Übergriffe auf Jugendbetreuer in Wien mehr als verdoppelt
Ein 14-Jähriger hatte im Juni WG-Betreuerinnen mit einem Feuerlöscher besprüht, eine 13-Jährige war mit einem Messer in der Hand auf eine der Pädagoginnen zugelaufen und hatte sie mit dem Tod bedroht.
Am Dienstag musste sich der Ältere deshalb vor Gericht verantworten.
Auch wenn derartige Fälle von schwerer Körperverletzung nicht Alltag in den Wohngemeinschaften der Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) sind, zeigt ein Blick in die Statistik doch, dass das aggressive Verhalten zunimmt.
Heuer bereits 55 Fälle
Wurden 2022 noch 20 Gewalttaten gemeldet, die von Kindern und Jugendlichen gegen Pädagogen verübt wurden, stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 54. Heuer verzeichnet die MA 11 bereits 55 Vorfälle – und das, obwohl das Jahr noch nicht zu Ende ist. in.
Wie lässt sich dieser Anstieg nun erklären? „Die Wiener Kinder und Jugendhilfe hat 2023 eine neue Richtlinie bezüglich der Meldungspflicht zu Übergriffen von Kindern auf Pädagoginnen herausgegeben“, sagt Ingrid Pöschmann, Sprecherin der MA 11.
Dies führte seitdem zu einer erhöhten Sensibilisierung für das Thema, sowie in weiterer Folge zu vermehrten Meldungen.
Bei den meisten Meldungen gehe es vor allem um leichte körperliche Übergriffe, wie Kratzer, leichte Schläge und Tritte, die „keine weiteren körperlichen Verletzungen verursachen und häufig im Zuge von Impulsdurchbrüchen auftreten, auch bei jüngeren Minderjährigen“, erklärt die MA-11-Sprecherin.
Drei Mitarbeiter im Spital
Aber es komme auch zu schwerwiegenderen körperlichen Übergriffen, etwa durch Würgen oder Tritte in den Bauch- und Intimbereich oder starke Schläge im Kopfbereich.
Auch massive Übergriffe mit Stangen, Scheren und Steinen seien bereits vorgekommen. Drei Jugendbetreuer wurden in den vergangenen zwei Jahren sogar so schwer verletzt, dass sie stationär im Krankenhaus aufgenommen werden mussten. In seltenen Fällen hätten Mitarbeiter deshalb auch bereits gekündigt.
„In der sozialpädagogischen Arbeit mit hochbelasteten Kindern in einem sozialtherapeutischen Wohnsetting kommt es immer wieder zu Situationen, die eskalieren können“, sagt die Expertin.
"Bedürfnisse werden nicht erfüllt"
Dabei könne es sich – wie bei dem Prozess am Dienstag – etwa um unerlaubten Besuch handeln, den Jugendliche in ihre WG mitnehmen. Häufig sind es auch vermeintlich Kleinigkeiten, die zur Eskalation führen: Wenn etwa ein Steak mit Spiegelei oder der spontane Wunsch, ins Kino zu gehen, verwehrt werden. Eskalationen würden vor allem dann entstehen, wenn unmittelbare Bedürfnisse nicht erfüllt werden.
Wohngemeinschaft
Im vergangenen Jahr lebten 2.018 Kinder in Wohngemeinschaften der MA 11. Der Wert nimmt stetig zu, 2019 waren es noch 1.850 Kinder.
Pflegeeltern
1.548 Kinder und Jugendliche waren 2023 bei Pflegeeltern untergebracht, 402 wohnten bei Verwandten
4.944 Kinder
und Jugendliche wurden 2023 von der MA 11 psychologisch betreut
Deeskalierende Maßnahmen
Passieren derartige Übergriffe, reagiert die MA 11 mit „maßgeschneiderten Fortbildungen, Einzelsupervisionen und therapeutischer Begleitung.“
Es besteht zudem die Möglichkeit, sich innerhalb der Einrichtung versetzen zu lassen. Bei Bedarf werde auch externe Unterstützung, wie die Polizei hinzugezogen, so Pöschmann. Die Sicherheit aller Beteiligten habe oberste Priorität.
Kommentare