Villa Beer: Hietzinger Architektur-Juwel wird zu Museum
Zur Villa Beer, laut Architekturzentrum Wien das bedeutendste Einfamilienhaus der Moderne in Österreich, sind es von der 60er-Station Gloriettegasse nur vier Minuten zu Fuß.
Aber allein diese sind aufregend: Schließlich muss man an einem bewaffneten Soldaten – und an der iranischen Botschaft – vorbei.
Die Villa Beer selbst gliedert sich unscheinbar ins Villenviertel ein. Das Grundstück ist mit 3.500 Quadratmetern zwar groß, das Gebäude darauf aber einfach rechteckig, weiß und schlicht. Einzig das runde Fenster sticht heraus.
Wenn man in die Villa hineingeht, erkennt man aber auch als Laie sofort, dass es sich hier um außergewöhnliche Architektur handelt. Alles wirkt offen, sonnendurchflutet und gut miteinander verbunden.
Wann immer man glaubt, man hat das Ende des Hauses erreicht, entdeckt man eine weitere mit Samtteppich bezogene Wendeltreppe, die in einen neuen Raum führt.
Da ein Zimmer mit gemusterter Blumentapete und weißem Vintage-Schrank. Dort ein rosafarbenes Badezimmer.
Die Villa steht seit Jahren leer. Vor einigen Monaten bekam das Baujuwel einen neuen Eigentümer: Lothar Trierenberg, Gründer und ehemaliger Inhaber von „das möbel“ in der Burggasse, wo heimisches Design in einem Café verkauft wird.
Trierenberg will die Villa aber nicht privat nutzen, sondern sie ab 2023 als Museum der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Etwas, das im Bezirk auf Begeisterung stößt: „Wunderschön“, sagt etwa Bezirksvorsteherin Silke Kobald (ÖVP). Das sei „ein langjähriger Bezirkswunsch“.
„Ein Glücksfall“ ist es auch für Neos-Bezirksrat Jürgen Fränzer. Er konzipiert mit einer parteiübergreifenden Arbeitsgruppe einen Architekturlehrpfad für Hietzing. Die Villa Beer wird Teil davon sein.
Virtuose am Werk
Für Maria Welzig vom Architekturzentrum ist das Museum quasi eine Notwendigkeit. Sie könne nur in Superlativen über das von Josef Frank 1929 entworfene Gebäude sprechen, sagt Welzig.
„Die Räume sind unterschiedlich hoch, dadurch gibt es keine durchgehenden Geschoßebenen“, sagt sie. Das erkläre auch die vielen Treppen und auf den ersten Blick nicht erkennbaren Nebenräume.
Um so etwas sinnvoll zu planen, müsse „man schon etwas können“. In seiner Virtuosität sei Frank nur Stararchitekt Le Corbusier ebenbürtig gewesen, von dem 17 Bauwerke in sieben Ländern als UNESCO-Welterbe anerkannt wurden.
In der Villa offenbart sich auch Franks soziale Weltanschauung: Die Dienstbotenräume sind kaum von den anderen zu unterscheiden.
Eines von Franks bekanntesten Zitaten ist: „Modern ist nur, was uns vollkommene Freiheit gibt“. Tatsächlich fühlt man sich beim Erkunden der Villa in jedem Raum frei. Mal durch die Dimension der Räume, mal durch die riesigen Fenster, die den Garten fast zum Teil des Interieurs machen.
Und manchmal auch durch die Freiheit, sich in eine kleine Nische zurückzuziehen. „Der Mensch ist nicht immer in der gleichen Stimmung“, sagt Welzig. „Frank hat diese Bedürfnisse in sein Werk miteinbezogen.“
Flucht vor Nationalsozialisten
Doch nicht nur Franks Können mache es so wichtig, dass das Werk erhalten bleibe, so die Expertin. Sondern auch die Geschichte.
Die Auftraggeber der Villa, die Familie Beer, war jüdisch und musste vor den Nationalsozialisten fliehen. Die jüngste, schwerbehinderte Tochter wurde im Vernichtungslager Maly Trostinez umgebracht.
Auch der ebenfalls jüdische Frank musste flüchten, ebenso sein Partner Oskar Wlach. Es sei eine Schande, dass man sie nach dem Krieg nicht zurückgeholt habe, so Welzig. Umso mehr müsse man ihr Werk ehren.
2017 im Bezirk beschlossen
Alle Parteien Hietzings haben dem Neos-Antrag für einen Lehrpfad zu Hietzings Architekturjuwelen zugestimmt. Derzeit wird ein Konzept erarbeitet
Große Auswahl
Als Fixstarter gelten die Villa Primavesi in der Gloriettegasse, mehrere Gebäude von Star-Architekt Adolf Loos
und die Villa Beer
Erste Ideen
Die Stationen soll gut zu Fuß erreichbar sein. Infos soll ein Booklet oder eine App bieten
Der neue Eigentümer will dafür Sorge tragen. Das ist noch dazu im Sinne eines anderen Frank-Zitats: „Man kann alles verwenden, was man verwenden kann.“
Es solle kein Schaukasten-Museum werden, wo man alles nur hinter Glas sehen kann, sagt Trierenberg. „Man soll alles benützen können, sich hier aufhalten, vielleicht sogar ein Buch lesen.“
Wie zum Beweis lädt selbst jetzt, in Zeiten des Leerstands, ein Schachbrett mit aufgestellten Figuren auf einem Tisch zwischen zwei Fauteuils zum Spielen ein.
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