UNESCO tagt heute zu Wiens Welterbe: Die drei Problemfälle
„Wiens historisches Zentrum“ wird noch ein weiteres Jahr auf der „roten Liste“ der gefährdeten Welterbestätten verbringen müssen – das ist seit Veröffentlichung der sogenannten „Draft Decision“ vor gut zwei Wochen de facto ausgemacht (der KURIER berichtete).
Die endgültige Entscheidung dazu fällt am Dienstagvormittag auf der 46. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees im indischen Neu-Delhi. Wien ist bekanntlich seit 2017 wegen des Heumarkt-Projekts als „gefährdetes Welterbe“ eingestuft und hat es trotz aller Versuche immer noch nicht geschafft, einen Konsens mit der UN-Organisation herzustellen.
Das Hochhausprojekt am Heumarkt mag zwar der gravierendsten Eingriff sein, es ist aber nicht das einzigen Bauvorhaben, an das sich die Welterbehüter stoßen. Das geht aus Dokumenten, die dem KURIER vorliegen, hervor.
Im 131 Seiten starken Bericht der hochrangig besetzten UNESCO-Delegation, die Wien im März einen dreitägigen Beuch abgestattet hat, werden nämlich neben dem Heumarkt zwei weitere Projekte „ausdrücklich genannt“, die zum Status quo der „roten Liste“ beitragen: das Palais Schwarzenberg inklusive Garten und der Karlsplatz mit dem Winterthur-Gebäude.
Projekt Heumarkt
Zunächst zum Heumarkt-Projekt: Interessant ist, dass in dem Bericht Investor Michael Tojner („Wertinvest“) ein Ausweg aus der verfahrenen Situation aufgezeigt wird. Bisher beklagten die Rathaus-Verantwortlichen ja, von der UNESCO immer nur gesagt zu bekommen, was nicht geht (und nicht, was alles möglich wäre).
Im Kapitel „Weg in die Zukunft“ werden sogar vier Optionen, die Welterbe-verträglich sind, aufgezeigt. Bei zwei Varianten würde das bestehende Hotel Intercontinental abgerissen, bei einer Option würde es generalsaniert; die im Anschluss vorgesehene „Wohnscheibe“ müsste jeweils „das benachbarte Gründerzeit-Ensemble respektieren“.
Favorisierte Variante ist aber jene, bei der der bisherige und schon mehrmals modifizierte Entwurf final noch einmal zusammengestutzt wird: „Bei dieser Option würden Höhe und Volumen sowohl des Hotels als auch des Wohngebäudes deutlich an den Maßstab der benachbarten Gebäude angepasst.“ Damit könnten sogar „potenzielle positive Auswirkungen verstärkt werden“, notierten die Experten.
Konkrete Maße werden zwar nicht genannt, allerdings wird auf das im Frühjahr erstellte Gutachten von Michael Kloos verwiesen, dem man sich „im Großen und Ganzen“ anschließe: Dort wurden maximale Gebäudehöhen von 44 (Wohnturm) und 42 Metern (Hotel) und damit eine weitere Reduktion um zwei Geschoße genannt.
Investor Tojner ist diese Variante aber offenkundig zu wenig lukrativ, denn er konterte im April 2024 mit einem neuerlichen Gegenvorschlag, bei dem das Hotel vertikal (48 Meter) wie horizontal wieder anwächst. Replik der UNESCO dazu: „Infolgedessen erfüllt der letzte Vorschlag immer noch nicht die Anforderungen.“ Zum Vergleich: Laut Flächenwidmung soll der Wohnturm 66 Meter hoch werden.
Palais Schwarzenberg
Ebenfalls kein grünes Licht gibt es für die Hotel-Pläne im Garten des Palais Schwarzenberg: Dieses möchte ja in zwei Jahren – 20 Jahre nach seiner Schließung und dem Scheitern von Alternativprojekten – wiedereröffnen. Auf einem schmalen, etwa 130 Meter langen Streifen an der Grenze zum Schlossgarten Belvedere soll dafür auch ein Hotelneubau errichtet werden, der jedoch in derzeitiger Form nicht Welterbe-kompatibel ist, weil die Sichtbeziehungen in der barocken Gartenanlage wie auch vom Belvedere aus zu sehr beeinträchtigt würden.
Unmissverständlich heißt es in der „Draft Decision“: Möchte Wien von der „roten Liste“ kommen, sollte „der geplante Hoteltrakt (…) nicht realisiert werden, da er negative Auswirkungen auf die beiden Komplexe Belvedere und Schwarzenberg hätte“.
Das Projekt fußt übrigens auf einem Architekturwettbewerb aus dem Jahr 2004, den Wolfgang Tschapeller damals für sich entschieden hat – er zeichnet auch jetzt für den Neubau verantwortlich. Die Bebauungsbestimmungen erlauben derzeit im Parkschutzgebiet ein Hotelgebäude mit maximal 24 Metern Höhe. Doch noch verfügt es über keine Baugenehmigung, laut UNESCO-Bericht soll es demnächst dem Fachbeirat für Stadtplanung, Stadtgestaltung und Welterbe vorgelegt werden.
Causa Karlsplatz
Der dritte Problemfall betrifft den Karlsplatz, jedoch weniger das im Vorjahr neu eröffnete und mit einem opulenten Aufbau versehene Wien-Museum, sondern das direkt neben der Karlskirche befindliche Winterthur-Gebäude der Zurich-Versicherung.
Zwar setzt es für die Stadt Wien beim Museum eine Rüge, weil man die UNESCO-Empfehlungen ignoriert hätte, wiewohl der Umbau „keine grundlegend negativen Auswirkungen“ auf das Weltkulturerbe habe. Anders die Situation beim Winterthur-Gebäude, wo man sich offenbar nicht mehr abspeisen lassen will: 2018 beschloss die rot-grüne Stadtregierung – trotz massiven Widerstands – bereits eine Aufzonung um zwei Stockwerke, wobei ausgerechnet der damalige Bürgermeister Michael Häupl (nach einer Kampagne der „Krone“) kurzzeitig Bedenken hegte.
Laut UNESCO-Dokumenten seien die Planungen derzeit zwar „auf Eis gelegt“, sollten sie wiederaufgenommen werden, pocht man aber darauf, umgehend informiert zu werden und „keine Entscheidungen zu treffen, die schwer rückgängig zu machen wären“.
Hoffen auf ein Happy end
Summa summarum hat Wien also etliche Hausaufgaben zu erledigen, um wie erhofft endlich von der „roten Liste“ gestrichen zu werden. Entscheidend dafür ist der bis 1. Februar 2025 abzuliefernde neue Bericht zu allen Problemfällen, über den dann kommenden Sommer bei der 47. Sitzung des Welterbekomitees entschieden wird.
Da im Herbst 2025 in Wien gewählt wird und Stadtchef Michael Ludwig das Thema gewiss nicht in den Wahlkampf mitschleppen möchte, darf man davon ausgehen, dass das Rathaus die Anstrengungen erhöhen wird. Und es in einem Jahr vielleicht ein Happy End gibt.
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