Terrorprozess: Staatsanwaltschaft fordert Höchststrafen

Terror-Prozess am Wiener Landesgericht hat begonnen
„Auf derart hinterhältige Angriffe auf unsere Werte und die Demokratie steht zurecht die Höchststrafe“, sagte die Staatsanwältin.

Am Wiener Landesgericht für Strafsachen geht der Prozess gegen sechs mutmaßliche Unterstützer des Attentäters von Wien in die Zielgerade. Nachdem in der Vorwoche das Beweisverfahren abgeschlossen wurde, hielt am Dienstag die Staatsanwältin ihren Schlussvortrag, dann kamen die Rechtsvertreter der Angeklagten zu Wort.

Nach „14 intensiven und anstrengenden Verhandlungstagen“, wie sie es nannte, fasste die Staatsanwältin die Beweise zusammen, die aus ihrer Sicht zu Verurteilungen aller sechs Angeklagten führen sollen. Eingangs sprach sie den Geschworenen ihren Dank für ihr „beherztes und interessiertes Auftreten“ aus. Tatsächlich fielen die Geschworenen im Laufe des Verfahrens immer wieder mit peniblen Fragen an die Angeklagten, aber auch die Zeugen auf.

Die Staatsanwältin erinnerte die Laienrichter aber auch daran, dass es bei diesem Prozess nicht um die Verfehlungen des Verfassungsschutzes im Vorfeld des Anschlags oder bereits verurteilte Familienmitglieder einzelner Angeklagter gehe. Die Geschworenen hätten lediglich die 28 Hauptfragen zu beantworten, die ihnen gestellt werden.

Alle sechs Angeklagten seien aus Sicht der Staatsanwalt schuldig, den Attentäter in irgendeiner Form unterstützt zu haben. „Auf derart hinterhältige Angriffe auf unsere Werte und die Demokratie steht zurecht die Höchststrafe“.

"Gibt keinen einzigen Beweis"

Naturgemäß anders sahen das die Anwälte der Angeklagten: David Jodlbauer, der Verteidiger des Erstangeklagten, dem vor allem vorgeworfen wird, mit dem Attentäter zwecks Munitionskauf in die Slowakei gefahren zu sein, betonte, sein Mandant sei „kein Extremist“. Dieser habe nicht gewusst, dass es einen Anschlag geben wird und er habe den Attentäter auch nicht unterstützt. Die Beweislage sei „dünn“. Die Reaktion des Rechtsstaats könne nicht sein, auf dieser Basis Schuldsprüche zu fällen, weil der unmittelbare Täter nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann. „Mein Mandant ist freizusprechen. Das sage ich Ihnen, weil ich wirklich davon überzeugt bin“, meinte Jodlbauer zu den Geschworenen.

„Die Beihilfe zu einem Attentat ist nicht haltbar“, meinte Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger für den Zweitangeklagten. Es gebe „keinen einzigen Beweis“ für die Behauptung der Staatsanwaltschaft, dass der Zweit- und der Drittangeklagte kurz vor dem Anschlag in der Wohnung des Attentäters waren. Weiters habe die Staatsanwältin „uns bis heute nicht gesagt, wo der psychische Tatbeitrag gewesen ist“, der seinem Mandanten zur Bestärkung des Täters in dessen mörderischen Plänen unterstellt werde.

"Recht muss Recht bleiben"

„Recht muss Recht bleiben. Auch wenn ein derart arger Anschlag passiert“, gab Arbacher-Stöger zu bedenken. Die Beweislage reiche nicht, „um einen jungen Menschen so lange ins Gefängnis zu bringen. Es sei “unmöglich, meinen Mandanten in irgendeiner Form schuldig zu sprechen."

