„Diese Kinder sind bereits alle in ,voller Erziehung‘, das heißt, sie wohnen bei Pflegeeltern oder in betreuten Wohngemeinschaften. Es sind Kinder, bei denen die herkömmlichen Methoden nur bedingt oder gar nicht funktionieren, die unsere Hilfe nicht annehmen können. Deswegen haben wir das Jugendschiff ,Noah‘ ins Leben gerufen“, sagt die Sprecherin der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11), Ingrid Pöschmann.
Projekt seit 2010
2010 beauftragte die Kinder- und Jugendhilfe den Verein „Noah“ mit dem sozialtherapeutischen Projekt. Von September bis Juni segeln jeweils vier Kinder – die mindestens zwölf Jahre alt sind – mit Sozialpädagogen und Skippern über die Meere.
Das Schiff „Noah“ war ursprünglich ein Fischkutter, der im Jahre 1949 gebaut wurde. Bei ihrer Übernahme 1981 in den Verein musste sie generalsaniert werden und wurde zu einem Segelkutter umgebaut.
50 Tonnen schwer
Seit der Fertigstellung 1982 bietet das fast 50 Tonnen schwere Schiff Platz für zwölf Personen auf gut 70 Quadratmetern. „Der Platz ist durchaus beengt, es gibt keinen Kühlschrank, keine Duschen, keine Waschmaschine“, erklärt Nicole Ortner, stellvertretende Geschäftsführerin des Vereins „Noah“.
Den Kindern werden dadurch Grenzen aufgezeigt. „In Wien könnten sie in schwierigen Situationen dann einfach zu Freunden abhauen oder in Parks untertauchen. Am Schiff funktioniert das nicht“, so Ortner.
Außerdem komme es am Schiff zur Reizreduktion. „In Wien kämpfen viele mit Reizüberflutungen. Am Schiff nimmt man nur das Nötigste mit und muss lernen, mit den Regeln, die gemeinsam mit den Pädagogen aufgestellt werden, zu leben“, schildert Ortner weiter. Es gehe darum, den Kindern Verantwortungsbewusstsein zu vermitteln, Teamfähigkeit, das Einhalten von Grenzen.
Lehrer wird eingeflogen
Während der zehn Monate bekommen die Kinder auch Unterricht. In regelmäßigen Abständen legt die „Noah“ an verschiedenen Häfen an. Dort wird eine Lehrperson eingeflogen, die die Kinder einen Monat lang unterrichtet.
Für den kommenden Monat auf hoher See bekommen die Jugendlichen Hausaufgaben mit. Die Schüler absolvieren ihre Prüfungen auch auf dem Schiff, die Sozialpädagogen schicken anschließend Notenempfehlungen an ihre „Stammschulen“. „Für viele Kinder ist dies der einzige Weg, zu einem positiven Schulabschluss zu kommen“, ergänzt Pöschmann von der MA 11.
Denn auch wenn einige der Kinder in der Heimat die Schule abbrechen oder schwänzen, wissen sie genau, dass ein Abschluss ihre Perspektiven um ein Vielfaches verbessert, ergänzt Ortner. Und betont aber zugleich: „Wir sind keine Reparaturwerkstatt. Wir vermitteln den Kindern nur, was sie in ihrem Alltag sonst nicht mitbekommen: Dass sie Vertrauen haben können, dass sie Dinge schaffen können. Und dass sie etwas wert sind.“
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