Wahlärzte: "Mit Schamanismus vergleichbare Praktiken"
Es klingt nach einer verlockenden Möglichkeit: Um langen Wartezeiten zu entgehen, lässt man sich bei einem privat zu bezahlenden Wahlarzt behandeln. Schließlich bekommt man ja ohnehin 80 Prozent des Kassentarifs für die Leistung rückerstattet.
In der Praxis bedeutet das allerdings: Unter anderem wegen der oft weit über dem Kassentarif liegenden Wahlarzt-Honorare bewegt sich der Refundierungsanteil deutlich unter 80 Prozent. Wie berichtet, lag im Vorjahr die Gesamt-Quote je nach ÖGK-Landesstelle nur zwischen 33 und 40 Prozent.
Laut Andreas Huss, stv. Obmann der ÖGK, hat dies aber auch noch einen anderen Grund: Es würden sehr viele Honorare für Wahlarzt-Leistungen eingereicht, die nicht erstattungsfähig sind. „Diese sind oft eher der Esoterik zuzuordnen und haben häufig nichts mit einer evidenzbasierten Gesundheitsleistung zu tun“, schildert Huss gegenüber dem KURIER. Als Beispiele nennt er Homöopathie, Chinesische Medizin oder Eigenbluttherapien. „Sie werden meist von Allgemeinmedizinern angeboten, die das als eigenes Geschäftsfeld entwickelt haben.“
Bei der Kasse würden auch sehr viele Rechnungen von als Wahlarzt praktizierenden Dermatologen landen, die kosmetische Behandlungen wie Botox, Fruchtsäurepeelings oder ähnliches durchführen.
Mehr noch: „Leider tauchen viele Mediziner auch sehr tief in das Feld der Energetiker und anderer pseudowissenschaftlicher Fächer ein, weil sie hier ein gut gehendes Geschäftsfeld vorfinden“, kritisiert Huss. Man könne solche Praktiken auch gut mit dem „Schamanismus des Mittelalters“ vergleichen.
Rütteln am System
Huss war zuletzt als scharfer Kritiker des ausufernden Wahlarzt-Systems hervorgetreten. Im vergangenen April hatte er gefordert, die Wahlärzte abzuschaffen. Stattdessen sollte es nur mehr Kassen- und reine Privatärzte geben.
Ein Aufschrei der Ärztekammer war die Folge. Wahlärzte hätten eine wichtige Versorgungsfunktion – etwa in ländlichen Regionen, in denen es keinen Kassenarzt mehr gibt.
Huss bleibt skeptisch: Zwar würde in Fächern wie Innerer Medizin oder Gynäkologie der Anteil der im kassenmedizinischen Sinn versorgungswirksamen Wahlärzte zunehmen. „Insgesamt macht aber der Anteil der Kassenleistungen, die von Wahlärzten erbracht werden, nur sechs Prozent aus“, rechnet er vor.
Von den 10.000 Wahlärzten seien nur 677 insofern versorgungswirksam, als dass sie mehr als 50.000 Euro pro Jahr an Rückerstattung mit der ÖGK verrechnen. Ein Kassen-Hausarzt würde hingegen rund 270.000 Euro abrechnen.
Wenig abgewinnen kann er der Neos-Forderung, wonach die Kosten eines Wahlarztes völlig rückerstattet werden sollen, wenn innerhalb eines angemessenen Zeitraums keine kassenärztliche Behandlung im Wohnbezirk gewährleistet werden kann. „Dann würde es in kürzester Zeit keine Kassenärzte mehr geben.“
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