Verteidiger Rudolf Mayer, der den Drittangeklagten vertritt, räumte ein, dass dieser mit dem Attentäter gut bekannt und befreundet gewesen sei: “Aber so weit ist die Freundschaft nicht gegangen, dass er ihm geholfen hat.„ Mayer räumte ein, sein Mandant habe Propagandamaterial der radikal-islamistischen Terror-Miliz “Islamischer Staat„ (IS) besessen und verbreitet. Mit dem Anschlag habe er jedoch nichts zu tun gehabt. Diesbezüglich fehle jeglicher Schuldbeweis. “Wenn Sie Zweifel haben, müssen sie 'Nein' sagen (die Hauptfrage nach Beteiligung an Vorbereitungshandlungen verneinen, Anm.), unabhängig von der Fürchterlichkeit dieser Tat„, meinte Mayer in Richtung der Geschworenen.

"Eine AK-47 hat nur einen Anwendungsbereich"

 „Klar ist, dass jeder einzelne der hier sitzenden Angeklagten den Attentäter in irgendeiner Form unterstützt hat“, betonte die Staatsanwältin.

Der Sechstangeklagte etwa dadurch, dass er die Waffenbeschaffung mitorganisiert und zum Teil abgewickelt habe, indem er den Kontakt zum Fünftangeklagten hergestellt habe. Letzterer wiederum habe sich durch die Vermittlung und schließlich Übergabe der beim Anschlag verwendeten Waffe an den Attentäter schuldig gemacht.

Beide Angeklagten hätten zugegeben, an der Waffenbesorgung beteiligt gewesen zu sein, von den Anschlagsplänen wollen sie aber nichts gewusst haben. „Eine AK-47 hat nur einen Anwendungsbereich, und das ist das Töten von Menschen“, richtete sich die Staatsanwältin an die Geschworenen.

"Zu Morden beigetragen"

Dass der Sechstangeklagte nichts von den Plänen gewusst habe, widerspricht laut Staatsanwaltschaft „jeder Logik“. Der langjährige Freund des späteren Attentäters wurde bereits in der Vergangenheit rechtskräftig verurteilt, habe aber auch nach seiner Verurteilung noch radikalislamistische Nasheeds (Lobpreisungen) verbreitet. Dass er dem Attentäter „so etwas niemals zugetraut“ hätte, glaubte ihm die Staatsanwältin nicht. Auch deshalb, weil der Angeklagte gegenüber seinem Vater von der Angst sprach, dass sein Freund einen Anschlag verüben könnte.

Geständig zeigte sich der Fünftangeklagte, was die Beschaffung des Sturmgewehres betrifft. Ihm wird jedoch auch vorgeworfen, die Waffe am Tag vor dem Anschlag in der Wohnung des Attentäters aufmunitioniert zu haben. Dafür spreche seine DNA auf der Munition und die Telefondaten, die beweisen, dass er sich zumindest im Umkreis der Wohnung aufgehalten hatte, betonte die Staatsanwältin.

„Aber selbst wenn sie dieses Treffen mit dem Attentäter verneinen und zu dem Schluss kommen, dass er selbst nicht radikalisiert ist, hat er durch die Beschaffung noch immer zu vier Morden beigetragen“, richtete sich die Staatsanwältin erneut an die Geschworenen.

Freund oder flüchtiger Bekannter?

Als einziger der sechs Angeklagten nicht in U-Haft sitzt der Erstangeklagte - jener Mann, der den Attentäter im Sommer 2020 nach Bratislava chauffierte, wo letzterer versuchte, an Munition für eine AK-47 zu kommen. Immer wieder habe er während den Ermittlungen und der Hauptverhandlung seine Aussage geändert, kritisierte die Staatsanwältin seine Glaubwürdigkeit.

„Einmal war er ein Freund, dann wieder nur ein flüchtiger Bekannter des Attentäters“. Seine Aussagen zu jenem Tag im slowakischen Waffengeschäft, wonach er nicht im Geschäft gewesen sei, während der Attentäter sich nach Munition erkundigte, wurden laut Staatsanwältin durch die Mitarbeiter eben jenes Geschäfts widerlegt. Er sei dabei gewesen, und habe „genauso enttäuscht reagiert wie der Attentäter, als sie keine Munition bekamen“.

