VfGH-Entscheidung zur Sterbehilfe: Das sind die Reaktionen

VfGH-Entscheidung zur Sterbehilfe: Das sind die Reaktionen
Kirchenvertreter reagieren gewohnt kritisch. Auch die Regierung äußert sich zurückhaltend.

Die katholische Kirche hat auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), dass Beihilfe zum Selbstmord künftig nicht mehr unter Strafe steht, mit „Bestürzung“ reagiert. Das Sterbehilfe-Urteil sei ein Kulturbruch und gefährde die Solidarität, kritisierte der Vorsitzender der Bischofskonferenz, der Salzburger Erzbischof Franz Lackner.

Die Regierungsparteien ÖVP und Grünen reagierten skeptisch bis ablehnend und die SPÖ forderte eine breite und offene Diskussion.

Die Details zu der Entscheidung des Höchstgerichts lesen Sie hier:

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigte sich überrascht: „Mit dem Erkenntnis zur Sterbehilfe weicht der VfGH von seiner eigenen Rechtsprechung ab, wonach ein Verbot der aktiven Sterbehilfe im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt".

PK GESETZESPAKET "HASS IM NETZ":  ZADIC / EDTSTADLER

Karoline Edtstadler (ÖVP)

Insbesondere der Schutz der Älteren und der Schutz des Rechtes auf Leben seien zentrale Grundwerte der österreichischen Politik. Daher müsse man nun prüfen, "welche gesetzlichen Schutzmaßnahmen notwendig sind".

Forderung nach Debatten

Auch Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer reagierte zunächst sehr zurückhaltend: „Die Folgen der Entscheidung des VfGH zum Thema Beihilfe zum Suizid bedürfen einer umfassenden Prüfung". Aus grüner Sicht brauche es eine breite Einbindung von Expertinnen und Experten und der Zivilgesellschaft. Wesentlich werde jedenfalls der weitere Ausbau der Angebote im Bereich der Palliativversorgung und Hospizbetreuung, sagte Maurer.

Sigrid Maurer

Sigrid Maurer (Grüne)

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim sprach sich für eine offene und breite Diskussion über zentrale Fragen am Ende des Lebens aus. Es brauche eine gute, flächendeckende Versorgung mit Schmerzmedizin und Sterbebegleitung sowie für alle zugängliche Patientenverfügungen und das alles unabhängig von der finanziellen Situation der Betroffenen.

"Darüber hinaus ist Rechtssicherheit und ausreichend Betreuung für Angehörige und medizinisches Personal erforderlich“, sagte Yildirim.

Erfreut reagierte hingegen Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes: „Diese Entscheidung ist für viele todkranke Menschen in Österreich eine lange ersehnte Nachricht. Sie gibt ihnen die Aussicht auf ein selbstbestimmtes Lebensende, auf ein Sterben in Würde".

Die Neos seien gegen aktive Sterbehilfe, aber dafür, die Mitwirkung an der Selbsttötung von unheilbar kranken Patienten unter bestimmten Umständen zu erlauben.

Ärzte finden es "bedauerlich", Kirche reagiert "bestürzt"

Auch Ärztevertreter äußerten sich kritisch: "Diese Entscheidung ist bedauerlich", befand Thomas Szekeres, der Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Denn es drohe die Gefahr, "dass ältere und kranke Menschen vermehrt unter Druck geraten, ihre Daseinsberechtigung und ihren Lebenswillen zu rechtfertigen". "Kategorisch abzulehnen" sei "geschäftsorientierte Sterbehilfe", also wie in Deutschland oder der Schweiz Sterbehilfe durch private Unternehmen. Vor allem dürfe aber keine Ärztin und kein Arzt "dazu gezwungen werden, gegen ihr oder sein Gewissen zu handeln und zur Tötung eines Menschen beizutragen".

Einen "Kulturbruch" sieht wiederum die katholische Kirche in der Entscheidung des Höchstgerichts. „Jeder Mensch in Österreich konnte bislang davon ausgehen, dass sein Leben als bedingungslos wertvoll erachtet wird - bis zu seinem natürlichen Tod. Diesem Konsens hat das Höchstgericht mit seiner Entscheidung eine wesentliche Grundlage entzogen“, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Salzburger Erzbischof Franz Lackner.

PK BISCHOFSKONFERENZ: LACKNER

Vorsitzender der Bischofskonferenz, Franz Lackner

Wörtlich sprach er von einem „Dammbruch“ und warnte davor, dass mit der erlaubten Beihilfe zum Suizid der Druck auf kranke und alte Menschen steigen werde, davon Gebrauch zu machen.
„Wir dürfen den Menschen nicht aufgeben, auch wenn er sich selbst aufgegeben hat", sagte Lackner.

Vor dem Hintergrund der Entscheidung werde sich die Kirche sowohl in der Palliativ- und Hospizarbeit, aber auch in der Suizidprävention und Begleitung der Menschen in Lebenskrisen nun noch intensiver engagieren. Er appellierte er an den Gesetzgeber, jede rechtliche Möglichkeit auszuschöpfen, um den diesbezüglichen bisherigen österreichischen Konsens möglichst beizubehalten. 

Differenzierter reagierte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka auf das VfGH-Erkenntnis: Positiv sei, dass Tötung auf Verlangen nicht straffrei gestellt wurde. Was die Beihilfe zum Selbstmord betrifft, sei das Urteil zu respektieren. Die evangelische Kirche habe sich für den Fall, dass das Verbot beibehalten worden wäre, auch dafür ausgesprochen, dass „in extremen Ausnahmefällen Barmherzigkeit und Straffreiheit möglich ist“.

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