Kunst für alle: Die Bibliothek der Bilder
Der günstigste Weg zum Original-Kunstwerk an der eigenen Wand führt über das Rathaus. Genauer gesagt über das MUSA in der Felderstraße neben dem Rathaus. Denn die Dependance des Wien Museums beherbergt nicht nur einen Ausstellungssaal und die Startgalerie, in der junge Künstlerinnen und Künstler an zentraler Stelle ausstellen können, sondern auch eine Artothek: eine Bibliothek für Kunst.
Für 2,50 Euro pro Monat können hier alle mit Hauptwohnsitz in Wien und Umgebung für maximal ein Jahr bis zu vier Bilder ausleihen – Versicherung inklusive.
Zur Auswahl stehen rund 1.900 Grafiken. Ihre einzige Gemeinsamkeit: Die Künstlerin, der Künstler oder das Werk muss irgendeinen Wien-Bezug aufweisen. Ob Aquarelle, Drucke oder Fotografien, „es gibt alles, was auf Papier möglich ist“, sagt Petra Hanzer. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Michaela Nagl ist Hanzer für die Artothek zuständig, beantwortet Fragen, wickelt Ausleihen und Rückgaben ab.
Doch vor allem stehen die Frauen orientierungslosen Ausleihwilligen mit Rat und Tat zur Seite. Oder wie sie es nennen: Sie leisten Hilfe zur Selbsthilfe.
Für Auswahl Zeit nehmen
Wobei: „Das Wichtigste ist, dass die Leute Vertrauen darauf haben, dass das, was sie auswählen, in Ordnung ist“, sagt Hanzer. So raten die Expertinnen auch davon ab, sich auf bekannte Namen festzulegen. „Das ist natürlich eine Einstiegshilfe“, sagt Nagl, „aber die entscheidende Frage ist: Spricht mich das Bild an?“
Und so lautet die Empfehlung für Kunstsuchende vor allem: Ausreichend Zeit für die Auswahl mitbringen. Online gibt es die Sammlung nämlich bewusst nicht. Damit man sich auch wirklich mit der Wahl des Bildes auseinandersetzt und nicht irgendetwas zwischen Tür und Angel bestellt, so die Idee.
Ins Leben gerufen wurde die Artothek 1979 vom damaligen SPÖ-Kulturstadtrat und späteren Bürgermeister Helmut Zilk. Anfangs residierte sie in der Alten Schmiede in der Schönlaterngasse, 2007 erfolgte der Umzug in die Felderstraße. Die Grundidee, mit Steuergeld angekaufte Kunstwerke zumindest zum Teil der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, blieb jedoch dieselbe.
Familiensache
Das Angebot wird gut angenommen: Rund 1.000 Kunstwerke der Artothek sind immer verliehen. Die Kundschaft ist divers: Es gibt WGs, die zu dritt oder zu viert kommen und mit ebenso vielen Bildern wieder abziehen. Es gibt Unternehmerinnen oder Angestellte, die sich Bilder für ihre Büros oder Arztpraxen holen. Und es gibt Stammkundinnen und Stammkunden, die immer wieder kommen, „die das jahrzehntelang machen und es noch an ihre Enkelkinder weitergeben“, erzählt Nagl.
Sorgenfrei
Versicherung sowie Verpackung für den Transport sind in der Leihgebühr von 2,50 Euro pro Monat inkludiert. Bezahlt wird im Voraus. Privatpersonen dürfen bis zu vier, Büros bzw. Praxen bis zu zehn Bilder gleichzeitig ausleihen. Die Leihdauer beträgt 1-12 Monate.
Geschenksidee
In der Artothek können auch Gutscheine erworben werden. Abgerechnet wird wie bei der regulären Leihe nach Monaten.
Zugang
Aktuell ist das MUSA wie alle Museen geschlossen. Voraussichtlich ab 19. Mai wird es seine Tore wieder öffnen. Dann ist auch die Artothek wieder zugänglich – und zwar Di–Fr von 10–18 Uhr, Sa von 10–14 Uhr. Infos unter www.wienmuseum.at/de/standorte/musa-artothek
Wobei der Auswahlprozess nicht immer harmonisch abläuft – besonders bei Familien. „Hier spielt sich alles ab“, sagt Hanzer lachend. Doch kein Konflikt, der sich nicht lösen lässt: Bei manchen Paaren darf etwa einmal der eine und beim nächsten Mal die andere auswählen.
Immer etwas Neues
Die meisten nehmen aber ohnehin nicht nur ein Bild mit. Zwei Ausleihen sind Standard. Die Ausleihedauer variiert hingegen. Je länger jemand Artothek-Kunde ist, desto eher werden die maximal möglichen 12 Monate ausgeschöpft. „Unter den Stammkunden gibt es nur wenige, die in kurzen Abständen tauschen“, sagt Hanzer.
An der fehlenden Auswahl liegt das nicht. Laufend kommen Neu-Ankäufe oder „neue“ Bilder aus dem Archiv in die Sammlung der Artothek. Zusätzlich gibt es durch die laufenden Ausleihen einen konstanten Austausch des Angebots. „Wenn jemand ein Bild ein Jahr hat, dauert es, bis es jemand, der neu einsteigt, zum ersten Mal sieht“, sagt Nagl. „Dadurch ist es noch nie vorgekommen, dass jemand gesagt hat: Nein, es ist vorbei, es ist nichts Neues mehr für mich dabei.“
Überhaupt sei die Zufriedenheit sehr hoch. „Die Leute sind eigentlich sehr glücklich“, sagt Nagl. „Das macht auch schon etwas mit einer Wohnung, wenn da plötzlich Kunstwerke drinnen hängen.“
Sie spricht aus Erfahrung, hat sie doch mittlerweile eine eigene Kunstsammlung aufgebaut. Was nicht bedeutet, dass sie die Bilder in der Artothek langweilen. Im Gegenteil: „Ich bin immer noch regelmäßig so begeistert davon, dass ich mir denke, das würde ich mir aufhängen. Das ist nichts, das einem zur Routine oder gar fad wird.“
Hanzer nickt. Klar: In ihrem Wohnzimmer hängen ebenfalls Kunstwerke - aus der Artothek.
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