifft, dieser würde aber keineswegs den Zugang von Flüchtlingen zum Wohnungsmarkt erleichtern. Denn: Für ein Wiener Wohnticket – also die Eintrittskarte für Gemeindewohnungen - muss man zwei Jahre an derselben Adresse gemeldet sein. Eine Anforderung, die für viele Asylberechtigte schwer zu erfüllen sei.

Im Büro von Sozialstadtrat Peter Hacker verweist man auf ein Kontingent an Startwohnungen für rund 1.100 Menschen. Diese seien mit einer Betreuung verbunden und auf drei Jahre befristet. Die Wartelisten aber sind lang. Und Asylberechtigte, die aus den Bundesländern nach Wien kommen, haben keinen Zugang dazu.

800 Menschen auf der Warteliste

Interface hilft Flüchtlingen deshalb selbst bei der Wohnungssuche, "aber wir haben 290 Personen auf der Warteliste, und da hängen noch die Familienangehörigen dran, also reden wir von circa 700 bis 800 Menschen", sagt Laura Klüber. Der Verein Ute Bock überlegt, Wohnungen anzumieten. Die Plätze im Ute-Bock-Haus in Favoriten und in externen Wohnungen sind längst voll, "und die Wartelisten reichen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag", betont Geschäftsführerin Teichert.

Eine Lösung wäre ihrer Meinung nach, dass der Staat als Hauptmieter auftritt. Damit könne Vermietern die Unsicherheit genommen werden, auf Kosten sitzenzubleiben. "Wenn Österreich für die Mieter bürgen würde, wäre allen geholfen", sagt Teichert.

Das Sozialministerium geht auf diesen konkreten Vorschlag nicht ein und spielt den Ball an die Bundesländer weiter: Das Gesetz sei so gestaltet, dass die Länder genug Freiheit hätten, Wohnkosten an den Vermieter direkt von den Sozialbehörden bezahlen zu lassen. Verpflichtet dazu sind sie allerdings nicht.

Kommentare