Taxler durfte Räuber erschießen

Begleitet von Anwalt Rast (links) demonstrierte Taxler Günther W. beim Lokalaugenschein...
Experten erklären, was bei einem Angriff erlaubt ist und wo eine Grenze überschritten wird.

Die Notwehr geht für den Normalbürger relativ weit“, sagt der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer: „Und sie geht weiter als für den Polizisten.“ Beide dürfen dem Gesetz nach einen unmittelbaren Angriff gegen Leib und Leben sowie gegen das Vermögen auch mit Waffengewalt abwehren.

Aber während der Polizist auf antrainierte Alternativen zurückgreifen kann und muss, bleibt dem überfallenen Juwelier oder Taxifahrer oft keine Wahl. „Das erklärt, warum solche Verfahren häufig eingestellt werden“, sagt Birklbauer.

Wie erst jetzt wieder im Fall des Taxlers Günther W. Der 59-Jährige war am 5. Juni in Wien-Donaustadt von einem vermeintlichen Fahrgast angegriffen worden, als es ums Bezahlen des Fuhrlohns ging. Der 21-jährige pakistanische Asylwerber nahm den Fahrer von hinten in den Schwitzkasten und hielt ihm ein Messer an den Hals. Günther W. griff zur Pistole und feuerte über seine Schulter einen tödlichen Schuss auf den Räuber ab.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den von Anwalt Nikolaus Rast verteidigten Taxler wegen Mordes. Ein Schießsachverständiger und ein Gerichtsmediziner beurteilten die vom Schützen gemachten Angaben anhand der Spurenlage (Schusskanal, Lokalaugenschein) für nachvollziehbar, das Verfahren gegen den Chauffeur wurde daraufhin wegen „gerechtfertigter Notwehr“ eingestellt.

Bevor der Pakistani auf der Straße tot zusammengebrochen war, hatte W. noch zwei Mal in Luft geschossen. Hätte er den flüchtenden Räuber erst dabei tödlich getroffen, wäre die Sache für ihn wahrscheinlich anders ausgegangen.

Bein stellen

„Auf der Flucht nachschießen, damit überschreitet man die Grenze“, sagt Anwalt Rast. Laut Strafrechtler Birklbauer ist der unmittelbare Angriff dann nämlich bereits vorbei. Und es ist dem Überfallenen nur noch erlaubt, dem Täter „ein Bein zu stellen oder höchstens, ihm in den Fuß zu schießen“, um ihn aufzuhalten. Aber ihn zu töten, nur um die Beute zu retten, ist von der Notwehr nicht mehr umfasst. Überhaupt kommt es schon auch auf die Angemessenheit an: „Wenn zum Beispiel jemand nur verbal droht, darf man nicht mit einer Pistole dagegenhalten“ (Birklbauer).

„Schnelle Hilfe zum Selbstschutz muss auch aus menschenrechtlicher Sicht in Ordnung sein“, sagt Heinz Patzelt von Amnesty International: „Man kann Verständnis aufbringen, dass ein Taxler schießt, wenn er bewaffnet überfallen wird. Andere Hilfe würde zu spät kommen.“ Auch Juweliere und Trafikanten greifen immer häufiger zur Waffe, wenn sie überfallen werden (siehe Auflistung rechts). Sie sind damit strafrechtlich zumeist gut gefahren.

Auf der Lauer

Nur die Zeche (oder den Kaufpreis) schuldig zu bleiben, reicht für Patzelt allerdings noch nicht als Rechtfertigung für eine Schussabgabe. Auch „bei Selbstjustiz mit Bürgerpatrouillen nach amerikanischem Zuschnitt“ fühlt sich Patzelt unwohl. Er denkt an den Juwelier, der sich 2004 in seinem Geschäft in der Meidlinger Hauptstraße auf die Lauer gelegt und einen Räuber durch den geschlossenen Rollbalken erschossen hat. Nach der Devise: „Wenn der reinzukommen versucht, erschieß ich ihn!“

Dem Juwelier wurde damals auch Notwehr zugebilligt, damit kann sich der Menschenrechtler nicht anfreunden.