Aber auch sein Verhalten im Anschluss an den Terroranschlag befand die Staatsanwältin für konspirativ. Unmittelbar nach der Tat habe er den Drittangeklagten vor einer etwaigen Razzia gewarnt und sein Handy auf Werkseinstellungen zurückgesetzt. Außerdem zeige die Auswertung seiner Datenträger „ein klares Bild seiner Gesinnung“.

Insgesamt 1,6 Mio. Euro nach Wiener Terror-Anschlag zugesprochen

Nach dem Anschlag, der vier Todesopfer forderte, bekundeten viele ihre Anteilnahme

Nur „eins und eins zusammenzählen“ müssten die Geschworenen, wenn sie sich über die Schuld des 28-jährigen Viertangeklagten beraten. Dieser hatte in den Wochen vor dem Anschlag beim Attentäter gewohnt, DNA-Spuren fand man auf den Waffen, der Munition und - so die Staatsanwältin - „nahezu allen Gegenständen“, die der Attentäter beim Anschlag in einer Tasche mit sich führte.

Beweise für radikal-islamistische Gesinnung

„Sekundärübertragung“ war immer wieder das Argument seiner Verteidigung. Man habe aber auch „Schmauchanhaftungen, wie beim oberflächlichen Putzen einer Waffe“ auf einem Putzfetzen gefunden. Chatprotokolle mit seiner Frau, in denen er sie um Übersetzung mehrerer IS-Publikationen bittet, seien einer von mehreren Beweisen für seine radikal-islamistische Gesinnung. Dass mehrere Mitglieder seiner Familie sich dem IS angeschlossen hatten, müssten die Geschworenen bei ihrer Beurteilung jedoch außen vor lassen, bekräftigte die Staatsanwältin.

Nicht voneinander trennen könne man die Schuld des Zweit- und des Drittangeklagten - zwei langjährige Freunde des Attentäters, denen die psychische Bekräftigung der Anschlagspläne sowie Hilfe bei der Wahl des Anschlagsziels vorgeworfen wird. Dass nach einem Lokal und dessen Adresse gesucht wurde, zeigen Handyauswertungen des Drittangeklagten.

Dass die beiden am Tag des Anschlags bei dem Attentäter waren, um diesem wie geschildert ein Buch zurückzubringen, glaubte die Staatsanwältin nicht. Viel eher hätten sie ihm Mut zugesprochen und seien in der Wohnung gewesen, als er ein Bekennervideo aufnahm.

"Glaube Angeklagten kein Wort"

Direkt nachdem der Attentäter am Abend die Wohnung verlassen hatte und sich am Weg in Richtung Schwedenplatz gemacht hatte, habe er eine Bekennerbotschaft gesendet, die vom Drittangeklagten positiv kommentiert wurde. „Eine Botschaft, die jeder Anhänger des IS versteht, egal ob er Arabisch spricht oder nicht“.

Vor knapp vier Jahren wurden der Drittangeklagte und der spätere Attentäter verurteilt, weil sie versucht hatten, sich auf den Weg nach Syrien zu machen und dort dem IS anzuschließen. Staatsanwältin im damaligen Prozess war dieselbe wie auch in diesem. „Damals haben uns die beiden versichert, dass sie keine Anhänger des IS sind. Heute wissen wir, dass ihre Beteuerungen falsch waren“, erinnerte sie sich. Und abschließend: „Ich glaube den sechs Angeklagten kein Wort“.

Im Falle der Höchststrafe droht vier der sechs Angeklagten eine lebenslange Haft. Den anderen beiden drohen maximal 20 Jahre, da sie zum Tatzeitpunkt noch keine 21 Jahre alt waren. Die Schlussworte der Angeklagten sind erst für den morgigen Mittwoch vorgesehen, daran anschließend ziehen sich die Geschworenen zu ihren Beratungen zurück. Die Urteile könnten dann am Mittwochnachmittag fallen.

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