Umstrittener Gutachter vor Ablöse
Österreich dürfte in Kürze ohne einen gerichtlich beeideten Sachverständigen für die Länder Afghanistan, Syrien und den Irak da stehen.
Wie berichtet, steht der einzige Gutachter auf dem Gebiet, Karl Mahringer, stark in der Kritik. In seinen Gutachten, die häufig Grundlage für abgelehnte Asylanträge sind, stellte Mahringer etwa fest, dass die Rückkehr nach Afghanistan für junge Männer durchaus zumutbar sei: Um einem Attentat zu entkommen, müsse man nur einen Umweg von zehn Minuten in Kauf nehmen.
Mahringer wird von mehreren Experten vorgeworfen, nicht wissenschaftlich zu arbeiten. Plagiatsprüfer Stefan Weber bezeichnete sein Gutachten zur Lage in Afghanistan gar als „Reisebericht“, der als Entscheidungsgrundlage „komplett untauglich“ sei (siehe Kasten). Aufgrund der Vorwürfe leitete das Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien (das die Gutachterliste führt), ein Überprüfungsverfahren ein.
Wie der KURIER erfuhr, liegt jetzt das Ergebnis vor: „Die Kommission (bestehend aus einem richterlichen Vorsitzenden und drei Fachprüfern, Anm.) hat sich eine Meinung gebildet. Diese wurde Herrn Mahringer persönlich zur Kenntnis gebracht“, sagt Beatrix Engelmann, Vizepräsidentin des Landesgerichts. Darüber, wie die Entscheidung ausgefallen ist, konnte Engelmann keine Auskunft geben. „Es liegt noch kein Bescheid vor, Herr Mahringer hat nun die Möglichkeit, binnen 14 Tagen eine Stellungnahme abzugeben“, sagt Engelmann. Dem Vernehmen nach dürfte Mahringer aber vor der Ablöse stehen. Der Bescheid werde, sobald er ausgestellt ist, wohl bekämpft werden, heißt es aus gut informierten Kreisen (sobald das Präsidium des Landesgerichts den Bescheid erlassen hat, kann der Sachverständige dagegen Beschwerde einlegen, Anm.).
Kein Kommentar
Mahringer wollte sich auf KURIER-Anfrage nicht äußern, er wisse nichts von einer Entscheidung. Auch seine Rechtsvertretung will zum laufenden Verfahren keinen Kommentar abgeben.
Fest steht: Wird Mahringer abgelöst, gibt es keinen gerichtlich beeideten Sachverständigen zur Länderkunde von Afghanistan, Syrien und dem Irak mehr. Ein Problem für die Rechtsprechung am Bundesverwaltungsgericht (BVwG), an dem Asylverfahren in der zweiten Instanz verhandelt werden? „Nein“, sagt Sprecherin Dagmar-Strobel Langpaul. „Für die Beurteilung der Lage im Herkunftsland steht eine Vielzahl an Informationsquellen als mögliche Beweismittel zur Verfügung.“ Etwa Informationen der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Informationen von UNHCR, NGOs oder beauftragte Gutachten von sonstigen Sachverständigen.
Warum hat das BVwG Anfang 2017 dann Bedarf an einem zertifizierten Sachverständigen angemeldet? Laut der Sprecherin als „zusätzliche Quelle“ für die Bewältigung des „großen Brocken an Beschwerdefällen in Asylverfahren zu Afghanistan“.
Kurios: Während seines Verfahrens lieferte Mahringer dennoch ein „Rechercheergebnis“ zur Situation von LGBT-Flüchtlingen (LGBT steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle und transgender Personen, Anm.) aus dem Irak. Den Auftrag dafür erhielt er 2017 von einem Linzer Richter.
Chronologie und Hintergrund
Jänner 2017: Karl Mahringer wird gerichtlich beeideter Sachverständiger für Afghanistan, Syrien und den Irak.
Februar 2018: Nach einem Auftrag der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung kommt Plagiatsprüfer Stefan Weber zu dem Schluss: Mahringers Gutachten ist unwissenschaftlich und als Entscheidungsgrundlage „komplett untauglich“.
Mitte Juli 2018: Die Entscheidung der Überprüfungskommission liegt vor. Der Bescheid des Präsidiums ist aber noch ausständig.
Lücken: Den einzigen zweiten gerichtlich beeideten Sachverständigen auf dem Gebiet der Länderkunde gibt es für die Türkei.
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