Bevor ein Richter urteilen muss: Was tun gegen Jugendkriminalität?

Jugendlicher zieht Messer aus Hosentasche
Land Steiermark richtet Koordinierungsstelle ein und fordert verpflichtende Begleitung suspendierter Schüler sowie einen Strafrechtskonvent.

Knapp 10.000 Mal wurden im Vorjahr Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren Straftaten zugerechnet, die zu Strafverfahren geführt hätten, wären die Verdächtigen älter gewesen.

Im Vergleich zu 2022 ist das ein Plus von 2,1 Prozentpunkten, verglichen mit 2013 eine Verdopplung.

Da aber gegen unter-14-Jährige nicht ermittelt werden kann, bleibt ein Graubereich, heißt es seitens es "Netzwerk Kriminalpolitik", sie sind strafunmündig. So lasse sich nicht nachweisen, ob schwere Straftaten in der Altersgruppe tatsächlich derart gestiegen sind.

Damit es aber nicht so weit kommt, dass aus strafauffälligen Kindern strafmündige Jugendliche oder junge Erwachsene werden, versuchen Politik wie Expertengremien, Maßnahmen zum Gegensteuern zu entwickeln.

Das Land Steiermark etwa richtet eine "Koordinierungsstelle" ein, damit sich sämtliche mit solchen Vorfällen befassten Stellen - etwa Schulen, Kinder- und Jugendanwaltschaft, Polizei - vernetzen können.

Welche Folgen könnte es geben?

 "Wir haben sehr viele Institutionen, die mit dem Thema konfrontiert sind, aber da hat es bisher zu wenig Koordination gegeben", begründet Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP). Entscheidend sei jedoch, weitere mögliche Straftaten zu verhindern: "Es braucht ein mehr an Konsequenzen und Sanktionen, bevor das Strafrecht greift." 

Eine dieser Konsequenzen sei die Begleitung suspendierter Schülerinnen und Schüler durch Expertinnen und Experten. "Eine Suspendierung vom Unterricht wird vermutlich von den Betroffenen als behördlich sanktioniertes Schulschwänzen gesehen", glaubt Drexler. "Weil es daneben nichts gibt."

Betreuung während der Suspendierung könnte da helfen, ab dem neuen Schuljahr soll das in der Steiermark umgesetzt werden, kündigt der Landeschef an. 

Ruf nach Strafrechtskonvent 

Allerdings mit einer Einschränkung: So eine Begleitung ist derzeit nur mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten möglich. "Ich bin der Meinung, dass so etwas  verpflichtend sein muss", betont Drexler und fordert eine entsprechende Gesetzesänderung vom Bund. Rechtliche Handhabe für eine Verpflichtung hat das Bundesland nicht.  "Es wird ein Strafrechtskonvent auf Bundesebene nötig sein, um das durchzudiskutieren."

Denise Schiffrer-Barac, steirische Kinder- und Jugendanwältin, will auch bei den Eltern ansetzen und mahnt das verfassungsrechtlich verankerte Recht auf Kindeswohl ein.  "Kein Kind ist von Natur aus böse. Aber aus den Bedingungen, in denen es aufwächst, resultieren bestimmte Verhaltensweisen."

Vom Vorstoß der ÖVP, die Strafmündigkeit unter bestimmten Umständen von 14 auf 12 Jahre zu senken - genannt wurden schwere Taten wie Vergewaltigung oder bewaffneter Raub - hält die Expertin wenig. "Wir müssen das anders denken, das Strafrecht ist die letzte Konsequenz."

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