Trockenheit macht Misteln für Bäume zum Problem
Der Baum mit der Nummer 2.073 hat es überstanden.
Zwei Baumpfleger stehen auf einer Hebebühne in dem, was von der Krone noch übrig ist. Ast für Ast tragen sie ab, am Ende schneiden sie den Baum ganz um.
Dem Spitzahorn im Stadtpark ging es schon länger nicht mehr gut. Misteln, die sich in seinen Ästen eingenistet haben, gaben ihm – vermutlich – den Rest.
Wer dieser Tage durch den Stadtpark geht, kann die großen, grünen Mistelkugeln in den Bäumen kaum übersehen. Und auch die Baumpfleger der Wiener Stadtgärten nicht.
Hoch oben im Geäst arbeiten sie, fast immer mit Publikum auf dem Boden. Derzeit sind die Arbeiter hinter der Meierei mit der Durchführung von „Maßnahmen“ beschäftigt, wie das im Fachjargon heißt.
Einmal im Jahr wird jeder Baum in Wien einer routinemäßigen Kontrolle unterzogen. Ist der Baum nicht mehr ganz sicher, müssen „Maßnahmen“ durchgeführt werden. Sie reichen vom Einkürzen eines Astes bis zur Fällung.
Halbschmarotzer
Von den 423 Bäumen, die dort, in jenem Teil des Stadtparks, der zum 3. Bezirk gehört, stehen, sind bei 80 „Maßnahmen“ notwendig. Von den 623 aufseiten des 1. Bezirks muss bei 100 etwas getan werden.
Dass dafür vor allem Misteln in den Baumkronen verantwortlich sind, wie man hört, will Karl Hawliczek, Leiter der Grünflächenpflege in den Stadtgärten, so nicht bestätigen. „Wir fahren zu keinem Baum extra, um ihn von Misteln zu befreien“, sagt er.
Misteln seien nicht per se „sicherheitsrelevant“ – wegen der Misteln droht also nicht ein Ast herunterzubrechen. Aber wenn die Baumkontrolle ergebe, dass am Baum etwas gemacht werden muss, dann kümmere man sich eben auch um die Misteln.
Laut Forstdirektor Andreas Januskovecz sind Misteln in Wien „punktuell“ ein Problem. Denn: Misteln sind sogenannte Halbschmarotzer. Sie „sitzen“ nicht nur auf dem Baum, sondern wurzeln tief in ihn hinein – bis zu einem halben Meter – und bedienen sich an seinem Wasser.
Bekommt also ein Baum zu wenig Wasser und haben sich dann schon vier, fünf, sechs Mistelkugeln in der Krone gebildet, kann das existenzbedrohend für den Baum sein. Anhaltende Trockenheit verschärft das Problem.
Im Wald werden Bäume, die stark von Misteln befallen sind, gefällt (und nachgepflanzt), in den Parks lässt man sie bestehen.
„Eine Mistel ist kein böses Ding“, sagt Grünflächen-Chef Hawliczek. Sie ist immergrün, produziert also auch selbst Sauerstoff, und ist beliebte Futterquelle für Vögel (über sie erfolgt auch die Verbreitung). Entfernt werden Misteln erst, wenn sie die Statik eines Parkbaumes gefährden.
Solange das nicht der Fall ist, dürfen sie gewähren.
Und liegen, wenn es die „Maßnahme“ vorsieht, nach getaner Arbeit der Baumpfleger in großen Haufen auf dem Asphalt.
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