Tanzcafés: Die Wiederbelebung im Dreivierteltakt
Sonntags führt im Wiener Stadtbräu der Weg ins Untergeschoß auch in die Vergangenheit. Auf der Treppe kommen einem gemeinsam mit Männern in Hosenträgern auch die Evergreens aus der eigenen Tanzschulzeit entgegen: Rock Around The Clock. Jailhouse Rock. Achy Breaky Heart. Auf der Tanzfläche zwischen den Tischen wirbeln Paare über die Fliesen.
Mit seinem „Sonntagstanz “ bietet das das ehemalige Chattanooga am Graben die ungewöhnliche Möglichkeit, Boogie, Jive oder Walzer zu tanzen.
Es soll aber nicht das einzige Tanzcafé bleiben.
Im Aufbruch
Denn wenn gerade keine Ballsaison ist oder einem Bälle zu teuer sind und man nicht in der Perfektionsstunde einer Tanzschule tanzen möchte, gibt es in Bundeshauptstadt keine Möglichkeit, Gesellschaftstänze auszuüben. Und das, obwohl diese Stadt wie keine andere mit genau diesen Tänzen in Verbindung gebracht wird.
Und so soll in Wien das Tanzen wieder Einzug in Cafés halten. Das kündigte Gerti Schmidt, Obfrau der Fachgruppe Freizeit- und Sportbetriebe in der Wirtschaftskammer Wien, am Dienstag an.
„Ich möchte einen Ort außerhalb der Tanzschulen schaffen, in dem Walzer, Boogie und Co. getanzt wird.“
Sie möchte eine Eventreihe außerhalb der Tanzschulen ins Leben rufen, die – idealerweise von Donnerstag- bis Sonntagabend – Gesellschaftstänzern eine Plattform zum Drehen, Wirbeln und Schweben bietet.
"Eine Wahnsinnstradition"
Das Gespräch mit Kaffeehaus-Obmann Wolfgang Binder ist fixiert. Und einige Kaffeehäuser, die sich für so eine Veranstaltungsreihe eignen würden, hätten sie bereits im Kopf. „Wir werden uns etwas überlegen“, sagt auch Karin Lemberger, Leiterin der Tanzschule Dorner und Präsidentin des Wiener Tanzlehrer-Verbands.
„Wir haben in Wien eine Wahnsinnstradition und sind sehr gut aufgestellt – das muss mehr genützt werden.“
„Schöne Art, sich fit zu halten“
Anlass für diese Ansagen ist eine Studie, die das Market-Institut im Auftrag der Wiener Tanzschulen durchgeführt und am Dienstag präsentierte hat. Das Ergebnis: Rund zwei Drittel der 1.038 Befragten finden, dass Tanzen eine „schöne Art ist, sich fitzuhalten“ und „mit dem Partner etwas zu unternehmen.“
Doch: Nur ein Drittel der Wienerinnen und Wiener hat den vergangenen drei Jahren eine Tanzveranstaltung besucht. 40 Prozent würden sich freuen, wenn es hierzulande mehr Tanzmöglichkeiten gäbe.
Eine derartige Nachfrage kann Tanzschulbesitzerin Yvonne Rueff bestätigen. In ihrer Tanzschule hinter dem Rathaus melden sich immer mehr Touristen, die während ihres Wien-Aufenthalts einen Blitzkurs besuchen möchten. Vor allem jene, die schon ein bisschen Tanzerfahrung haben, fragen, nach Ende des Kurses dann: „Und wo können wir in Wien jetzt dann eigentlich Walzer tanzen?“ Es tut ihr jedes Mal leid, ihnen (derzeit noch) nicht wirklich Optionen nennen zu können.
Lindy Hop und Salsa die ganze Woche
Dass die Wienerinnen und Wiener alles andere als Tanzmuffel sind, wenn sie die Gelegenheit dazu haben, zeigt ein Blick in die Nischenangebote. Lindy Hop, ein Tanzstil aus den 1930ern und der Vorgänger von Jive und Boogie, kann sich seit Jahren über eine wachsende Community freuen.
Der Verein „Some Like It Hot“ ist mit 700 aktiven Mitgliedern der größte Swingtanzverein Europas. Und wer swingen möchte, findet dafür fast täglich eine Veranstaltung. Das Angebot reicht vom „Monday Mess Around“ im Fania Live in den Stadtbahnbögen bis zum „Swing The Boat“ sonntags im Badeschiff an Donaukanal.
Warum eigentlich, Karin Lemberger
Ähnlich sieht die Situation für Salsa-Fans aus. Montags gibt’s die Salsa-Bar im Albert-Schweizer-Haus, dienstags lädt das Mi Barrio in Wien-Mariahilf zur Salsaparty und mittwochs gibt es im Club Dual in der Burggasse von 21 Uhr bis Mitternacht kubanische Musik.
Die Situation könnte aber auch hier noch viel besser sein, meint Michael Hauser. Er organisiert den jährlichen „Vienna Salsa Congress“ im Palais Auersperg, der im Dezember zum sechsten Mal stattfindet: „Am besten für die Tanzszene sind richtige Tanzlokale, wie es das Havana oder Floridita einmal waren.“
Wasser auf der Tanzfläche
Nur: Mit der Tanzcommunity könnten sie oft nicht überleben, weil Tänzer gerne beim Wasser bleiben. „Und mit 3,50 Euro Umsatz pro Person ist man nicht überlebensfähig.“
Vielleicht sind die Gesellschaftstänzer aber trinkfreudiger als die Salsatänzer. Isabella Funk die mit ihrem Bruder das Stadtbräu leitet, kann sich jedenfalls nicht über die Einnahmen während des Sonntagstanzes beschweren: „Als wir vergangenes Jahr mit dem Event gestartet haben, war der Sonntag unser schwächster Tag. Heute ist er unser bester.“
68 Prozent der Wiener finden Tanzen eine schöne Art, sich fit zu halten.
Ein Viertel der Wienerinnen und Wiener finden Paartanz interessant.
34 Prozent der Wiener Bevölkerung halten sich für gute Tänzer.
Ein Drittel der Wienerinnen und Wiener war in den vergangenen drei Jahren auf einer Tanzveranstaltung.
80 Prozent finden es sehr wichtig, dass Jugendlichen in einem Tanzkurs der Umgang mit dem anderen Geschlecht gelehrt wird.
39 der Befragten wünschen sich mehr Tanzgelegenheiten.
72 Prozent der Generation 50+ ist es wichtig, dass junge Menschen eine Tanzschule besuchen.
Jeder dritte Wiener kann sich vorstellen, erneut einen Tanzkurs zu besuchen.
27 Tanzschulen gibt es aktuell in Wien. Die Ausbildung zum Tanzmeister dauert in Österreich drei Jahre.
Derzeit finden sich rund 60 Menschen in der Ausbildung.
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