Tätowieren in der Krise: Nur das Händchenhalten fällt weg
Die Idee kam spontan, der Entwurf war rasch umgesetzt: Eine Zombie-Hand, die nach einer Rolle Klopapier greift. Darüber der Schriftzug „Corona Apokalypse Survived“.
Das Motiv stand nicht lange auf Social Media, da fanden sich erste Begeisterte. Mittlerweile ziert die Klopapier-Rolle bereits den Körper eines Kunden.
Für Tätowierer wie Erich Mähnert, der sein Studio in der Brünner Straße in Floridsdorf hat, ist das Geschäft nach dem Corona-Lockdown wieder angelaufen.
Und es läuft gut: Viele Kunden hätten lange auf ihre geplanten Sitzungen bei ihm warten müssen und wollen die Termine nachholen, erzählt er. Skepsis wegen des Coronavirus herrsche bei den meisten von ihnen keine.
Denn – und das ist eine Besonderheit: Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen hat sich in den Tattoo-Studios durch Corona kaum etwas verändert. „Am Eingang steht nun ein Spender mit Desinfektionsmittel, sonst ist alles wie bisher.“ Der Grund dafür: Schon zuvor galten strenge Hygiene- und Sicherheitsrichtlinien.
Desinfektion, Schutzbezüge, Masken
Die Sessel, auf denen die Kunden liegen, tragen seit jeher Einweg-Schutzbezüge, das Werkzeug wird stets desinfiziert. Auch Masken, Ärmelschoner und OP-Schuhe waren bei den Tätowierern schon zuvor üblich.
„Oder doch“, sagt Mähnert nach kurzem Nachdenken. Eine Sache habe sich noch verändert: „Die Begleitpersonen, die den Kunden das Händchen halten, dürfen derzeit nicht mit.“ Auch im Tattoo-Studio gilt die Abstandsregel überall dort, wo man sie einhalten kann. „Das ist angenehm. Das behalten wir bei.“
Vielfach würden Kunden von der Begleitung nicht beruhigt – sondern sind unaufmerksam und halten beim Stechen nicht still.
Die Branche boomt übrigens: In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der Gewerbeberechtigungen von 77 auf 153 verdoppelt. Wer die Kunden sind? „Alle“, sagt Erich Mähnert. Arbeiter, Hausfrauen, der Herr Doktor.
Gefragt seien derzeit Tattoos im „Neo Traditional“-Stil. (Zugegeben: Für Laien sind die Stilrichtungen schwer auseinanderzuhalten.) Die sogenannten „Tribals“, die man vielfach sieht, sind jedenfalls aus der Mode geraten. „Zum Glück“, sagt Mähnert.
Bei der Auswahl der Körperstellen seiner Kunden ist er streng: Jugendlichen rät er beim ersten Mal von sichtbaren Tattoos ab. „In vielen Jobs ist das bis heute nicht gerne gesehen.“ (Tattoos im Gesicht sind überhaupt der Szene, also Kollegen und anderen Eingeweihten, vorbehalten.)
Mähnert ist momentan dabei, Termine, die er wegen des Lockdown verschieben musste, abzuarbeiten. Er hat sogar einen zusätzlichen Tag pro Woche geöffnet.
Aber nicht nur bei den Tattoo-Studios, auch bei ihren Kollegen aus der Innung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure – zu der Tätowierer gehören – läuft es gut: „Viele haben sehnsüchtig gewartet und sind, etwa bei der Fußpflege, auch auf die Behandlung angewiesen“, sagt Petra Felber, Innungsmeisterin bei der Wiener Wirtschaftskammer.
Egal ob Plexiglasscheiben bei der Maniküre oder ein doppelter Gesichtsschutz bei der Kosmetik: Die Unternehmen hätten vorgesorgt.
Unter dem Slogan #wiederimgschäft hat die Kammer eine Initiative gestartet, mit der die lokalen Firmen unterstützt werden sollen. „Wir müssen den Menschen wieder Sicherheit geben“, sagt Felber. „Sie können darauf vertrauen, dass die Unternehmer alles tun, damit ihre Kunden in Corona-Zeiten sicher sind.“
Die Wirtschaftskammer Wien kämpft mit einer Info-Kampagne gegen die Folgen, die der Corona-Lockdown vor allem für kleine, lokale Geschäfte und Dienstleister hat: Zehntausende Unternehmer in Wien müssten um den Erhalt ihres Betriebes und um Arbeitsplätze fürchten, sagt Wiens Wirtschaftskammer-Chef Walter Ruck.
Um sich gegen internationale Online-Multis durchsetzen zu können, seien die Unternehmer jetzt mehr denn je auf ihre Wiener Kunden angewiesen.
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