In Wien wurden seit 2004 vier Räuber beziehungsweise Einbrecher erschossen – von einem Taxifahrer, einem Trafikanten und zwei Juwelieren. In drei Fällen billigte die Staatsanwaltschaft dem Schützen Notwehr zu, der vierte Fall ist noch offen. Dabei erschoss im Juni ein Juwelier einen Litauer. Ein Projektil traf den Räuber offenbar von hinten in den Nackenbereich. Derzeit steht noch ein Gutachten aus, dann wird über eine mögliche Anklage gegen den Juwelier entschieden.

Eher überrascht waren Beobachter, dass 2004 keine Anklage erhoben wurde, nachdem ein Juwelier einen polnischen Einbrecher durch den geschlossenen Rollbalken erschoss. Relativ eindeutig war hingegen die Notwehr eines Trafikanten 2010 in der Vorgartenstraße, der von einem Räuber tätlich angegriffen worden war.

Ich arbeite für die Mafia, ich habe kein Geld bei mir“. Diesen Satz hat Taxiunternehmer Alfred Grimann gehört. Er fuhr mit der Dame sofort zur Polizei. „Die Beamten haben sie durchsucht, aber kein Geld gefunden. Wenn ich dort jetzt 45 Minuten sitze und ein Protokoll aufgebe, dann werfe ich dem verlorenen Geld noch meine Zeit nach“, erzählt der 61-Jährige. Er hat drei Taxis auf Wiens Straßen und beschäftigt zurzeit sieben Lenker.

„Jeder fährt Taxi“

Das Publikum hat sich verändert. Während sich früher nur Menschen mit Geld die Fahrt leisten konnten, steigt heute jeder ein – unabhängig von Alter und sozialem Status. Das erhöht die Zahl der Delikte. „Einer meiner Fahrer ist von vier Jugendlichen krankenhausreif geschlagen, und ausgeraubt worden. Den Tätern ging es wahrscheinlich nur um den Nervenkitzel. Wenn es früher so einen Vorfall gab, dann waren sofort bis zu 20 Kollegen da, um zu helfen.“ Durch den Konkurrenzdruck ist das jetzt anders. Erstens gibt es weniger Kameradschaft unter den Lenkern. Zweitens würde ein Hilferuf über das neue Funksystem zu lange dauern.

Abtrennung zum Gast

Alfred Grimann hat seine Taxis nicht mit Videoüberwachung ausgestattet. Die Kosten sind zu hoch und die Wirksamkeit zu hinterfragen. „Es mehren sich Vorfälle, bei denen die Leute einfach in einer Stau-Situation aus dem Taxi springen – ohne zu Zahlen. Selbst eine Kamera würde das nicht verhindern.“

Der Unternehmer unterrichtet auch in einer Taxilenker-Schule. „Es gibt viele, die ihre Berechtigung machen, und dann lange Zeit gar nicht im Beruf tätig sind. Das wäre aber wichtig. Man lernt nur auf der Straße, wie man sich in heiklen Situationen richtig verhält.“ Grimann glaubt, dass eine Abtrennung zwischen Lenker und Fahrgast, gefährliche Situationen verhindern könnte: „Wenn der Gast erst einmal im Auto sitzt, dann hat man wenig Chance zu reagieren. Merkt man dann, dass mit dem Kunden etwas nicht stimmt, hilft nur mehr selbstbewusstes Auftreten.“

Im Juni erschoss ein Chauffeur einen Taxiräuber – in einer Notwehrsituation. Vor wenigen Tagen schlug ein 27-Jähriger auf einen Lenker ein. Der Taxler musste ins Krankenhaus. Branchenkenner Grimann spricht sich deshalb für Abtrennungen aus, wie man sie aus US-Taxis kennt.

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