Videoüberwachung und Müllverbrennung: Was Wien und Warschau voneinander lernen

Eine Gruppe von Personen sitzt an einem Tisch während einer Sitzung des Wojewoda Mazowiecki.
Eine Delegation aus dem Wiener Rathaus war zu Besuch in Polen. 23.000 Kameras beobachten das Leben in Warschau Tag und Nacht, die Verkehrsberuhigung in Wien will man anders lösen.

Der rund zwei Meter große Bär in der Warschauer Innenstadt – natürlich kein echter Bär, sondern ein Mensch im Bärenkostüm – schaut direkt in die Kamera. Mit großer Wahrscheinlichkeit weiß er davon aber nichts. Auch davon nicht, dass ihn gerade eine ganze Delegation aus Wien live auf einem Monitor beobachtet.

Ein Teddybär-Kostüm steht vor einem Weihnachtsbaum auf einem Platz in Warschau.

Warschau im Advent. Nicht zu sehen: die 23.000 Videokameras, die in der Stadt installiert  sind

Die Kamera, in die er blickt, befindet sich nämlich auf einem Hausdach und ist Teil des Warschauer Videoüberwachungssystems. Dafür wurden in der ganzen Stadt seit 2010 insgesamt 23.000 Kameras installiert.

Zweck war  ursprünglich, die  Kriminalität zu bekämpfen. Mittlerweile erprobt die Stadt das System aber auch für die Verkehrsüberwachung – in Begegnungszonen und Arealen, in denen nur emissionsfreie Fahrzeuge einfahren dürfen. 

Wo die Fäden zusammenlaufen

Von diesen Erfahrungen will  Wien lernen, wo man die Innenstadt ebenfalls verkehrsberuhigen möchte. Die Wiener Delegation rund um Wirtschafts- und Öffi-Stadtrat Peter Hanke (SPÖ), die den Bären live beobachtet, sitzt dafür in der zum System gehörigen Sicherheitszentrale,  wo  alle Fäden zusammenlaufen.

Mehrere Personen sitzen in einem Raum vor Bildschirmen des Warschauer Public Safety Centre.

In der Sicherheitszentrale laufen alle Fäden zusammen 

Rund um die Uhr – und das jeden Tag – werden hier die Geschehnisse in der Stadt beobachtet.  „Verdächtige Gegenstände können über Video geortet werden“, sagt General Michał Domaradzki, der der Zentrale vorsteht. „Zoomen können wir auf alle statischen und beweglichen Objekte.“ So auch auf  Menschen – oder Bären. „Unser Grundsatz ist die Suche nach einer Balance zwischen dem  Recht des Einzelnen auf Privatsphäre und  dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen“, sagt Domaradzki. Gelernt hat Warschau in diesem Bereich von Chicago.

Obwohl für die Verkehrsberuhigung in der Wiener City, wie der KURIER berichtete,  ebenfalls Kameras zum Einsatz kommen sollen, sei ein Sicherheitszentrum in diesem Ausmaß  „nicht der richtige Ansatz“ für Wien, sagt  Stadtrat  Peter Hanke.  „Wir haben eine andere Rechtslage und Datenschutzsituation. Dass es automatisierte Systeme entlang der rechtlichen Vorgaben braucht, will ich aber nicht absprechen.“ Man werde für Wien eine andere Lösung  finden. Dafür werde man sich weitere Städten ansehen.

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Ein kleines Wien in Polen

Deutlich konkreter sind dagegen die Erfahrungen, die sich Polen – genauer gesagt, die Städte Warschau und Krakau – von Wien abschauen will. Krakau zum Beispiel plant ein Stadtentwicklungsprojekt nach dem Vorbild der Seestadt Aspern. 

Außerdem sollen Teile des Krakauer  Straßenbahnnetzes  künftig unterirdisch verlaufen. Etwa so wie am  Matzleinsdorfer Platz.  

Eine Gruppe von Personen sitzt an einem Tisch während einer Sitzung des Wojewoda Mazowiecki.

Die Delegation rund um Stadtrat Peter Hanke in Warschau

Auch  Warschau plant ein Projekt, das die dortige Stadtregierung nach Wien schielen lässt. Nämlich eine  Müllverbrennungsanlage in unmittelbarer Nähe zur Stadt. Das Vorbild: die Spittelau. 

Und  diese Projekte kommen zu einem günstigen Zeitpunkt. Seit 2015 war Polen in Konflikt mit der EU, die die Reformen  der regierenden Partei PiS als Gefahr für Demokratie und  Rechtsstaat einschätzte und Fördergelder blockierte. Nach  den Parlamentswahlen im Oktober wurde die Blockade aber gelockert, einige Milliarden Euro sind inzwischen bereits ausbezahlt. 

Know-how wird gebraucht

Um die Legitimität der Fördergelder zu garantieren, will Wien die polnischen Städte bei der Planung und Ausschreibung der oben genannten Projekte unterstützen.  „Wir nehmen von den Gesprächen mit, dass unser Know-how gebraucht wird und dass man gerne von uns lernt“, sagt Stadtrat  Hanke. 

Voneinander lernen wollen Wien und Warschau auch im Bereich der Wasserstoff-Busse. Die erst kürzlich von den Wiener Linien  erworbenen E-Busse eignen sich auf steileren und längeren Strecken  nämlich  nicht besonders gut, weshalb die Städte ihre Erfahrungen mit Wasserstoff untereinander austauschten wollen.

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Und der Bär? Der stand Stunden später noch immer in der Innenstadt. Dieses Mal wurde er aber mit eigenen Augen und ganz ohne Kameras geortet.

Die Reise nach Polen fand auf Einladung der Stadt Wien statt.

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